Begeisternd und befremdlich
Götterdämmerung an der Staatsoper Stuttgart

Staatsoper Stuttgart | Foto: Marko Cirkovic
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Im Staatstheater Stuttgart hat die »Götterdämmerung«, dirigiert vom Virtuosen Cornelius Meister und inszeniert vom gewagten Regisseur Marco Storman, nicht nur die Säulen des Walhalls, sondern auch die Erwartungen der Opernfreunde zittern lassen. Und das durchaus im positiven wie im ambivalenten Sinne.

Das Orchester, unter Meisters scharfem Ohr, wob ein musikalisches Netz, das so dicht war, dass selbst die Götter in Valhalla es für ihre Hängematten benutzt hätten, wenn sie nicht so beschäftigt gewesen wären, das Ende ihrer eigenen Welt zu betrauern. Jede Nuance der Partitur sprang heraus wie ein zorniger Thor mit seinem Hammer, mit Crescendi, die donnerten, und Pianissimi, die sich schüchtern wie ein flüsterndes Liebesgeständnis zwischen zwei sehr verschlossenen Valkyrien anhörten. Fast hätte man sagen können, es sei perfekt, wäre da nicht der letzte Akt gewesen.

Der Vorhang hob sich, und das Publikum wurde in die epische Schlacht zwischen Gut, Böse und musikalischer Präzision geworfen. Die ersten beiden Aufzüge verliefen so nahtlos, dass man fast Angst hatte zu atmen, aus Sorge, die fragile Harmonie zu stören. Doch dann trat Marco Stormans Interpretation des Siegfried in den Vordergrund – eine Entscheidung so gewagt, dass sie entweder als genial oder als theatralische Ketzerei angesehen werden könnte. Dieser Siegfried, dargestellt mit einer Naivität, die an die Grenze zur Kindlichkeit grenzte, ließ mich rätseln: Ist das ein taktischer Geniestreich oder eine fehlgeleitete Regieentscheidung? Seine kindliche Einfalt ließ ihn weniger als heldenhaften Drachentöter und mehr als verwirrten Jungen erscheinen, der aus Versehen in eine epische Saga hineingestolpert ist.

Daniel Kirch als Siegfried – Ein Tenor, der die Grenzen seiner Stimme nicht nur auslotet, sondern auch die emotionalen Schichten seiner Figur meisterhaft zum Leben erweckt. Kirchs Darstellung brachte eine jugendliche Energie und Frische in die Rolle, kombiniert mit einer dunkleren Nuancierung, die Siegfrieds oft zu eindimensional wahrgenommene Heldenhaftigkeit eine tiefere tragische und emotionale Komplexität verlieh. Die Intensität seiner Performance, sowohl in musikalischer als auch dramatischer Hinsicht, demonstrierte ein tiefes Verständnis für Wagners musikalisches Idiom und die psychologischen Untertöne der Figur.

Christiane Libor als Brünnhilde – Ihre Performance war nichts weniger als atemberaubend. Libors stimmliche Fähigkeiten, besonders in den hohen Registern, kombiniert mit einer kristallklaren Klarheit und beeindruckender Präzision, verliehen ihrer Brünnhilde eine atemberaubende Präsenz auf der Bühne. Jede Szene, in der sie auftrat, wurde zu einem Höhepunkt der Aufführung, ihre Interpretation enthüllte die vielen Facetten Brünnhildes – von der kriegerischen Walküre bis zur leidenschaftlich Liebenden und selbstlosen Heldin. Ihre Darstellung in der Immolationsszene, in der sie sowohl stimmliche Herausforderungen meisterte als auch eine überwältigende emotionale Tiefe erreichte, brachte das tragische Ende ihrer Figur und des gesamten Zyklus eindrucksvoll zum Ausdruck.

Shigeo Ishino in der Rolle des Gunther und Patrick Zielke als Hagen, ergänzt durch Mandy Fredrichs Gutrune, bildeten ein Trio, das den Abend in ein wahres Drama verwandelte. Ishino, mit einer Stimme, die sowohl schön als auch ausdrucksstark war, brachte eine nuancierte und tiefgründige Darstellung des Gunther, der oft als bloßer Spielball der mächtigeren Kräfte gesehen wird. Die subtile Art, wie er die emotionalen und psychologischen Facetten Gunthers hervorhob, verlieh seiner Figur eine beeindruckende Tiefe und Komplexität, die oft übersehen wird.

