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Beispiel:
NACHMUNDEN
Ich sitze im Kaffee! Endlich wieder nach so langer Zeit der Caféprohibition. Geniesse es meine alten Gewohnheiten aufzunehmen. Um Punkt 10 h mich an meinen kleinen Stammtisch zu setzen. Wie immer das kleine Schild, auf dem kursiv steht RESERVIERT AB 10 UHR, dem Ober nonchalant in die Hand zu drücken. Die bewundernden Blicke anderer Gäste dadurch auf mich zu ziehen. Und wie es sich gehört bringt er neben dem Wienercafé, ja, korrekt mit é aigu geschrieben, die eingespannte Tageszeitung, den Kurier, den er vor usurpierender Hand seit Öffnung hinter dem Tresen für mich in Verwahrung genommen hat.
Doch nicht die Nachrichten des Kuriers nehmen meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Nein, die Zeitung ist einzig Tarnung um besser zuhören zu können. Zu vernehmen was an den Nebentischen gesprochen wird. Eine wahre Fundgrube von Informationen. Wahrhaftige, keine Fake Informationen. Unmittelbare. Echte. Ungefilterte. Mitten aus dem Leben stammende. Mein Tischchen, so habe ich es in Jahren ersessen, liegt taktisch richtig. Mitten im Raum. Belauschbar dadurch das mathematische Maximum an Kaffee Gästen. Ohne dass diese Verdacht fassen können. Der Kurier schützt mich vor falschen Verdächtigungen. Vor dem Entdecktwerden. Denn schliesslich will ich nichts Böses. Verlange auch nicht, dass eine Datenschutzerklärung unterschrieben, oder gar angeklickt wird. Bei mir sind Nachrichten sicher. Erzähle diese nicht weiter. Dienen einzig der Erweiterung, der Ausweitung meines Geistes. So wie andere einen Joint in sich hineinziehen, um dasselbe zu erreichen.
Am Nebentischchen, beim Fenster rechts, hat eine korpulente Dame mit einem Gemüsenetz, nein, nicht auf dem Hut, das sie Gemüse beladen an die Stuhllehne hängt, muss gerade vom Markt gekommen sein, Platz genommen. Ihr gegenüber eine junge, zierlichen Frau, möglicherweise ihre Tochter. Ideal, denke ich! Endlich werde ich erneut nach der langen Coronacaféaussperrzeit Neues erfahren können.
„Also, wenn Du so weiter fährst werde ich dich entmündigen lassen. Du kommst immer mehr auf die schiefe Bahn.“
Oh, denke ich, da habe ich wirklich Glück! Kann mich nicht an eine bessere Gesprächseröffnung erinnern. Kriminelle Energie knistert bis zu meinem linken Ohr. Ich nehme einen kleinen Schluck aus der Tasse, darauf achtend, dass der Schlagrahm nicht meinen Schnauzer verunziert. Ich pflege diesen täglich minutiös. Blättere den Kurier, möglichst viele Laute dabei abgebend, eine Seite weiter, schüttle dabei mein Haupt. Alles Tarnung. Lang antrainiertes Verbergungswissen. Und da, jetzt wird es spannend, öffnet die junge Frau den rosa gefärbten Schmollmund.
„Was soll das Mama? Bevormunden? Du fährst auf dem falschen Dampfer!
Nachmunden will ich! Ihn küssen! Doch nicht den Vormund …“
Autor:Francois Francois Loeb aus Karlsruhe |
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