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ZKM-Chef Alistair Hudson im Gespräch: Zeit für Veränderung

ZKM Karlsruhe: Der neue wissenschaftlich-künstlerische Vorstand des ZKM Alistair Hudson | Foto: Heike Schwitalla
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Karlsruhe. Alistair Hudson ist seit April 2023 wissenschaftlich-künstlerischer Vorstand des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Er ist der Nachfolger des im März verstorbenen Peter Weibel, der das Museum seit 1999 maßgeblich prägte. „Meier“-Redakteurin Heike Schwitalla hat sich mit Alistair Hudson über die großen Fußstapfen, in die der 55-jährige Brite damit tritt, und die Zukunft des ZKM als ein „useful museum“ unterhalten.

???: Alistair, Sie haben ein großes Erbe angetreten, das mit dem plötzlichen Tod von Peter Weibel sicherlich nicht einfacher wurde. Was hat Sie dazu bewogen, wo liegt für Sie die Herausforderung und wie haben Sie die ersten Monate in Karlsruhe empfunden?
Alistair Hudson: Es ist sicherlich ein großes Erbe - und zwar nicht nur das von Peter Weibel, sondern auch das von Heinrich Klotz, dem ersten Direktor des ZKM, und all den Menschen in dieser Stadt, die vor ihnen die Fantasie hatten, einen Ort wie das ZKM zu schaffen. Aber ich sehe dieses Erbe nicht als eine Last auf meinen Schultern, sondern als eine große Chance: Die Chance auf ihrer Arbeit aufzubauen, auf ihren Schultern zu stehen und etwas Neues zu machen, das hat mir Peter Weibel selbst mit auf den Weg gegeben. Das ZKM ist einzigartig, weil es die Freiheit hat, weder ein Museum noch eine Galerie zu sein, sondern einfach nur das ZKM - ein Ort, an dem neue Ideen entstehen. Das ZKM ist eine zukunftsorientierte Einrichtung, und daher ist es eine inhärente Verpflichtung, nach vorne und nicht zurückzuschauen. Alle hier in Karlsruhe haben gesagt, sie erwarten und wünschen sich, dass ich mein eigenes Ding mache, dass ich in meinen eigenen Schuhen gehe. Und das ist eine wunderbare Einladung, keine Entscheidung, die man treffen muss.

???: Immer wieder geistert in letzter Zeit ein Begriff aus den Gründungstagen durch die Medien: Das ZKM als „Elektronisches/Digitales Bauhaus“. Für viele Menschen ist das aber ein sehr abstrakter Begriff. Füllen Sie ihn für uns mit Leben. Was bedeutet dieser Begriff für Sie und wie soll er zukünftig am ZKM gelebt werden?
Hudson: Bei der Idee des Bauhauses ging es ganz einfach gesagt um die Einheit von Kunst und Technik. Immer mit dem Ziel, die Gesellschaft, ja sogar die Welt, zum größtmöglichen Nutzen der Menschen zu gestalten. Und in diesem Sinn gibt es eine direkte Parallele zum ZKM, da wir diese Philosophie im digitalen Zeitalter fortsetzen, in dem man miteinander so hyper-verbunden ist, überall auf dem Planeten. Das Bauhaus förderte eine ganzheitliche Arbeitsweise - in der Welt und über alle Disziplinen hinweg, um jeden Aspekt der Gesellschaft zu gestalten, und genau das ist auch unser Ziel heute. Im Mittelpunkt steht dabei der Glaube an gemeinsames Lernen durch das Machen, durch das Experimentieren - und Spaß haben. Das Bild, das man vom alten Bauhaus hat, ist ein sehr geradliniges, meist schwarz-weißes. Das Bauhaus erscheint aus dieser Perspektive betrachtet oft sehr nüchtern und streng, aber in Wirklichkeit war die ernsthafte soziale Absicht durchdrungen von einer bunten Verrücktheit mit Partys, Musik, Happenings und dem Ausprobieren von Dingen – verbunden mit einer echten Lebensfreude. So etwas wünsche ich mir auch für Karlsruhe. Ich möchte, dass der Ort eine ansteckende, kreative Energie hat, die inspiriert und anregt.

