Stadtrat beschließt Widerspruch und Klageweg
Widerstand gegen die Zurückweisung des Doppelhaushalts 2022/23 durch die ADD
Von Ralf Vester
Stadtrat Kaiserslautern. Der Kaiserslauterer Stadtrat hat sich mit deutlicher Mehrheit für einen Widerspruch gegen die kürzliche Zurückweisung des Doppelhaushalts 2022/23 durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) ausgesprochen und sich zudem für das Beschreiten des Klagewegs entschieden, falls die ADD den Widerspruch abschlägig bescheiden sollte.
Was war im Vorfeld passiert? Nach dem zähen Ringen um den Haushalt 2021 hatten sich die Parteien des Stadtrats und die Stadtspitze im Februar 2022 nahezu einstimmig und angenehm geräuschlos auf einen ausgeglichenen Doppelhaushalt für die Jahre 2022 und 2023 geeinigt – der erste seit Anfang der 1990er Jahre. Zudem war darin erneut eine deutliche Schuldenrückführung vorgesehen. Der benötigte Segen der ADD schien eigentlich nur noch eine Formsache zu sein. Daher traf die Zurückweisung des Etats seitens der ADD die politisch Handelnden im Juni wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
ADD verlangt extrem harte Einschnitte
Besonders im Bereich der für die Gestaltung einer Stadt so wichtigen Investitionskredite hätten die verlangten, extrem harten Einschnitte weitreichende Folgen für Kaiserslautern. Für 2022 verlangt die ADD eine Deckelung der Investitionskredite auf 25 Millionen Euro. Für 2023 verbietet sie gar die Investitionskredite komplett. Der Stadtrat beauftragte Oberbürgermeister Klaus Weichel Ende Juni in seiner Sitzung damit, Verhandlungen mit der ADD und dem Innenministerium in Mainz zu führen, um vielleicht doch noch die Rücknahme der Zurückweisung auf der Gesprächsebene zu erreichen und zog zunächst noch nicht die Option des Widerspruchs.
Allerdings brachte das Treffen der dreiköpfigen Kaiserslauterer Delegation um OB Klaus Weichel mit der ADD und Innenminister Roger Lewentz am 5. Juli nicht den erhofften Erfolg. Die Gegenseite zeigte sich unnachgiebig und behält ihre harte Linie gegenüber den Kommunen bei. Der ausgeglichene Doppelhaushalt samt Schuldenrückführung fand nicht die gewünschte Würdigung, da man seitens der ADD eine dauerhafte, nachhaltige Minderung der Ausgaben der Stadt als nicht gegeben sieht.
Drastische Erhöhung der Grundsteuer B droht
Derlei Kompensationsmaßnahmen, die den Segen der Behörden finden würden, lassen sich nur durch die Steigerung der Erträge, ergo Steuererhöhungen, wie die ohnehin jüngst schon eingepreiste Anhebung der Grundsteuer B, Einsparungen bei den freiwilligen Maßnahmen, wie Zuschüsse für Sportvereine, Schließungen von Freibädern etc., oder durch Stellenstreichungen erzielen. Für eine nach wie vor hoch verschuldete Kommune wie Kaiserslautern allesamt extrem bittere Pillen, so sie denn vorgenommen werden müssten.
Der noch nicht genehmigte Doppelhaushalt lähmt indes die Stadt ein weiteres Mal. Kaiserslautern ist bis auf Weiteres auf zu einer neuerlichen Haushaltssperre verdammt und praktisch manövrierunfähig. Zuschüsse in Millionenhöhe von Bund und Land für bereits bewilligte Projekte im Bereich der freiwilligen Leistungen, wie etwa das Projekt „Neue Stadtmitte“, drohen zu verfallen.
Peter Kiefer warnt vor dem Ziehen des Steckers
Dies gab auch der städtische Beigeordnete Peter Kiefer zu bedenken, der die Stadtratssitzung am Montag, 18. Juli, in Vertretung der beiden coronabedingt ausgefallenen Klaus Weichel und Beate Kimmel leitete. Der Baudezernent kämpfte vehement für einen Verzicht auf den Widerspruch und die Beschreitung des Klageweges. Er präsentierte einen eigenen Beschlussvorschlag, versehen mit einer scharfen, an die ADD und die Landesregierung adressierten Protestnote. Es gelte, alles dafür zu tun, dass die Stadt wenigstens für das Jahr 2022 noch handlungsfähig bleibe und in Form eines Nachtragshaushalt für 2023, inklusive nachhaltiger Konsolidierungsmaßnahmen, das Schlimmste abzuwenden.
Der Vorschlag fand auch bei allen Fraktionen des Stadtrats Anklang und Würdigung, doch außer bei der SPD fand er letztlich keine Zustimmung. Alle anderen Fraktionen im Kaiserslauterer Stadtrat, bis auf eine Ausnahme in Reihen der FWG, sprachen sich überaus deutlich mit 36 zu 16 Stimmen für einen Widerspruch und im Bedarfsfall das Beschreiten des Klagewegs gegen die Zurückweisung des Doppelhaushalts 2022/23 durch die ADD aus.
Hat sich die Stadt mit dieser Entscheidung, wie Peter Kiefer inständig warnte, ein Eigentor geschossen und die Tür für weitere Verhandlungen in Mainz und Trier endgültig zugeschlagen und bleibt somit für lange Zeit fremdbestimmt und nahezu komplett in ihrem Handlungs- und Gestaltungsspielraum eingeschränkt? Oder sorgt das Stellen auf die Hinterbeine des Kaiserslauterer Stadtrats doch vielleicht für eine Art Befreiungsschlag mit Knalleffekt, der die bis dato unnachgiebige ADD und die aufgrund der mangelhaften finanziellen Ausstattung der rheinland-pfälzischen Kommunen verfassungswidrig agierende Landesregierung zum Einlenken zu bewegen?
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Für beide Szenarien gibt es begründete Prophezeiungen. Ob sich die Stadt mit der getroffenen Entscheidung zu weit aus dem Fenster gelehnt hat und dies noch bitter bereuen muss, oder ob die eindeutige Botschaft des Stadtrats für einen überraschenden Sinneswandel sorgt, bleibt abzuwarten. Ein Drahtseilakt ist es in jedem Fall, aber so weitergehen kann es mit der ständigen Geißelung von ohnehin schon extrem klammen Städten wiederum auch nicht. Die Entscheidung in Kaiserslautern dürfte jedenfalls aufmerksam registriert worden sein – von den Behörden in Mainz und in Trier, aber auch von anderen notorisch klammen Kommunen, denen spätestens 2023 ähnliches Ungemach droht. rav
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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