Sozial-und Lebensberatung
„Erzähl doch mal was Du da so machst…“

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Kirchheimbolanden.

Leben und Wohnen 2.0

„Erzähl doch mal was Du da so machst…“ fragte kürzlich ein Bekannter, den ich unterwegs beim Spazierengehen getroffen habe. Er könne sich als „Laie“ eher wenig unter dem Begriff der Sozial-und Lebensberatung vorstellen und wollte Beispiele genannt bekommen mit welchen Problemen ich da so täglich konfrontiert sei.

„Welche Menschen rufen denn da bei Dir an? Kannst Du denn immer helfen? Und musst Du überhaupt immer helfen?“
Gute Fragen, antwortete ich. Wir gingen ein Stück zusammen.

So genau konnte ich ihm auf Anhieb keine Antwort geben, denn das oberste Gebot in der Beratung ist die Schweigepflicht. Es gibt nicht den typischen Hartz-IV-Empfänger der immer nur mit Anträgen kommt oder diese Flüchtlinge, die die deutsche Bürokratie nicht verstehen und nur Unfrieden stiften. Die Menschen, die sich mit ihren Lebensgeschichten an unsere Beratungsstelle wenden sind so vielfältig und einzigartig wie das Leben selbst. Aus allen Gesellschaftsschichten begegne ich interessanten Menschen, die durch ihre Lebensgeschichte ihr Leben schreiben.

Im Gespräch berichtete mir mein Bekannter dann von seiner Arbeit, die ihm immer noch Spaß mache aber seit Corona nicht mehr dieselbe sei wie vorher. Er spüre Druck von allen Seiten. Die Auftraggeber zögen Aufträge zurück, die Firma hat dadurch nicht genug Arbeit, der Chef wird nervös, denn die Einkäufer fehlen. Schließlich leiden auch die Angestellten unter Kurzarbeit oder gar Kündigung. Ihn habe es auch erwischt. Die ständigen Geldsorgen bringen ihn um den Verstand. Die Kinder müssen ja versorgt werden und der Vermieter soll auch sein Geld bekommen. Von den Energiekosten ganz zu schweigen. Alles wird teurer.

Er wirkt nachdenklich und schließlich berichtet er mir von seiner Erkrankung, die ihn vor ein paar Wochen völlig aus der Bahn geworfen hat. Er konnte zeitweise weder essen noch schlafen. Seine Gedanken kreisten immer um die finanzielle Not der Familie. Seine Frau sei mit dem dritten Kind (ein Nachzügler, total ungeplant und das ausgerechnet bei Corona!) noch in Elternzeit, daher könne sie nicht wieder arbeiten gehen. Auch die mittlere Tochter, gerade in der Pubertät fordere ihr Recht und die Große hat Frust, weil die Schule nur online stattfindet. Sie hatte sich doch so auf die Abschlussfahrt gefreut. Erleichtert ist er ein bisschen, denn die hätte er sowieso nicht bezahlen können. Ihr Vermieter droht mit Kündigung. Ein paar Mal konnten sie die Miete nicht zahlen. Das Auto war ja auch noch kaputt. Nun haben sie plötzlich noch Mietschulden. Sein Arzt sage, er habe eine Depression und solle zur Reha, bevor es immer schlimmer wird!? Das könne er sich nun wirklich nicht vorstellen, in der aktuellen Situation. Wie es seiner Frau geht, wollte ich gerne wissen. Sie streiten viel, erzählte er mir und jeder gehe so seinen Weg. Er vermisse sie - sie funktionieren nur noch… Gemeinsamkeit? Der Hund muss raus… aber den Spaziergang macht er meistens alleine, mit Sorgenfalten, einer Zigarette und einer Prise Hoffnungslosigkeit. Am Ende sagte er mir, das hätte ihm nun gut getan mit jemandem zu reden. Es wäre schön gewesen, dass ich Zeit für ihn hatte - sagte er ein bisschen erleichtert, dann trennten sich unsere Wege.

Jetzt werden Sie denken, das gibt es doch gar nicht! Die übertreibt doch! Niemals passiert das einer einzigen Familie so!

Doch ganz das Gegenteil ist der Fall:
Genauso und noch schlimmer ergeht es Familien, Alleinerziehenden, Schwangeren, Müttern, Vätern, Großeltern, Arbeitnehmer*innen, Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen u.v.a.
Mit dem einzigen Unterschied, dass jeder Mensch ganz individuell mit den positiven und negativen Herausforderungen seines Lebens umgeht. Der eine so, der andere so.

Stellvertretend für viele Ratsuchende möchte ich an dieser Stelle ganz gezielt auf eine große Problematik hinweisen. Jede zweite Anfrage an die Beratungsstelle beinhaltet seit Monaten die schlechte Wohnsituation im Donnersbergkreis. Zwar kennt man die Situation so aus dem Fernsehen von Großstädten wie Köln, München oder Berlin. Niemand stellt sich aber so recht vor, dass es hier auf dem Land genauso prekär ist. Mieter können nicht mehr zahlen, müssen ihre Wohnung verkleinern oder werden gar obdachlos. Die Behörden bewilligen eine „angemessene“ Miete und genehmigen gar nicht mehr anzumieten, wenn schon im Voraus klar ist, dass der Mieter aus eigener Tasche noch dazuzahlen muss. Denn von einem Regelsatz, der aktuell 446 Euro beträgt, kann ein Mensch nicht noch 100 Euro auf die Miete zahlen, zumal davon auch Strom, Internet, Telefon, Bekleidung und Lebensmittel u.v.m. gekauft werden müssen. Es wundert also nicht, dass sich die Bedürftigkeit vieler Menschen im Kreis in den letzten Wochen/Monate eher verschlechtert. Kleiner angemessener und bezahlbarer Wohnraum zwischen 50-60 qm Größe fehlt fast in jeder Ortschaft jeder Verbandsgemeinde im Kreis. Die Beratungsstellen der Diakonie sind Anlaufstelle für alle Menschen bei Ratlosigkeit und existentieller Not. In Zusammenarbeit mit den Verbandsgemeinden fällt das „Wohnungsproblem“ seit Monaten auf. Leider gibt es kaum Lösungsansätze. Wenn Sie verfügbaren Wohnraum haben und sich mit den Behörden über die Möglichkeiten der Nutzung austauschen möchten, wenden Sie sich gerne an die Sozialämter und/oder die Beratungsstellen vor Ort. Für weitere Informationen stehen Ihnen die Verbandsgemeinden gerne zur Verfügung.

Carmen Müller, Diplom-Sozialpädagogin (BA)
Haus der Diakonie Donnersbergkreis | Sozial- und Lebensberatung |
Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung
Mozartstr. 11
67292 Kirchheimbolanden
T +49 6352 75 32 57-2 | F +49 6352 75 32 57- 9
carmen.mueller@diakonie-pfalz.de

Diakonie Pfalz
Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)
Karmeliterstraße 20 | 67346 Speyer | T +49 6232 664-0
www.diakonie-pfalz.de

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Autor:

Gerhard Jung aus Kirchheimbolanden

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