ZKM Karlsruhe: "Play Bauhaus" hieß die Performance beim "SzenenWechsel" im ZKM Karlsruhe | Foto: Heike Schwitalla
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???: Sie sind seit vielen Jahren in der Bewegung ARTE ÚTIL engagiert, wie wird sich das Schlagwort „nützliche Kunst“ in Ihrer Arbeit in Karlsruhe widerspiegeln? Besonders auch im Hinblick auf den sozialen/politischen Aspekt?
Hudson: Nun, ich möchte, dass die Kunst und die Wissenschaft, die wir hier betreiben, für die Gesellschaft nützlich sind, dass sie einen Zweck haben, relevant sind, eine wirkliche Wirkung in der Welt haben. Kunst soll nicht nur Dinge abbilden, über Dinge sprechen, Kritik üben, sondern als Institution in der Welt als Gesamtes aktiv sein. Für mich sollten Kunst und Wissenschaft in der Gesellschaft, in der Politik, in der Wirtschaft, im Gesundheitswesen, in der Robotik, in den Medien, im täglichen Leben der Menschen tätig sein. Wir müssen das Verständnis von Kunst ändern. Weg vom Produkt hin zu einem Prozess, den wir alle in all unseren Lebensprozessen anwenden sollten. Es ist ein Weg, Dinge mit Fürsorge und Rücksicht zu tun.

???: Die „neuen Medien“ sind schon lange nicht mehr neu, sie sind allgegenwärtig. Was bedeutet das für die Zukunft des ZKM?
Hudson: Das heißt, wir müssen uns anpassen und offen für Veränderungen sein. Natürlich wird es in Zukunft auch neue Medien geben, und die einst neuen Medien sind, wie Sie sagen, jetzt alte Medien. Es ist eine unserer Aufgaben, diese Geschichte zu erzählen und die Veränderungen um uns herum zu steuern. Als das ZKM gegründet wurde, war Medienkunst ein Spezialgebiet, und das ZKM war einer der wenigen Orte, die damit arbeiteten. Jetzt macht jeder Medienkunst, Digitales, KI. Die eigentliche Frage ist, was machen wir als Gesellschaft mit all diesen Werkzeugen, die wir geschaffen haben und nutzen - und können wir dabei stets nur das Beste im Sinn haben. Das ZKM hat nun die Aufgabe, uns allen dabei zu helfen, die sich entwickelnden Technologien zu verstehen, so dass wir in der Lage sind, diese selbstbewusst zu nutzen, anstatt Angst vor ihnen zu haben und denjenigen ausgeliefert zu sein, die alle Karten in der Hand halten. Ich bin sehr daran interessiert, dass die technologische Entwicklung in der Basis vorangetrieben wird und dass wir diese Entwicklung gleichzeitig nutzen, um die Big Tech und die Wissenschaft in unserem Sinne zu beeinflussen.

Beim "SzenenWechsel" im ZKM Karlsruhe | Foto: Heike Schwitalla
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???: Sehen Sie das ZKM im Hinblick auf neue Technologien wie die KI und Themen wie Klimakrise, Demokratieverlust auch als moralische/ethische Instanz?
Hudson: Ich denke, es wäre ziemlich arrogant, das ZKM als moralische Instanz vorzuschlagen! Ich würde es lieber als einen Versammlungsraum für Menschen und Ideen sehen, in dem wir Gastgeber sind, testen und experimentieren, uns austauschen und konferieren, uns äußern und Fragen stellen, um die moralischen und ethischen Rahmenbedingungen der Technologie zu kalibrieren. Aber wir können dies nicht allein, wir müssen es mit den Communities und Interessengemeinschaften um uns herum tun, und darin
sehe ich eine wichtige Rolle für eine öffentliche Kultureinrichtung wie das ZKM.

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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