Das Therapeutische Reiten der Lebenshilfe Südliche Weinstraße fördert erfolgreich die sozialen und motorischen Fähigkeiten zahlreicher Menschen aus der Südpfalz.
Von sanften Riesen lernen
Die Hände zittern. Holger Jotter wartet auf Samson. Da kommt er aus dem Stall. Die blonde Wallemähne des 900 Kilogramm schweren Pferdes braucht Pflege. Holger lächelt und streichelt ihm über die Wange. Jetzt die Bürste! Wenige Minuten später glänzt das Haar des sanften Riesen in der Morgensonne – und Holgers Augen leuchten. Er ist zur Ruhe gekommen.
In Einzelförderung sowie in Gruppen von bis zu fünf Personen nutzen wöchentlich insgesamt rund 50 Menschen das Angebot des Therapeutischen Reitens der Lebenshilfe Südliche Weinstraße in Herxheim. Etwa zwei Drittel von ihnen kommen aus Einrichtungen der Lebenshilfe Südliche Weinstraße, ein Drittel sind externe Klienten. „Der Kontakt zwischen Mensch und Pferd stärkt die sozialen und motorischen Fähigkeiten“, erläutert Reitpädagogin Daniela Messemer. Das könne nicht nur die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsverzögerungen entscheidend fördern. Vielmehr profitierten Menschen mit ganz unterschiedlichen Problemen über alle Lebensphasen hinweg vom Angebot des Therapeutischen Reitens.
„Bei unserer Arbeit geht es vor allem um den Dialog zwischen Mensch und Pferd, aber auch darum, diesen auf die Beziehung zu anderen Menschen zu übertragen.“ Wenn die Teilnehmer zum Beispiel eines der acht Therapiepferde am Boden führen, lernen sie, das Verhalten des Tieres zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. „Sie übernehmen Verantwortung und erfahren viel über den Umgang mit Lebewesen“, so Daniela Messemer. Gerade für Autisten bedeute das eine enorme Chance: „Der Bezug zum Pferd kann die Tür zum Menschen öffnen.“
Darum geht es auch bei Michael Grab. Während Holger Jotter an diesem Vormittag Samson striegelt, steht der Autist zunächst abseits hinter einem Baum, ganz in seine Gedanken vertieft. Als er ein paar Minuten später Samsons Rücken berühren und das Pferd streicheln kann, wirkt es, als sei er nun ganz in der Situation angekommen.
Samson wiehert freundlich, als er Trixie erblickt. Silke Hennings führt die junge Stute aus der Halle. Dort bürstet und streichelt Silke das Pferd, das sie an diesem Vormittag ausgewählt hat. Wie die anderen Mitglieder dieser Therapiegruppe arbeitet sie in der Südpfalzwerkstatt in Offenbach. Heute möchte Silke nicht reiten, sondern Trixie pflegen und mit ihr kuscheln. „Eine unserer Aufgaben ist es, die individuelle Persönlichkeit zu stärken. Jeder Teilnehmer entscheidet daher selbst mit, welches persönliche Tagesziel erreicht werden soll“, sagt Daniela Messemer. „Zudem legen die Teilnehmer gemeinsam Aufgaben und die Reihenfolge innerhalb einer Therapieeinheit fest.“ Benny Röhm kümmert sich an diesem Vormittag um die Stallarbeit: „Das gehört dazu. Und es macht Spaß!“ Schon hat er sich Rechen und Schaufel geschnappt, um das Laub auf dem Außengelände an der Speyerer Straße zu beseitigen.
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sind entsprechend ausgebildete Pferde. „Das Therapiepferd muss gerne zum Menschen gehen und jedem einzelnen immer wieder unvoreingenommen begegnen. Außerdem braucht es saubere und regelmäßige Bewegungsabläufe, um auch die Förderung der motorischen Fähigkeiten auf dem Pferd gewährleisten zu können“, sagt Daniela Messemer. Vor dem Therapieeinsatz stehe in der Regel eine rund einjährige Ausbildung der Tiere.
Seit 2011 verantwortet die Lebenshilfe Südliche Weinstraße das Therapeutische Reiten in der und rund um die Dr.-Franz-Daniel-Halle in Herxheim, die nach dem Gründer der Aktionsgemeinschaft Therapeutisches Reiten benannt ist. Was mit drei Pferden begann, hat sich zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickelt. Insgesamt sind inzwischen acht Therapiepferde im Einsatz, zudem sind mittlerweile zwei Reitpädagoginnen beschäftigt. Hinzu kommt ein vierköpfiges Stallteam. Die Nachfrage nach dem vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten anerkannten Angebot ist enorm. Umso mehr sind die Verantwortlichen auch für die ehrenamtlichen Helfer dankbar.
Wie wichtig das Therapeutische Reiten für die Entwicklung von Menschen in der Südpfalz und für ihr Wohlbefinden ist, zeigt sich einmal mehr, als Michael Grab später in der Halle auf Samsons Rücken sitzt. Nach ein paar langsamen Runden bleibt das Pferd stehen. Behutsam legt Michael beide Hände auf die Satteldecke, dann den Kopf auf die blonde Mähne. Er schließt die Augen und spürt die wärmende Nähe Samsons.
Autor:Dennis Christmann aus Offenbach |
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