Kliniken vor dem Kollaps
Kommunen und Krankenhäuser fordern schnelle Hilfen

Foto: Stadt Karlsruhe/Monika Müller-Gmelin
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Karlsruhe/Region. Die finanzielle Situation der deutschen Krankenhäuser wird immer bedrohlicher. Auch die Kliniken in der Region leiden unter massiven Kostensteigerungen, die weder vom Bund noch von den Ländern ausreichend gegenfinanziert werden. In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die Stadt Karlsruhe, der Landkreis Karlsruhe sowie die ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, das Städtische Klinikum Karlsruhe und das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach noch einmal eindringlich auf die prekäre Lage und die möglichen Folgen hingewiesen.

Weil die Ausgaben für die Versorgung der Patientinnen und Patienten Monat für Monat über den festgelegten Einnahmen liegen, sind die Kliniken bzw. ihre Träger dazu gezwungen, immer mehr finanzielle Mittel bereitzustellen, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung weiter auf dem gewohnten Niveau gewährleisten zu können. Dies führt zu erheblichen Belastungen der kommunalen Haushalte und der Kliniken selbst. „Das Städtische Klinikum Karlsruhe erbringt ebenso wie die anderen vertretenen Kliniken eine leistungsstarke medizinische Versorgung und sichert als Maximalversorger wohnortnahe Spitzenmedizin für die Patientinnen und Patienten in der Stadt Karlsruhe und dem Umland“, betont Bettina Lisbach, Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikums Karlsruhe. „Noch kann die Stadt als Trägerin mit großen finanziellen Anstrengungen das Defizit des Klinikums ausgleichen. Mittel- bis langfristig wird die Stadt diese zusätzlichen Ausgaben aber nicht stemmen können, ohne dabei an anderer Stelle schmerzhafte Kürzungen im Haushalt vorzunehmen.“ Für das Klinikum Karlsruhe sind in den Jahren 2024 und 2025 zum Beispiel erstmals jeweils 25 Millionen Euro an Verlustabdeckung im städtischen Haushalt eingeplant.

Auch der Klinikverbund der RKH Gesundheit – der größte Krankenhausverbund in Baden-Württemberg – blickt einer finanziellen Schieflage entgegen. Der Landkreis Karlsruhe ist Ge-sellschafter der RKH-Krankenhäuser Rechbergklinik in Bretten und Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal, die Teil der Regionalen Klinik Holding sind. Beide Kliniken schreiben zwar bislang unter dem Strich noch keine Defizite, der Landkreis Karlsruhe blickt aber ebenso wie alle an-deren Klinikträger mit großer Sorge in die Zukunft. Der Jahresabschluss 2023 hat sich im laufenden Betrieb um rund 6 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Das insgesamt noch gute Ergebnis ist aber ausschließlich auf Einmaleffekte wie einmalige Verkaufserlöse zurückzuführen. „Auch bei den Kliniken in Bretten und Bruchsal sind negative Ergebnisse zu erwarten, ohne auskömmliche Finanzierung ist mittelfristig auch im nördlichen Landkreis die Gesundheitsversorgung gefährdet“, betont Landrat Dr. Christoph Schnaudigel, der bei der Pressekonferenz von seinem Finanzdezernenten Ragnar Watteroth vertreten wurde. Schnaudigel gibt zu bedenken, dass eine solche Entwicklung gerade in ländlichen Gebieten mit meist weiteren Wegstrecken zu Kliniken voller Sorge betrachtet wird. Hinzu komme, dass durch Entscheidungen wie die Schließung der ärztlichen Bereitschaftspraxis in Waghäusel-Kirrlach der Druck auf die Kliniken weiter steige. „Wenn sich von der kassenärztlichen Verei-nigung bis hin zu Bund und Land alle aus der Verantwortung für die Gesundheitsversorgung zurückziehen, kann nicht erwartet werden, dass der Landkreis dies alles auffangen kann,“ so Schnaudigel, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken des Landkreises Karlsruhe ist.

Die angespannte Situation bestätigt auch Finanzdezernent Watteroth: „Zu den anwachsenden Defiziten im operativen Geschäft kommen die notwendigen Finanzierungen der Sanierungen und Erneuerungen an den Landkreis.“ Er verdeutlicht: „Hier muss ebenfalls die kommunale Seite zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Ohne moderne Krankenhäuser kann der medizinische Versorgungsanspruch in der Fläche nicht aufrechterhalten werden.“
„Wenn sich die Krankenhausfinanzierung im Zuge der geplanten Krankenhausreform – die wir grundsätzlich begrüßen – nicht deutlich verändert, werden die Kliniken dauerhaft ‚am Tropf der Träger‘ hängen. Das bedeutet für die Stadt Karlsruhe eine immer schwerwiegendere fi-nanzielle Belastung“, fasst Bürgermeisterin Bettina Lisbach zusammen. „So lange Bund und Länder keine zufriedenstellende Lösung für die Kompensation der massiv gestiegenen Kosten vorlegen, müssen Kommunen wie die Stadt Karlsruhe in die Bresche springen und die Defizite der Kliniken über schmerzliche Einschnitte an anderer Stelle kompensieren.“

