Von "das wusste jeder" bis tiefste Bestürzung: Was nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in Germersheim passiert ist

Pastoralreferentin Irina Manck, Dekan Jörg Rubeck und Pastoralreferent Thomas Bauer wollen in ihrer Pfarrei den Missbrauchsfall aus den 1970er und 80er Jahren so weit als möglich aufdecken und daraus ein Präventionskonzept für die Zukunft entwickeln | Foto: Heike Schwitalla
  • Pastoralreferentin Irina Manck, Dekan Jörg Rubeck und Pastoralreferent Thomas Bauer wollen in ihrer Pfarrei den Missbrauchsfall aus den 1970er und 80er Jahren so weit als möglich aufdecken und daraus ein Präventionskonzept für die Zukunft entwickeln
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Germersheim. Auch drei Wochen nach dem Schritt an die Öffentlichkeit zeigt sich das Pastoralteam der Pfarrei Germersheim weiter bestürzt: Immer mehr Details des Missbrauchs durch einen Germersheimer Priester in den 1970er und 1980er Jahren werden bekannt, auch ein weiteres Opfer hat sich gemeldet und natürlich sind da die Fragen, Sorgen und Vorwürfe der Gläubigen. "Es vergeht kein Tag ohne E-Mails, Telefonate oder persönliche Gespräche zu dem Thema. Die Menschen haben Fragen oder einfach das Bedürfnis über die Geschehnisse von damals zu sprechen" fasst Pastoralreferent Thomas Bauer die Situation zusammen.
Es hätten sich im Laufe der Gespräche drei große Gruppen herausgebildet, sagt er: die größte Gruppe, die von sich behauptet, nichts gewusst zu haben und dem Täter oft diese Taten auch nicht zutraut, die zweite Gruppe, die sagt, man habe immer geahnt, dass "da was nicht stimmen könnte" und die dritte Gruppe, die um die Missbrauchstaten wusste und sagt, dass viele Menschen in Germersheim und Sondernheim  darüber Bescheid wussten und immer noch schweigen.

Hat die Kirche schon früher Bescheid gewusst und nichts gegen den Missbrauch unternommen?

Es habe, so berichtet Bauer weiter, auch Menschen gegeben, die berichten, dass sie sich damals schon mit ihren Beobachtungen an die Kirche gewandt haben. Passiert sei jedoch nie etwas. Und auch bei der Polizei seien die Taten, damals in den 1970er Jahren, wohl nicht angezeigt worden.
Außerdem stellen sich natürlich viele Germersheimer die berechtigte Frage, warum seit 2010, als sich Menschen erneut an die Kirche gewandt hatten, über Jahrzehnte nichts passiert ist und auch nicht explizit vor dem Täter gewarnt wurde. Die hat die Pfarrei auch dem Bistum gestellt. Die wenig befriedigende Antwort: Man habe sich damals aus Täter und Betroffene konzentriert. Es sei damals nicht bewusste gewesen, dass solche Missbrauchsfälle stets weitere Kreise ziehen und die Gemeinden als Ganzes betroffen sind und informiert gehören.
Und auch heute noch tauchen auf den Internetseiten des Bistums Speyer und seiner Pfarreien Spuren und Texte des Täters auf, die zeigen, dass er auch nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle weiter in seiner Rolle als Pfarrer zumindest digital aktiv war. Man sah also im Bistum offenbar kein Problem darin, sich als Kirche weiter mit dem Namen eines geständigen Missbrauchs-Täters in Kontakt zu bringen. (Eine Erklärung des Bistums dazu steht noch aus)

In der Pfarrei Germersheim will man derweil immer noch klare Verhältnisse schaffen, steht weiter zum Konzept der Transparenz und Öffentlichkeit, gibt aber auch ein gewisses Maß der Überforderung zu. "Wir sehen die Pfarrei und die Kirche insgesamt als lernendes System. Wir müssen jetzt auch erst einmal unsere Schritte und Lernprozesse dokumentieren und analysieren. So hoffen wir auch langfristig zum Lernprozess des gesamten Bistums unseren Anteil beizutragen", fasst Bauer die Lage zusammen. Wichtig sei es, aus den begangenen Fehlern zu lernen und für die Zukunft ein tragfähiges Präventionskonzept zu entwickeln. "Was wir alle wollen: Das so etwas nie wieder vorkommt. Daher muss es für jeden Mitarbeiter der Kirche - haupt- und ehrenamtlich - klare Abläufe und Vorgaben geben, was zu geschehen hat, wenn auch nur der Verdacht eines Fehlverhaltens im Raum steht", bekräftigen Pastoralreferent Thomas Bauer, Dekan Jörg Rubeck und Pastoralreferentin Irina Manck. Man könne sich nach den Erkenntnissen des Germersheimers Falles auch die Unterstützung einer Online-Petition gegen die bestehenden Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch vorstellen, müsse dies aber erst im Pfarreirat besprechen und zur Abstimmung bringen. 

Info: wer selbst von Missbrauch durch einen Mitarbeiter der katholischen Kirche betroffen ist, kann sich an den Betroffenenbeirat im Bistum Speyer wenden - betroffenenbeirat-speyer@gmx.de

Mehr zum sexuellen Missbrauch durch einen Priester in Germersheim und Sondernheim

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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