Bruchsaler Kulturszene
Finanzsorgen und Mitgliederbindung als zentrale Vereinsthemen
Bruchsal (PM) | Amateurtheater Koralle appelliert an Solidarität von Zuschauern und Unterstützern / Chorverbands-Präsident Zimmermann: „Mit kleinen Gesten das Vereinsgeschehen am Leben erhalten“ / Stadtarchiv zeigt Bilder von Sommertagszügen und will Zeitzeugenberichte über Corona-Pandemie sammeln
Seit annähernd sechs Wochen steht das öffentliche Leben still, sind Veranstaltungen und gemeinschaftliche Unternehmungen tabu, ruht die Vereinsarbeit. Proben können nicht stattfinden, Auftritte und Traditionsfeste ohnehin nicht. Bitter für alle, zumal gerade die Feste keineswegs nur der puren Geselligkeit dienen. Vielmehr sind sie handfeste Einnahmequelle vieler Vereine, die das Honorar für Dirigenten, Mieten, laufende Aufwendungen und Versicherungskosten zu stemmen haben. Bricht das weg – so jetzt die ganzen Maifeste in der Region – entsteht vor allem auch ein Loch in der Vereinskasse. Und das kann, hält die Krise weiter an, manchen Verein an seine finanziellen Grenzen bringen.
Amateurtheater Koralle appelliert an Solidarität
Mit einem dringenden Appell hat sich bereits das Bruchsaler Amateurtheater Koralle an die Öffentlichkeit gewandt. Die Frühjahrsproduktion ausgefallen, das Freilichttheater am Belvedere ungewiss, Kosten durch bereits begonnene Vorbereitungen aufgelaufen: Man stehe, so die alarmierende Botschaft, am Rand der Zahlungsunfähigkeit und sei auf die Solidarität von Zuschauern und Unterstützern angewiesen. Sechs Monate, rechnen Vorstand Günther Hußlik und der künstlerische Leiter Philipp Stavenhagen, werde die Koralle ohne Einnahmen mindestens überbrücken müssen, das Geld aber reiche nur bis Mai: „Danach ist mehr Kreativität denn je für den Vorstand gefragt, damit das Theater im Riff nicht am Ende schließen muss.“
Auch kleine Gesten zählen
Auch wo es nicht gleich um Bestand und Existenz geht, so kann der Stillstand doch in jedem Fall eine Belastungsprobe für den inneren Zusammenhalt der Vereine sein – weshalb nach Beobachtung von Emil Zimmermann, dem Präsidenten des Chorverbands Bruchsal, gerade jetzt auch die Vereinsarbeit nach innen eine wichtige Aufgabe sei. Müssen doch die Mitglieder weiterhin erreicht und gebunden werden. Kleine Zeichen tragen dazu bei – so hat das Ensemble „G‘sung for fun“ des Sängerbundes Liederkranz Heidelsheim wichtige Vereinsereignisse der letzten Monate in einem Videoclip zusammengefasst, gesanglich unterlegt und seinen Mitgliedern übermittelt. Und vom Frohsinn Kronau gab es eine CD mit zurückliegenden Aufführungen als Ostergruß. „Das sind kleine Gesten in einer sonst ereignisarmen Zeit, die das Vereinsgeschehen am Leben erhalten“, sagt Zimmermann.
„Kleine Gesten“, so sieht auch Dietrich Krüger als musikalischer Leiter des Evangelischen Posaunenchors in Heidelsheim sein Projekt „Balkonmusik“, das sich bereits Tag 40 nähert und allabendlich über hundert Teilnehmer zusammenbringt – nicht räumlich, versteht sich, wohl aber musikalisch. Jeder Spieler spielt zur vorgegebenen Funkuhrzeit zuhause fünf zuvor per Mail übermittelte Choräle, mittlerweile haben sich der Aktion auch Posaunenchöre und Musikvereine aus weiteren Gemeinden der Region angeschlossen. Jüngst war der Evangelische Rundfunkdienst Baden für eine Reportage in Heidelsheim.
Einen „Online-Ersatz“ für die wöchentlichen Zusammenkünfte seiner Sängerinnen und Sänger schafft der Gesangverein Harmonie Büchenau – mit virtuellen Chorproben per Videokonferenz. Zwar ist wegen der zeitverzögernden Übertragung ein chorischer Gesamtklang auf diesem Weg nicht möglich, jeder trägt das Stück alleine vor. Doch kann Dirigent Hannes Kehl allen ein individuelles Feedback geben – und dabei auch die jeweiligen Stimmen besser kennenlernen.
Ein „Anti-Virus-Programm“ mit regelmäßigen Updates hat das Bruchsaler Exil Theater auf seiner Homepage (www.exiltheater.de) online gestellt. Dort gibt es Ausschnitte aus vergangenen und kommenden Produktionen, Gedichte, Geschichten und Märchen, Heiteres wie Nachdenkliches, und in der Rubrik Ab-Ständchen präsentiert die Band „Outhaus“ (Mitglieder des Exil Theaters) eigene und gecoverte Songs. „Wenn unsere Besucher schon nichts sehen können“, sagt Ensemble-Mitglied Johannes Ayrle, „sollen sie wenigstens etwas ‚auf die Ohren bekommen‘.“
Stadtarchiv zeigt Bilder von Sommertagszügen
„Sehen können“ ist ein wichtiges Stichwort für die ebenfalls noch geschlossenen Museen im Barockschloss und für das Bruchsaler Stadtarchiv. Unter dem Stichwort „Frühjahrsgruß aus dem Schloss“ veröffentlichen die Einrichtungen auf der Homepage der Stadt Bruchsal derzeit kleine Filme und Bildersammlungen, so aktuell das Deutsche Musikautomaten-Museum (DMM) ein Video der Installation „Mathildes Reise“. Stadtarchiv und Städtisches Museum zeigen Bilder von Sommertagszügen vergangener Jahrzehnte – auch dies eine Traditionsveranstaltung, die in diesem Jahr nur als mediale Erinnerung stattfinden kann.
Noch hinter den Kulissen dieser Einrichtungen spielt sich derzeit ab, was erst zu späterem Zeitpunkt öffentlich sichtbar wird: So arbeitet das DMM den Nachlass eines Drehorgelspielers aus Halle auf, der in der DDR als lizensierter „Volkskunstschaffender“ auf öffentlichen Festen präsent war. Auch im Stadtarchiv wird die Zeit genutzt, um historische Akten aus den Stadtteilen in sogenannten Findbüchern zu erfassen, daneben bereitet man einen Aufruf vor, Zeitzeugenberichte über die Lebensumstände während der Corona-Pandemie zu verfassen. Versteht sich doch das Archiv auch jenseits historischer Dokumente als eine „Gedächtnisinstitution“ für die Zukunft, wie Mitarbeiterin Tamara Frey es formuliert.
Aktuelle Infos und Pressemeldungen gibt es auch auf der Homepage der Stadt Bruchsal sowie auf Facebook.
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