inklusives Capoeira-Fest
Capoeira für alle

Christine Fuchs (Valiosa) bringt ihren Mitspieler mit einer Wurfbewegung zu Boden  | Foto: Franca Speer
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  • Christine Fuchs (Valiosa) bringt ihren Mitspieler mit einer Wurfbewegung zu Boden
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Capoeira für alle – das war das Motto des dritten Internationalen Treffens, das der Verein Capoeira Karlsruhe e. V. gemeinsam mit seinem Schwetzinger Partnerverein vom 12. bis zum 14. Juli 2024 in Karlsruhe veranstaltet hatte. Allen Teilnehmenden wurde eine inklusive, angenehme und sichere Umgebung geboten, sodass Capoeiristas mit unterschiedlichen physischen und kognitiven Fähigkeiten teilnehmen konnten. Gemeinsam wurde trainiert, gesungen und Capoeira gespielt. Die afrobrasilianische Kampfkunst macht keine Unterschiede, grenzt niemanden aus. Alle sind willkommen.

Das Event fand unter der Leitung von Mestrando Pretão (Lucio Queiros de Oliveira) aus München und unter der Schirmherrschaft von Mestre Camisa (José Tadeu Carneiro Cardoso), Capoeira-Meister und Vorsitzender des Weltverbandes Abadá-Capoeira, statt. Rund 150 Capoeiristas reisten aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz und Brasilien an, um ein Wochenende voller Capoeira zu genießen. Die Trainer Instrutor Café (Cristiano Rozendo Dos Santos) und Instrutor Cao (Luiz Carlos dos Santos Gomes) organisierten das Event mit einer bunten Mischung aus Trainings und inklusivem Rahmenprogramm.

Beim inklusiven Training mit Graduada Raposa (Annika Kreikenbohm) aus Würzburg fanden auch Anfänger*innen einen leichten Zugang zu den rhythmischen Bewegungen der Capoeira. Das Training war für alle Interessierten offen – unabhängig davon, wie viel Erfahrung sie bereits mit der Kampfkunst hatten und welche Fähigkeiten sie mitbrachten. Mit aktivierenden Übungen lernten die Schüler*innen zunächst, sich auf den Rhythmus des Capoeira-Spiels einzulassen. Die Teilnehmenden klatschten mit den Händen und stampften mit den Füßen im Takt der Musik. Den Grundschritt, die Ginga, lernten sie in aufeinander aufbauenden Bausteinen kennen. So konnte der Rhythmus der Trommel mit den Bewegungen des Körpers verknüpft werden. Mit einem Tritt, einem Kopfstoß und einer Ausweichbewegung waren die Zutaten für ein gemeinsames Capoeira-Spiel gegeben.

In einem darauffolgenden interaktiven Gespräch erläuterte Raposa, was sie auf die Idee des inklusiven Trainings, welches sie seit Jahren in Würzburg anbietet, kam und warum sich die Sportart Capoeira so besonders dafür eignet. Capoeira zeichnet sich durch akrobatische, kämpferische und tänzerische Bewegungen zu schnellen Trommelrhythmen und südamerikanischen Gesängen aus. Im Unterschied zu anderen Kampfsportarten treten bei der Capoeira die beiden Personen nicht gegeneinander an, sondern spielen miteinander in einem Spiel, welches einem Dialog ähnelt. Diese Eigenschaften macht Capoeira zu einer besonders geeigneten Kampfkunst für die Inklusion – denn das Miteinander steht im Vordergrund. "Capoeira bietet für alle die Möglichkeit in einer Gemeinschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Dafür offen zu sein, ist der erste und wichtigste Schritt hin zu Inklusion", betont Raposa. "Doch oft gibt es strukturelle Barrieren die Menschen den Zugang zum Sport erschweren oder verhindern. Daher ist es auch wichtig, die eigenen Einstellungen und Vorurteile zu reflektieren und mögliche Barrieren abzubauen. Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann, dass Inklusion ein Prozess und eine Haltung ist. Dabei hilft es extrem, sich zu vernetzen und vor allem die Menschen, die man adressieren möchte, miteinzubeziehen."

Den Höhepunkt des inklusiven Fests stellte die große Capoeira-Show dar. Hier spielten Capoeiristas mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Erfahrungen miteinander. Auf diesen Moment hatte sich Christine Fuchs (Valiosa) besonders gefreut. Die Frankfurterin reiste für das Event zu ihrem ehemaligen Capoeira-Verein in Karlsruhe an. Vor 16 Jahren war sie über die Musik auf Capoeira aufmerksam geworden und fragte sich damals, ob die Gruppe in ihrer Heimatstadt offen für eine blinde Person ist. Und das war sie. Valiosa zeigte, wie sehende und nicht sehende Capoeiristas miteinander trainieren können. Beim Capoeira-Spiel kündigt die sehende Person durch eine kurze Berührung der Schulter der blinden Person an, in welche Richtung sie einen Tritt plant, sodass diese rasch in Deckung gehen kann – oder kontern. Dass Valiosa darin überaus geübt ist, zeigte sie prompt in der Show und brachte ihren Mitspieler durch einen gezielten Wurf zu Boden.

Auf die Show folgte die Batizado, bei der neue Capoeristas in die Capoeira-Gemeinschaft aufgenommen werden und ihren brasilianischen Spitznamen, den sogenannten "Apelido", und ihre erste Kordel erhalten, die sie um die weiße Capoeira-Hose tragen. Unter dem Klang brasilianischer Instrumente, Gesang und Klatschen der Capoeiristas erhalten viele, angefangen von den Jüngsten mit vier Jahren, ihre neue Kordel.

Instrutor Cao (Luiz Carlos dos Santos Gomes), Trainer des Karlsruher Vereins, und seiner Frau Professora Lilás (Lila Sax dos Santos Gomes), vielfache Deutsche und amtierende Europameisterin, ist das Thema der Inklusion auch ganz persönlich ein besonders wichtiges Anliegen. Ihr Sohn Alex wurde 2021 mit einem bösartigen und schnellwachsenden Hirntumor diagnostiziert. 351 Tage nach seiner Diagnose ist er im Kinderhospiz Sterntaler gestorben. Die Pflege und die Trauer haben die letzten Jahre alles andere überschattet. In einem berührenden Text teilten die trauernden Eltern ihre Gefühle über die Pflege ihres Sohnes, der nach und nach auf immer mehr Unterstützung angewiesen war. Capoeira war auch für den Achtjährigen eine große Leidenschaft, der er in seiner Freizeit nachgegangen war, solange es ging. "Es ist schwer, über Alex zu reden. Es ist schwer, über Trauer und den Tod zu sprechen. Aber es ist so wichtig", sagt Lilás. "Alex und sein Bruder Leo sind für uns die größte Motivation", ergänzt Cao. "Alex begleitet uns bei jedem Schritt und gibt uns die Kraft, niemals aufzugeben". Gemeinsam haben Cao und Lilás einen Verein gegründet, um Eltern chronisch kranker Kinder zu unterstützen. Er trägt den Namen "Für Alex".

Nach einem ereignisreichen langen Wochenende, voller Eindrücke, mit viel Capoeira und intensivem Austausch freuen sich die Teilnehmenden auf ein Wiedersehen bei einem nächsten Event. Denn Capoeira ist so viel mehr als nur ein Sport.
Weitere Informationen zum Verein unter www.capoeira-karlsruhe.de

Text: Dr. Andrea Nestl und Dana Graulich

Autor:

Dana Graulich aus Karlsruhe

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