Interview der Woche
„Foodsaverin“ Anna Krämer aus Haßloch
Von Markus Pacher
Haßloch. Sie nennen sich „Foodsaver“ und haben es sich zur Aufgabe gestellt, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten. Eine davon heißt Anna Krämer. Sie lebt in Haßloch und engagiert sich seit zwei Jahren für das Projekt. Markus Pacher sprach mit ihr über die Idee, die hinter sogenannten „Foodsharing“-Konzept steht.
??? Frau Krämer, wie sind Sie auf „Foodsharing“ gestoßen?
Anna Krämer: Ich stamme aus einer Selbstversorgerfamilie, die selbst Obst- und Gemüse anbaut. Der sensibilisierte, verantwortungsvolle Umgang mit Lebensmittel haben mir meine Großeltern und meine Eltern in die Wiege gelegt. Bei uns wurde so gut wie kein Lebensmittel weggeworfen. Das Thema Nachhaltigkeit hat mich schon frühzeitig interessiert. Zu „Foodsharing“ bin ich 2017 über Juliette Guerin gestoßen, die im Jahr zuvor den „Foodsharing“-Bezirk Landkreis Bad Dürkheim gegründet hat. Das Projekt wurde 2012 in Berlin ins Leben gerufen als Resonanz auf den Film „Taste the Waste“. Es ging von Anfang an darum, die bislang verbotene Suche nach weggeworfenen Lebensmitteln in Containern ins Legale zu führen.
??? Wie funktioniert „Foodsharing“ speziell in Haßloch?
Anna Krämer: Ich habe mich zunächst dafür stark gemacht, in Haßloch einen Verteiler, wir sagen dazu „Fair-Teiler“, zu eröffnen. Er befindet sich im Hof von Karin Alter-Hormes in der Langgasse 58. Dort steht eine Holzhütte, in der das Lebensmittel abholbereit deponiert wird.
??? Woher stammt das Lebensmittel, wer sind die Spender?
Anna Krämer: Das sind 66 Betriebe aus dem Landkreis Bad Dürkheim und der Region. Insgesamt engagieren sich in unserem Bezirk 239 Foodsaver, davon stammen neun aus Haßloch, die Unternehmen und Einrichtungen anzusprechen. Das sind nicht nur Lebensmittelgeschäfte, sondern auch Institutionen wie Schulen, denn wir holen auch übrig gebliebene gekochte Lebensmittel ab. Viele rufen bei mir an, wenn was übrig geblieben ist, zum Beispiel nach Vereinsfesten. Die Informationen über die Bestände werden von uns online gestellt und auf diesem Weg die Abholung, Verteilung etc. organisiert.
??? Wer entscheidet, welches Lebensmittel weiterverschenkt werden kann?
Anna Krämer: Wir sortieren selbst aus. Da wir das Lebensmittel verschenken, fallen wir nicht unter das Lebensmittelgesetz. Mein Motto lautet dabei: „Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein Sterbedatum“. Wir lassen unsere Sinne entscheiden, ob etwas noch gut ist oder weggeworfen werden muss. Oftmals ist übrigens nicht das abgelaufene MHD der Grund, warum Lebensmittel aussortiert wird. An Weihnachten zum Beispiel haben wir 500 Packungen Lind-Pralinen bekommen, die zu nahe an der Heizung standen. Oder wir bekommen saisonale, nicht mehr für den aktuellen Verkauf relevante Lebensmittel wie zum Beispiel Osterhasen, Nikoläuse oder Fußball-WM-Fanartikel.
??? Wer profitiert von den Lebensmitteln?
Anna Krämer: Bei uns kann jeder Lebensmittel kostenlos abholen. Nicht der Wohltätigkeitsgedanke steht bei uns im Vordergrund. Uns interessiert vor allem das Thema „Nachhaltigkeit“ und die dahinter steckende Idee von gesundem Wachsen. Dabei vertrauen wir auf den verantwortungsvollem Umgang der Abholer: Jeder soll sich nur soviel nehmen, wie er auch verwerten kann.
??? Müssen Sie auch mal Lebensmittel wegwerfen?
Anna Krämer: Das Einzige was weggeworfen wird, sind verschimmelte Waren. Was nicht mehr schmackhaft ist, wird in einem Tierfutterkasten für Ziegen, Schafe, Pferde etc. gelagert. Wir haben viele Kontakte zu entsprechenden Einrichtungen mit Tierhaltung wie Bauernhöfe oder den Vogelpark Haßloch. pac
Kontakt: Anna Krämer, Telefon 06324 818294 oder 0176 63100357, a.kraemer1@foodsharing.network
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Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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