Patrick Zielke, als der ominöse Hagen, zeigte eine beeindruckende Wandlungsfähigkeit und bot eine Darstellung, die sowohl faszinierend als auch furchteinflößend war. Obwohl er äußerlich nicht den typischen Bösewicht verkörperte, offenbarte seine stimmliche Leistung eine düstere und bedrohliche Präsenz, die perfekt zu Hagens komplexer Natur passte. Im zweiten Akt, mit einer Stimme voller Inbrunst und Bösartigkeit, brachte er die dunklen Facetten seiner Figur mit einer solchen Intensität zum Vorschein, dass das Publikum gleichzeitig angezogen und abgestoßen wurde.

Mandy Fredrich als Gutrune stand diesen beeindruckenden Leistungen in nichts nach. Ihre stimmliche Reinheit und emotionale Tiefe brachten die Zwiespältigkeit und Verletzlichkeit ihrer Figur eindringlich zum Ausdruck. Ihre Fähigkeit, die komplexen emotionalen Schichten Gutrunes nuanciert darzustellen, verlieh ihrer Performance eine besondere Tiefe, die sie zu einem unvergesslichen Teil des Ensembles machte.

Die Nebenrollen, besetzt mit Stine Marie Fischer als Waltraute, Eliza Boom als Woglinde, Linsey Coppens in den Doppelrollen als Wellgunde und die zweite Norn, sowie Martina Mikelic als Floßhilde und Nicole Piccolomini und Christiane Kohl als erste und dritte Norn, demonstrierten ebenfalls eine bemerkenswerte stimmliche und schauspielerische Meisterschaft. Jede dieser Sängerinnen trug mit ihrer einzigartigen stimmlichen Klarheit und nuancierten Emotionalität wesentlich zur Stärkung des dramatischen Gefüges und der mystischen Atmosphäre der Inszenierung bei. Ihre harmonischen und zugleich individuell prägnanten Darbietungen belebten die mythologische Welt Wagners mit großer Sensibilität und künstlerischer Feinsinnigkeit.

Der dritte Aufzug entpuppte sich als eine dramatische Achterbahnfahrt, allerdings mit einigen unerwarteten Schauern entlang der Strecke, die das sonst glänzende Gesamterlebnis verdunkelten. Daniel Kirch, der zuvor als Siegfried mit einer explosiven Mischung aus Vitalität und nuancierter Darbietung die Bühne beherrscht hatte, schien im letzten Akt seine magische Ausstrahlung zu verlieren. Trotz seines Versuchs, durch expressive Gestik und ungebremste Leidenschaft zu überzeugen, blitzten Momente der Erschöpfung auf, die seinen sonst so strahlenden Tenor ein wenig matt erscheinen ließen.

Zu allem Überfluss spielten die Hörner während des zentralen Rheinthemas verrückt, was zu einem der haarsträubendsten Momente des Abends führte. Diese musikalischen Schnitzer zerrissen nicht nur die sonst so makellose akustische Tapete, sondern fühlten sich an, als würde man aus einer Traumsequenz unsanft geweckt. Nach diesem Einsatz schien die Horngruppe verflucht – eine Panne folgte der nächsten. Selbst der Trauermarsch, der als musikalisches Aushängeschild des Abends gelten sollte, strauchelte unter dieser Last. Obwohl laut und machtvoll dargeboten, fehlte es ihm an emotionaler Tiefe und der notwendigen Sorgfalt, die eine derart bedeutungsschwere Szene erfordert. Seine Brachialität wirkte fast grotesk überzogen, fast als hätte man die emotionale Verbindung und die sonst so akribische Feinheit von Wagners musikalischer Sprache aus den Augen verloren.

Selbst die Sternstunden von Christiane Libor als Brünnhilde, Shigeo Ishino als Gunther und Patrick Zielke als ein zündender Hagen konnten nicht verhindern, dass dieser dritte Akt im Schatten technischer und interpretativer Fehltritte des Orchesters verblich. Ihre ansonsten strahlenden Auftritte verloren an Glanz, überschattet von den Unstimmigkeiten der Instrumentalisten.

Das große Finale, das eine Katharsis und einen eindrucksvollen Abschluss des „Ring“-Zyklus versprach, entpuppte sich eher als eine gedämpfte Angelegenheit, die die erwartete musikalische Intensität und dramatische Tiefe vermissen ließ. Anstatt die Zuschauer mit einer bildgewaltigen Inszenierung und emotionaler Wucht zu überwältigen, die die vorherigen Akte so prägend gemacht hatten, hinterließ der letzte Aufzug ein Gefühl der Unvollständigkeit und eine gewisse Ratlosigkeit. Angesichts des sonst so hohen Niveaus der Aufführung stach dieser Mangel besonders hervor.

So endete der Abend mit einer gewissen Enttäuschung, die dem sonst so dynamischen und tief emotionalen Opernerlebnis nicht gerecht wurde.

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Autor:

Marko Cirkovic aus Durlach

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