Nach dem Schock der Blick nach vorne - wie Germersheim auf den Missbrauchsskandal reagiert
Germersheim. Über Jahrzehnte hat ein Priester der katholischen Kirche in Germersheim und Sondernheim männliche Kinder und Jugendliche missbraucht. (hier der Wochenblatt-Bericht). Nach Wochen des Schreckens und der Schockstarre, in denen immer mehr Betroffene, aber auch weitere schreckliche Details des Missbrauchs bekannt wurden, kommt nun Bewegung in den Fall. Immer mehr Bürger solidarisieren sich mit den Betroffenen, üben Druck auf die Kirche aus, um nachhaltige Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse fordern, um daraus ein Präventionskonzept zu erarbeiten, das sicherstellt, dass ein vergleichbarer Fall in der Pfarrei Germersheim nicht mehr passieren kann.
Schmerzvolle Aufarbeitung
So kamen am Samstag in einer Germersheimer Gaststätte Betroffene, engagierte Bürger, aber auch Vertreter der Kirche, der Pfarrgemeinde und des Stadtrats zusammen, um das vielen Bürgern Unbegreifliche aufzuarbeiten und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Der gemietete Raum war schnell bis auf die Stehplätze gefüllt, das Interesse an der Veranstaltung überwältigte selbst die Organisatoren. Auch Menschen, die schon lange nicht mehr in Germersheim leben, fanden sich ein. So etwa ein Mann, der sich und seine Geschichte in den Artikeln über den Missbrauchsskandal wiedererkannte. "Ich habe das gelesen und mir gedacht: Der Junge aus dem Text, das bist Du. Und meine zweite Erkenntnis war: Du bist nicht allein. Denn über Jahrzehnte dachte ich, das sei nur mir passiert." So ging es vielen Betroffenen - allen gemein, das Gefühl der Hilflosigkeit, der Verzweiflung. Aber es gibt auch jene, die immer wieder versucht haben, Hilfe zu erhalten und deren Leid von der katholischen Kirche auf allen Ebenen ignoriert, vertuscht und herabgespielt wurde.
Schnell wurde in den angeregten Gesprächen deutlich: Ein Anliegen teilen alle, die am Samstag an dem Treffen teilgenommen haben. "So etwas darf nie wieder passieren. Und wir müssen als Gesellschaft schnellstens Schutzmechanismen und Präventionsmittel entwickeln, um das - so gut als möglich - sicherzustellen."
Der Blick geht jetzt auf die Prävention
Wichtig sei dabei, so waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, dass diese Aufgabe nicht allein in den Händen der Kirche bleiben darf. Zum einen müsse sichergestellt werden, dass die Arbeit der Kirche transparenter und nachvollziehbarer werde und zum anderen muss es gesellschaftsübergreifende Konzepte geben, die Missbrauch auch in anderen Institutionen wie Vereinen oder Bildungseinrichtungen verhindern oder schnell aufdecken. "Hätte es damals schon Richtlinien gegeben, wie man mit solchen Vorfällen umzugehen hat, wenn sie gemeldet werden, wäre dieser Missbrauch in diesem Umfang nie passiert", ist sich einer der anwesenden Betroffenen sicher. "Auch deshalb bin ich heute hier. Ich will, dass meinen Kindern und Enkeln so etwas nicht passiert, dass ihr Umfeld ganz genau weiß, worauf es achten muss und wie es zu reagieren hat", erklärt ein anderer. Dafür ist beides wichtig: eine möglichst komplette Aufarbeitung der Taten des Priesters und die Schlüsse, die man daraus ziehen kann, für ein wirklich abschreckendes und zuverlässiges Präventionssystem.
In einem weiteren Punkt waren sich am Samstag alle Anwesenden einig: Es darf für sexuellen Missbrauch an Kindern keine Verjährungsfristen mehr geben und die Strafen müssen allgemein härter werden. Das würde zum einen viele Täter abschrecken, zum anderen die Vertuschung und Verschleppung innerhalb der katholischen Kirche wesentlich erschweren und Betroffenen die Chance geben, erst dann strafrechtlich gegen den Täter vorzugehen, wenn sie wirklich dazu bereit sind. Online-Petitionen, die erreichen sollen, dass der Bundestag sich mit dieser Thematik direkt befasst, sollen nun im nächsten Schritt öffentlichkeitswirksam angestoßen oder unterstützt werden.
Thema: Der Missbrauchsskandal um einen Priester in Germersheim und Sondernheim
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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