Woher kommen die finanziellen Probleme der Kliniken?
Die finanzielle Situation der Kliniken hat sich über die vergangenen Jahre extrem zugespitzt. „Wir sind in einer bedrohlichen wirtschaftlichen Notlage“, betont Markus Heming, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Karlsruhe. Die Probleme führt er vor allem auf vier Punkte zurück:
- Inflation: Die gestiegene Inflationsrate in den vergangenen Jahren (2022: 6,9 Pro-zent, 2023: 5,9 Prozent) hat in vielen Bereichen zu massiven Preiserhöhungen ge-führt. Diese Kostensteigerungen müssen die Kliniken in großen Teilen selbst stem-men, da sie nicht einfach die Preise erhöhen können. Die Einmalzahlungen, die durch die Bundespolitik geleistet wurden, gleichen die Lücke nicht aus.
- Gestiegene Personalkosten: Bislang werden aus Tariferhöhungen resultierende Personalkostensteigerungen nicht ausreichend refinanziert. Dazu kommt, dass die Löhne in Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt liegen, die Vergütung der Kliniken (Landesbasisfallwerte) bundesweit aber praktisch einheitlich ist. Das führt zu einer Diskrepanz, die die Kliniken ausgleichen müssen.
- Fallzahlen: Aktuell sinken die Fallzahlen und damit die Erlöse der Klinken, während die Fixkosten fallunabhängig gleichbleiben. Dieser Umstand wird von der Politik in sei-ner Finanzierung nicht angemessen berücksichtigt.
- Defizit: Das größte Problem ist, dass die Defizite aus den Vorjahren nicht frühzeitig ausgeglichen wurden und diese nun nicht nur weitergetragen werden, sondern auch anwachsen. „Damit die Kliniken weiterhin zuverlässig Patientinnen und Patienten ver-sorgen können, ist ein sofortiger Ausgleich dieser Finanzierungslücke notwendig“, unterstreicht Heming. „Um die Inflationslücke aus den vergangenen Jahren zu kompensieren, benötigen wir eine außerplanmäßige, aber dauerhafte Erhöhung der Lan-desbasisfallwerte um circa 4 Prozent.“

Diese Unterfinanzierung der Kliniken könne letztendlich zu Einschnitten in der gesamten regi-onalen Gesundheitsversorgung führen. „Wir wollen weiter moderne, zukunftsfähige Versor-gungsstrukturen für unsere Patientinnen und Patienten bieten. Dass wir Reformen in der Klini-klandschaft brauchen und zum Beispiel Doppelstrukturen effizienter gestalten, ist notwendig und sinnvoll. Ein solcher Wandel muss aber durchdacht und geplant werden“, so Heming. Die aktuelle finanzielle Misere begünstige dagegen einen „kalten Strukturwandel“.

Was fordern die Kliniken?
Die Karlsruher Kliniken fordern den Kampf der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Län-dern endlich zu beenden. „Ein Gegeneinander der Politik kann für unsere Gesundheitsver-sorgung nicht förderlich sein und ist unverantwortliches Handeln. Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern muss aufhören“, sagt Jörg Schwarzer, Geschäftsführer des SRH Klinikums Karlsbad-Langensteinbach. Mitarbeitende in Krankenhäusern, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige tragen seit Jahren ihren Teil dazu bei, das System zu stützen – nun sei auch die Politik gefordert, so Schwarzer weiter. Bereits jetzt bestünde eine enge Zusammenarbeit der Karlsruher Kliniken im Sinne einer durchdachten Neugestaltung der Gesundheitsversorgung für die Region.
Bund und Länder müssen ihrer Verantwortung nachkommen und gemeinsam eine sinnvolle Krankenhausreform umsetzen, fordern die Karlsruher Kliniken. Der Bund trägt die Verantwortung für die Betriebskostenfinanzierung und die Länder für die vollständige Investiti-onskostenfinanzierung sowie die Krankenhausplanung. Diese drei tragenden Säulen sind notwendig für einen patientenorientierten und ressourcenoptimierten Krankenhausbetrieb.
„Wir brauchen dringend Klarheit, wie die Reform konkret aussehen wird und was das konkret für die jeweilige Klinik bedeutet. Ohne Klarheit können wir derzeit keine längerfristigen Ent-scheidungen, beispielsweise Investitionsentscheidungen, treffen,“ erklärt Schwarzer die aktu-elle Situation. Die Karlsruher Kliniken bemängeln, dass jegliche seriösen Grundlagen für Wirt-schaftlichkeitsberechnungen fehlten. Diese unklaren Verhältnisse verunsicherten insbeson-dere Mitarbeitende aber auch Patientinnen und Patienten.
Bis zu 30 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aktuell für die Dokumentation. „Trotz steigendem Fachkräftemangel werden tausende von Stunden jährlich für Dokumentation aufgebracht. Zeit, die Patientinnen und Patienten keinerlei Nutzen bringen“, kritisiert Schwarzer.
Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach und viele Politikerinnen und Politiker formulie-ren seit Jahren, dass die Bürokratie im deutschen Gesundheitswesen reduziert werden soll. „Nichts ist passiert! Im Gegenteil. Das Kernelement der Lauterbach-Reform, die sogenannten Leistungsgruppen, sind an sehr komplexe Strukturmerkmale geknüpft, die eine Klinik vorhalten muss. Diese Anforderungen müssen erfasst und dokumentiert werden, sodass eher mehr als weniger Bürokratie droht,“ so Schwarzer.
Die Kliniken interpretieren die zusätzlichen Dokumentationsforderungen als Misstrauen. „Lei-der wäre das der falsche Rahmen. Nur mit gegenseitigem Vertrauen werden wir die komplexen Herausforderungen im Sinne der Patientenversorgung lösen können.“

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Jo Wagner

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