Nancy Klimatagung EFAN 2021
Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup bei deutsch-französischer Klimatagung EFAN in Partnerstadt Nancy
Die 4. Ausgabe der deutsch-französischen Gespräche (EFAN) von Nancy 2021 fand am Freitag, den 26. November im beeindruckenden Grand Salon des Nancyer Rathauses ihren Abschluss. Davor fanden zwei Tage intensiven Austauschs zur Klima- und Energiewende zwischen deutschen und französischen Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft statt. DIE EFAN zeigten den Bedarf an einer engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit innerhalb des europäischen Rahmens. Die Grenzregionen sind der ideale Raum für den Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, Forschung und Politik, um Innovationspartnerschaften zu initiieren für ein grüneres, resilienteres und wettbewerbsfähigeres Europa.
Im Rahmen der Konferenz am Donnerstagabend mit Bürgermeistern aus Nancy, Karlsruhe und Köln unterstrich die führende französische Klimatologin Dr. Valérie Masson-Delmotte, Forschungsleiterin am Forschungszentrum für Kernenergie und alternative Energien CEA in Paris und Co-Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, gerade zurückgekehrt aus Glasgow, die Dringlichkeit der Maßnahmen zur Klimawende: „Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, das sich die Staaten bis 2050 gesetzt haben, müssen wir mit absoluter Dringlichkeit so schnell wie möglich den CO2-Ausstoß reduzieren. Das bedeutet die Entkarbonisierung des Transportbereichs, der Industrie, des Bausektors und des Bereichs Wohnen und Heizen.“ Die Forscherin betonte, dass die Ursache der Erderwärmung zu 100% der menschliche Einfluss auf das Klima ist und stellte fest, dass dieser Einfluss die Häufigkeit extremer Wetterereignisse eindeutig gesteigert hat.
Zu diesem Punkt trug Andreas Wolter, Bürgermeister von Köln, Vorsitzender des Deutsch-Französischen Ausschusses im Rat der Gemeinden und Regionen Europas, ein konkretes Beispiel vor. Wolter zeigte Bilder der Flutkatastrophe, die am 14. Juli 2021 in der Eifel unweit von Köln unglaubliche Verwüstungen und menschliches Leid verursacht hatte. Die Überschwemmungen, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben gekommen sind, zeigten eindrücklich, welche Auswirkungen der Klimawandel bereits jetzt haben kann. „In weniger als 24 Stunden“, so Wolter, „sind Schäden in Höhe von 30 Milliarden Euro entstanden. Viele Privathäuser, Schulen und Kindergärten sind bis heute unbenutzbar, Straßen und Brücken wurden zerstört, die Natur im nahegelegnen Naturpark wurde verwüstet und es sind riesige Müllberge entstanden.“
Mathieu Klein, Präsident der Metropolregion Grand Nancy und Bürgermeister von Nancy, kam gerade von einer Ratssitzung der Métropolregion zum „Plan de Mobilité“ und erläuterte: „Der Autoverkehr stellt aktuell 50% des städtischen Verkehrs dar, bis 2035 wollen wir den Anteil auf 30% reduzieren.“ Die Abgeordneten von Grand Nancy hatten an diesem 25. November mehrheitlich für den neuen Mobilitätsplan gestimmt, dessen Ziel die Einrichtung eines leistungsfähigeren öffentlichen Nahverkehrssystems ist, u.a. mit einer Linie 1 mit einem zu 100% elektrischen Trolleybus.
Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe, seit 66 Jahren Partnerstadt von Nancy: „Wir wollen in Karlsruhe bis 2035 klimaneutral sein. Um das zu schaffen, haben wir 100 Maßnahmen in 5 Bereichen beschlossen, die wir jetzt sukzessive umsetzen. Das Thema ÖPNV ist sehr komplex und erfordert hohe Investitionen. Neben dem Verkehr ist auch der Bereich Bauen und Sanieren sehr wichtig.“ Zum Thema Governance unterstrich Mentrup: „Wir brauchen unbedingt den notwendigen übergeordneten staatlichen und gesetzlichen Rahmen. Auf EU-Ebene hat man es geschafft, in einigen Bereichen wie z.B. beim Feinstaub Grenzwerte durchzusetzen. Die beste Antwort auf Lobbyismus sind aus meiner Sicht internationale Koalitionen und die Zusammenarbeit in der EU.“
Die abschließende politische Sequenz am Freitagvormittag versammelte hochrangige politische Vertreter*innen der deutsch-französischen Grenzregionen. Der Ministerpräsident des Saarlandes Tobias Hans richtete sich in einer Videobotschaft an die Versammlung: „Ich grüße die Teilnehmer*innen der EFAN ganz herzlich. Die Gespräche von Nancy sind ein wichtiger Bestandteil des Austauschs zwischen unseren beiden Ländern geworden. Das Saarland arbeitet eng mit der Region Grand Est zusammen, auch bei der Bewältigung der Klimakrise.“
Jeanne Barseghian, Bürgermeisterin von Straßburg, betonte: „Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist für uns an der Grenze selbstverständlich, es gibt eine ganze Reihe grenzüberschreitender Projekte. Wir bewohnen einen gemeinsamen Lebensraum, ein Teil der Bevölkerung überquert jeden Tag den Rhein. “
Stefan Dallinger, Verbandsvorsitzender der Region Rhein-Neckar, stellte die Situation vor Ort dar: „Für uns sind Mobilitätsprojekte von besonderer Bedeutung, zum Beispiel der Schienenausbau zwischen Karlsruhe und Frankfurt oder die Einrichtung von Radschnellwegen. Im Bereich Energie investieren wir in wasserstoffbetriebene Busse und das dazugehörende Netz an Tankstellen. Außerdem brauchen wir für unsere Industrie sehr große Energiemengen, wir sind eines der größten Industriecluster weltweit. Wir haben BASF, die allein einen Energiebedarf wie die komplette Schweiz haben, und auf der anderen Seite SAP mit seinen 15.000 Mitarbeiter*innen, die bereits beschlossen haben, klimaneutral zu werden. Wir müssen also überlegen, wo wir den grünen Wasserstoff, den wir produzieren, am sinnvollsten einsetzen.“
André Baumann, Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium: „Wir haben uns in Baden-Württemberg ehrgeizige Ziele gesetzt und müssen es gemeinsam mit den Unternehmen schaffen, den Umbau unserer Wirtschaft voranzutreiben, um nachhaltige Entwicklung und Arbeitsplätze zu schaffen und so soziale Probleme zu vermeiden und unseren Wohlstand zu erhalten. Hierfür müssen wir, z.B. im Bereich der Antragsabwicklung, noch effizienter und schneller werden.“
Die deutsch-französischen Studierenden hatten ebenfalls Gelegenheit, sich in die Abschlussdiskussion miteinzubringen. Die Studentin Juliette Schlegel erklärte den anwesenden Politiker*innen und Zuhörer*innen im Saal ihre Bedenken: „Mich beschäftigt die Rolle der Verbände und Unternehmen, von der wir noch wenig gesprochen haben. Ich glaube, die jungen Menschen haben Angst vor Lobbyismus und Green washing. Können wir da wirklich auf den guten Willen bauen oder braucht es da nicht stärkere Gesetze?“ Der Student Antoine Fuchs ergänzte: „Ich habe hier viel vom ‚grünen Wachstum‘ gehört. Ich denke, es ist eine Illusion, nur darauf zu setzen. Wir haben eine Klimakatastrophe und wir haben keine Zeit mehr, auf zukünftige Innovationen zu warten, auf neue Technologie. Wir müssen handeln und Emissionen vermeiden - jetzt!“
Mathieu Klein griff die Einwände der Jugendlichen in seinen Schlussworten auf, indem er erklärte: „Die Politiker*innen können diese Ziele nicht alleine erreichen. Es braucht die Bürger*innen, die Unternehmen, die Universitäten, um die Klimawende zu schaffen, um eine große Veränderung, eine echte Transformation der Gesellschaft zu erreichen.“
Copyright Fotos: © Khaled Frikha
Autor:Andrea Brück - abc context aus Karlsruhe |
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