Das Aus des zweiten Kernkraftwerks-Meiler im Großraum Karlsruhe
Jetzt ist Schluss mit atomarer Stromproduktion

KKP 2 - Warte, Schaltzentrum.  | Foto: EnBW
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Großraum Karlsruhe. In den vergangenen Monaten hat sich das Areal auf der Philippsburger Rheinschanzinsel schon merklich verändert: Zahlreiche Gebäude an der nordöstlich gelegenen Grundstücksgrenze sind plattgemacht, dort soll Platz geschaffen werden für einen neuen Strom-Konverter. Weiter westlich gingen im Sommer die neuen Hallen des „Reststoff-Bearbeitungszentrums“ in Betrieb, die sind notwendig für den Rückbau. Alles steht auf ein Ende des Atomzeitalters am Rhein, denn zum 31.12.19 ist Schluss mit der Stromproduktion im Kraftwerksblock 2.

Die erzeugte Strommenge ist enorm
Der Block 2, betriebsintern meist nur „KKP 2“ genannt, ist ein so genannter Druckwasserreaktor. Er wurde einst konzipiert mit einer elektrischen Leistung von rund 1.400 Mega-Watt (MW). Zum Vergleich ein paar typische "Verbrauchsdaten": Eine moderne Windkraftanlage erzeugt etwa drei bis maximal neun MW (Nennleistung). Ein "TGV" neuer Bauart, wie der seit 2007 verkehrende Rekordhochgeschwindigkeitszug vom Typ „V 150“ verbraucht etwa 20 MW, ein deutscher "ICE Typ 3" verbraucht mit 16 Antriebs-Maschinen etwa acht MW.

Stecker ziehen reicht nach rund 35 Jahren nicht
In Betrieb ist der Philippsburger Kraftwerks-Block 2 seit 1984, Ende 2019 – nach dann rund 35 Jahren – soll Schluss sein mit der aus Kernspaltung erzeugten Energie. Dann wird der Reaktor vom Generator-Schalter getrennt. Da wird freilich nicht einfach nur ein Schalter umgelegt. Der „Abfahrprozess“, wie ihn die Fachleute von der "EnBW", dem Betreiber der "Energie Baden-Württemberg" nennen, verläuft streng nach den Regeln eines Betriebshandbuchs.

Dennoch ist der Abschaltvorgang so etwas wie ein Routinevorgang für Jörg Michels, den Chef der "EnKK", der Kernkraftwerks-Tochter der "EnBW" - denn er ist zig-fach geprobt von seinen Mitarbeitern. „Das unterscheidet sich rein technisch gesehen nicht von einer Jahresrevision“, sagt der studierte Ingenieur der Elektrotechnik, der das Kraftwerk kennt wie seine Westentasche. Die letzte Revision von Block 2 fand im vergangenen Juli statt. Der einzige Unterschied sei nun, so Michels, dass es im Anschluss kein „erneutes Wiederanfahren“ geben werde. Denn jetzt ist definitiv Schluss mit der Stromproduktion des Druckwasser-Reaktors „KKP 2“. Auch wenn jeder verbleibende Betrieb bares Geld wert ist - spätestens um Mitternacht ist die Anlage abgeschaltet.

Der Vorgang startet aber schon Stunden zuvor. Beim „Abfahrprozess“ wird die Leistung des Reaktors kontinuierlich gesenkt. Zuerst werden so genannte Steuerstäbe in den Reaktorkern eingeführt. In der Folge entsteht weniger Wärme, weniger Dampf. Mit dem Öffnen des Generator-Schalters wird dann der Kontakt zum Stromnetz gekappt, und dies dann das Ende des „Einspeisevorgangs“ von Strom sein. Erst wenn die Anlage im „kalten und drucklosen Zustand“ ist, geht sie in die Phase des „Nachbetriebs“, der einige Wochen andauere. Die bis dahin noch im Reaktorkern befindlichen Brennelemente – mit dem zur Kernspaltung dort eingestellten Uran-Stäben – werden später, wohl im Verlauf des kommenden Frühjahrs, aus dem geöffneten Reaktordruckbehälter entfernt. Sie kommen in ein benachbartes Lagerbecken, auch genannt „Abklingbecken“. Erst nach weiteren etwa drei bis vier Jahren, sagt Michels, können diese dort entnommen und in Castor-Behältern verglast und für die spätere Endlagerung vorbereitet werden. Soweit der technische Vorgang.

