Interview mit "Independent Days"-Festivalleiter Dr. Oliver Langewitz
Karlsruhe hat ab dem 3. April die Welt des unabhängigen Kinos zu Gast
Karlsruhe. Anfang April starten die "Independent Days", die 19. Internationalen Filmfestspiele im Karlsruher Kino Schauburg. Vom 3. bis 7. April werden dabei 150 Filme aus 43 Ländern gezeigt [Programm], darunter zahlreiche Welt-, Europa- und Deutschlandpremieren.
Filmemacher reisen nach Karlsruhe
Kino-Fans dürfen sich freuen, denn viele der Filmemacher werden persönlich nach Karlsruhe anreisen, um ihre Filme dem Publikum vorzustellen. Zudem wird ein spannendes Rahmenprogramm geboten sein. Viel Arbeit also für das Team um Festivalleiter Dr. Oliver Langewitz, bei dem das "Wochenblatt" in Sachen Film-Auswahl, "Karlina", Filmpreise, Programm und Untertiteln nachfragte.
???: Keine zwei Wochen mehr bis zum Festivalstart. Aufgeregt?
Oliver Langewitz: Ich bin gespannt, gespannt auf die Filmemacher, gespannt auf das Publikum und gespannt darauf, wie das diesjährige Programm angenommen werden wird! Wenn man wie ich zwanzig Jahre ein Festival organisiert, seit über zehn Jahren dann als Festivalleiter, hat man natürlich eine gewisse Routine, die aber ungemein hilfreich ist, wenn es darum geht, neue Programme zu entwickeln oder neue Kooperationen einzugehen. Wenn bestimmte Prozesse etabliert sind und reibungslos funktionieren, kann man seinen Fokus ausweiten, was ungemein wichtig ist, da wir die "Independent Days" auch immer an aktuellen Veränderungen anpassen wollen und müssen. Das geht natürlich nur mit einem guten Team und hier freue ich mich, dass wir einige erfahrene langjährige Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben, die diesen Weg gehen und wir auch neue motivierte Mitarbeiter haben, die auch immer wieder neue Impulse geben.
???: Neue Impulse - was hat sich in diesem Jahr bei den "Independent Days" verändert?
Langewitz: In diesem Jahr haben wir ein Festivalmaskottchen eingeführt, eine Idee, die ich schon seit längerem mit mir herum trage. Wir wollten auch generell ein wenig an unserer Visualität arbeiten und haben hier seit Sommer zusammen mit einem Grafiker an einem entsprechenden Konzept gefeilt. Hier gab es viele verschiedene Ideen, bis wir irgendwann innerhalb dieses Prozesses darüber nachdachten, ob es nicht ein Tier geben würde, das den unabhängigen Film repräsentieren könnte und da sind wir im wahrsten Sinne des Wortes auf den Mops gekommen. Dieser ist kleiner, manches Mal aber deutlich lauter als seine großen Artgenossen, ist eigenwillig, aber einfach nur charmant und liebenswert. Beim anschließenden Namenswettbewerb kamen wir auf "Karlina", da hier der Bezug zu Karlsruhe deutlich wird, aber auch aufgrund des italienischen Namens für „Mops“, „Carlino“.
Zudem freuen wir uns in diesem Jahr über zwölf Filmpreise im Wert von über 13.000 Euro, hier neben dem höchstdotierten Award, dem "Filmpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe", gleich sechs Awards, die mit der "Preistrophäe Karlina" verliehen werden, einer Skulptur, die von der Künstlerin Hannelore Langhans gestaltet und von der "Majolika Karlsruhe" produziert wurde, eine neue Kooperation, über die ich mich sehr freue, da die Majolika ja auch schon "Bambi" gestaltet hatte. „Vom Bambi zum Mops“ könnte man jetzt augenzwinkernd sagen - und wir hoffen, dass unsere "Karlina" gut von der Öffentlichkeit angenommen wird!
???: Also wir haben uns schon jetzt sehr in "Karlina" verliebt! Ist auch inhaltlich Neues geboten?
Langewitz: In diesem Jahr zeigen wir zwei Kurzfilmprogramme, die sich an verschiedenen Zielen der Stadt Karlsruhe orientieren und die wir Dank der Wirtschaftsförderung Karlsruhe kuratieren konnten. Dies ist zum einen das Kurzfilmprogramm „The Sound of Africa“, das wir zusammen mit dem "Ngalabi Short Film Festival" in Kampala in Uganda organisiert haben, da sich Karlsruhe sowohl kulturell als auch wirtschaftlich künftig verstärkt in diese Richtung orientieren möchte.
Zudem zeigen wir das Kurzfilmprogramm „India Shorts“, da hier in Karlsruhe enge Beziehungen zu Pune bestehen und der dortige Filmmarkt auch für unsere eigenen Projekte sehr interessant ist.
???: Wirft man einen Blick ins Programm, finden sich aber auch viele Formate, welche die Zuschauer bereits aus den vergangenen Jahren kennen...