Abschalten anders als beim Block 1
In der „Warte“, dem zentralen Schaltraum des Kraftwerks, ist dabei das verantwortliche Personal zugegen; Schichtleiter, Reaktorfahrer – als der Verantwortliche für den Tagesbetrieb, der Leitstandsleiter, und dazu noch mehrere Techniker und Physiker aus dem "EnBW"-Team, sagt Michels, der als Chef der "EnKK" derzeit der gesamt-verantwortliche "EnBW"-Manager ist für den Rückbau der Anlagen in Obrigheim, Neckarwestheim und Philippsburg. Er sehe einen gravierenden Unterschied zu dem abrupt – auf Anweisung des Kanzleramts – im März 2011 erfolgten Abschaltvorgang des Blocks 1 auf der Rheinschanzinsel. Damals, 2011 war Michels selbst verantwortlicher Kraftwerksleiter der beiden Blöcke in Neckarwestheim.

„Damals war das eine Veränderung von einem Tag auf dem anderen, niemand war darauf vorbereitet“, sagt er. Heute sei das anders: Man habe in den acht Jahren nach Fukushima mehr als genug Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Deshalb lässt er auch keine Emotionen zu, und Wehmut erkennen schon gar nicht. „Bei jeder Industrieanlage gehört neben der Planung, dem Bau und Betrieb auch der spätere Rückbau zum Gesamtkonzept“, meint Michels zur "hochinteressanten Aufgabe“. Dann folgt die „Stilllegungs- und Abbaugenehmigung“, diese wurde für Block 1 zum Beispiel bereits im April 2017 erteilt. (Stefan Jehle)

Atomkraftwerke
Philippsburg, Block 1 / KKP 1 – in Betrieb seit 1980 – außer Betrieb ab 6. Aug. 2011
Philippsburg, Block 2 / KKP 2 – in Betrieb seit 1985 – außer Betrieb ab 31. Dez. 2019
Neckarwestheim, Block 1 / GKN 1 – Betrieb seit 1976 – außer Betrieb ab 6. Aug. 2011
Neckarwestheim, Block 2 / GKN 2 – Betrieb seit 1989 – außer Betrieb 31. Dez. 2022
Fessenheim / Elsass, vis à vis Bad Krozingen/Hartheim,
Block 1 – in Betrieb seit 1976 – geplante Abschaltung 1.Februar 2020
Block 2 – in Betrieb seit 1976 – geplante Abschaltung 30.Juni 2020
desweiteren: Leibstadt / Aargau, Schweiz, bei Waldshut-Tiengen/Hochrhein

Infos: In der Folge der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Februar 2011 beschloss die Bundesregierung den Atomausstieg. Nach einem dreimonatigen Atom-Moratorium vom März 2011 billigte der Bundestag mit großer Mehrheit den Wechsel in der Atompolitik. Die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke wurden sofort abgeschaltet, darunter – neben Krümmel und Neckarwestheim 1 – auch der Block 1 in Philippsburg. Block 1 (KKP 1) war damit 32 Jahre in Betrieb. Am 6.August 2011 endete formell die Laufzeit von KKP 1. Ab 2014 begannen die Anhörungen und die Verfahren für die Genehmigung des Rückbaus. Seit 2016 laufen Bauarbeiten auf dem Areal – seit 2015/16 auch Planungen zur Errichtung eines Umspann-Verteil-Werks der Gesellschaft "TransnetBW". Die "EnBW" rechnet für Block 1 (KKP 1) mit Rückbauzeit von 10-15 Jahren, in drei bis vier Jahren startet auch der Rückbau von Block 2.

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Jo Wagner

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