Langewitz: Das ist natürlich unserer inhaltlichen Ausrichtung geschuldet, da wir den Fokus auf unabhängige Filmproduktionen legen, hinzu kommt, dass wir uns hier insbesondere mit dem europäischen Independent-Kino beschäftigen, ein Bekenntnis zu Europa, aber auch an den vielen Kooperationen und Partnerschaften mit Filminstitutionen in vielen europäischen Ländern liegt, insbesondere zu Frankreich und Osteuropa. Aufgrund dieses Engagements wurden wir gerade zum zweiten Mal mit dem "EFFE-Label" der Europäischen Union, "Europe for Festivals – Festivals for Europe" ausgezeichnet.Aber auch die inhaltliche Verknüpfung mit unseren Filmpreisen, wie den sehr beliebten Publikumswettbewerb, führt zu einer bestimmten Filmauswahl, zum Beispiel beim "Roncalli-Forum Filmpreis", bei welchem es um Filme geht, die sich mit interreligiösem oder interkulturellem Dialog beschäftigen. Oder der "Short Shortfilm-Award", bei dem Kurzfilme gezeigt werden, die eine Laufzeit von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Das ist ein geballtes Kurzfilmprogramm mit insgesamt 26 Kurzfilmen. Oder die "Underground Shorts" mit Filmbeiträgen, die sich klar vom Mainstream absetzen wollen, neue Erzählweisen ausloten oder mit neuen Filmtechniken experimentieren.
???: Wie wählt Ihr hierbei Euer Filmprogramm aus?
Langewitz: Das ist ein schwieriger, sehr langwieriger Prozesse, der mittlerweile sogar schon vor dem aktuellen Festival beginnt, da wir durchweg übers ganze Jahr Anfragen von Filmemachern erhalten, die sich erst nach unserer Deadline melden und die wir aufs nächste Jahr vertrösten müssen. Zudem sind wir auch auf verschiedenen Festivals unterwegs, zum Beispiel der Berlinale, der Filmkunstmesse in Leipzig, Cannes oder dem "Filmfest München". Da entdecken wir auch immer einmal wieder Filmperlen, die wir nach Karlsruhe holen möchten. Das Gros der Filmeinreichungen läuft aber über eine Online-Plattform, über die unser Programmkomitee, das immerhin über Deutschland und sogar darüber hinaus verteilt ist, sich die Filmeinreichungen anschauen und bewerten kann. Neben einem Punktesystem achten wir aber auch darauf, welche Filme inhaltlich zueinander passen, sodass die Besucher unserer einzelnen Programme Filme zu sehen bekommen, die aufgrund ihres Genres oder ihrer Thematik zusammen gebracht wurden. Dann werden noch die besten Beiträge in den unterschiedlichen Filmpreiskategorien nominiert, die sich dann noch dem Urteil der separaten Festival-Jurys stellen müssen, die in insgesamt elf Kategorien dann die Preisträger auswählen. Und beim zwölften Filmpreis entscheidet dann ja bekanntermaßen das Publikum als Jury, sodass wir hier bis zuletzt sehr gespannt sind, wer den Filmpreis der Stadt Karlsruhe nach Hause nehmen wird.
???: Bei Euch laufen alle Filme in Originalsprache mit Untertiteln. Ist das normal für ein Festival?
Langewitz: Das ist der Anspruch eines Filmfestivals, die Filme im Original zu zeigen. Meistens gibt es bei den Produktionen auch noch gar keine Übersetzung, da wir darauf achten, möglichst Filme mit Premierenstatus zu zeigen, also Filme, die noch auf der Suche nach einem Vertrieb ist. Die Zuschauer sehen bei uns also zahlreiche Welt-, Europa- und Deutschlandpremieren und es ist auch etwas ganz Besonderes, gerade auch Filme aus eher unbekannten Nationen wie Iran, China oder zum Beispiel auch Kenia oder Litauen in der Landessprache mit englischen, manches Mal auch deutschen Untertiteln zu sehen. Aber das schult auch die sprachliche Kompetenz, die im deutschen Kino und TV aufgrund der gewohnten Übersetzungen eher das Nachsehen hat.
???: Was durchaus auch im Rahmenprogramm zu erkennen ist.
Langewitz: Genau. Wir haben zum Einen viele Filmemacher, die aus aller Welt nach Karlsruhe angereist kommen, um ihre Filme persönlich dem Publikum zu präsentieren. Zudem gibt es in Karlsruhe und den umliegenden Städten viele Filmemacher, die ebenfalls zu unserem Festival kommen, weil sie sich hier mit den internationalen Gästen austauschen möchten. Hier bieten wir in diesem Jahr zum Beispiel einen "Visual Effects-Workshop" mit Steffen Hacker am Freitag Abend an, zudem wird Filmmusikkomponist Lucio Godoy eine Masterclass halten. Zudem freue ich mich, dass in diesem Jahr Filmkompositions-Professoren und ihre Studierenden aus Valencia, Kopenhagen und Nancy anreisen für einen viertägigen Workshop an der Musikhochschule Karlsruhe. Darüber hinaus wird es eine Nachhaltigkeitsveranstaltung mit dem Titel „Green World“ geben, die sich aus einem Kurzfilmprogramm und einer anschließenden Podiumsdiskussionsrunde zusammen setzt. Und der Karlsruher Künstler Markus Nieden stellt die Ergebnisse eines trinationalen Projekts „Art Out Of Suitcases“ vor.
???: Wer ist Euer Publikum, wer sollte die Independent Days besuchen?
Langewitz: Wir sprechen alle Kinofreunde an, insbesondere auch jene, die sich über aktuelle Positionen und Strömungen des unabhängigen Filmemachens informieren möchten. Hierbei achten wir auf eine sehr breite Ausrichtung in der Programmgestaltung, sodass sich Filmprogramme für Thrillerfreunde ebenso finden wie für Genrefans von Science Fiction, Komödien oder Dokumentarfilmen. Auch ein Jugendprogramm haben wir gestaltet, da es uns wichtig ist, gerade auch junge Menschen ans Kino heran zu führen und zu begeistern. Denn beobachten wir aufgrund der Digitalisierung, dass sich hier Rezeptionsgewohnheiten verändern und hier müssen wir entsprechende Angebote gestalten, um auch der jungen Generation den Zauber des Kinos zu vermitteln.
Autor:Jo Wagner |
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