Mehr als staubige Akten: Die Leiterin des Stadtarchivs Christine Kohl-Langer im Interview

Archivleiterin Christine Kohl-Langer (Mitte) mit ihrem Team | Foto: Katharina Schmitt
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von Katharina Schmitt

Landau.  „Staubige Akten am Schreibtisch“ oder die Arbeit in kalten, grauen Kellern sind Vorurteile mit denen Archivleiterin Christine Kohl-Langer häufig konfrontiert wird. So stellen sich viele den Archivarsberuf vor. Christine Kohl-Langer räumt im Gespräch mit solchen Klischees auf und erzählt, wie vielseitig der Beruf ist.

Das Stadtarchiv Landau, seit 2009 im alten Postgebäude neben dem Busbahnhof, ist ein Kommunalarchiv. Die reichlichen Quellen wie Akten, Zeitungen und Fotos, die hier aufbewahrt werden, beantworten Fragen an die Landauer Stadtgeschichte. Über 500 laufende Meter Schriftgut sind in den Magazinen zu finden.

In Kisten mit "Etiketten" im dunklen und trockenen Keller werden die Archivalien aufbewahrt. Die Temperatur in den Magazinen muss mit einem Thermostat genau geregelt werden. | Foto: Christine Kohl-Langer
  • In Kisten mit "Etiketten" im dunklen und trockenen Keller werden die Archivalien aufbewahrt. Die Temperatur in den Magazinen muss mit einem Thermostat genau geregelt werden.
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Französische Nähe und jüdische Geschichte

Zwei Schwerpunkte machen das Archiv und gleichzeitig auch die Stadtgeschichte aus. Landau war eine Festungs- und Garnisonsstadt. Bis zum Wiener Kongress 1814/15 war man unter französischer Verwaltung, das ist heute noch in der Stadt sichtbar. „Es ist nicht nur ein Schwerpunkt der Stadt, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal“, rekapituliert die Archivarin die Geschichte.

Der zweite Schwerpunkt ist die jüdische Geschichte der Stadt, die durch die jüdische Gemeinde in der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, aber auch der Gedenkarbeit heute, geprägt ist.

Seit dem Mittelalter

Arbeit für Benutzer

Das Archiv muss dabei für Benutzer zugänglich sein. Benutzer sind hier Wissenschaftler, Schüler und Studenten und häufig auch Menschen, die beispielsweise die Kirchenbücher zur Familienforschung nutzen. Bis zu 1.500 Benutzer im Jahr und 2.500 Anfragen per Mail oder Telefon gehen beim Archiv und damit Frau Kohl-Langer und ihrem Team ein. Die Archivleiterin freut sich über ihr junges Team und deren neue Ideen. Sie möchte im Gegenzug Erfahrung weitergeben.

Archivleiterin Christine Kohl-Langer (Mitte) mit ihrem Team | Foto: Katharina Schmitt
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Diese hat Frau Kohl-Langer gewiss: Seit 2015 ist sie Leiterin des Stadtarchivs, davor war sie Stellvertreterin. Seit Ende der 1990er ist sie zurück in Landau. Die 62-Jährige machte in Landau ihr Abitur und studierte im Anschluss in Freiburg Geschichte und Politikwissenschaften, machte dort ihren Master. Danach hatte sie Werkverträge im Militär- und Uniarchiv in Freiburg. Die Mutter zweier Kinder lächelnd: „Ich weiß, dass das etwas idealistisch klingt, aber ich habe meinen ,Traumjob’ gefunden.“

Zwischen Sammeln und Wegwerfen

Doch was macht diesen Traumjob aus? Die Archivarin fasst ihren Job zusammen: „Man ist stets gefordert zwischen den beiden Extremen Sammeln und Wegwerfen Entscheidungen zu treffen.“ Sie sitze eben nicht jeden Tag am Schreibtisch mit staubigen Akten. Jeder Tag seit etwas anders und mache den Job daher besonders vielfältig.

Auch Fotos und Kunst werden im Archiv aufbewahrt. Hier ist ein Scan einer Foto-Glasplatte des Landauer Künstlers Heinrich Strieffler zu sehen. Die Glasplatten werden als Teil der Landauer Geschichte aufbewahrt. Alleine Fotos hat das Archiv über 600.000 Stück.
 | Foto: Christine Kohl-Langer
  • Auch Fotos und Kunst werden im Archiv aufbewahrt. Hier ist ein Scan einer Foto-Glasplatte des Landauer Künstlers Heinrich Strieffler zu sehen. Die Glasplatten werden als Teil der Landauer Geschichte aufbewahrt. Alleine Fotos hat das Archiv über 600.000 Stück.
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Die Nähe zu Menschen hat sie beispielsweise durch den Kontakt mit den Benutzern, nicht selten lernt sie deren Familiengeschichte kennen. Zusätzlich mache das Stadtarchiv viel mit Schulklassen. „Zu sehen, wie ihr Interesse geweckt werden kann, ist spannend und macht Spaß“, weiß Kohl-Langer zu schätzen. Aber selbst in Landau aufgewachsen interessiert sie sich natürlich auch für alle Facetten der Landauer Stadtgeschichte, mit denen sie durch ihren Beruf in Kontakt kommt.

„Selbstverständlich ist auch viel Verwaltungsarbeit zu tun.“, ergänzt Kohl-Langer ihr Aufgabenfeld. Das Archiv muss viele Akten von einzelnen Ämtern gesetzlich verpflichtet nehmen, stadtpolitische Dokumente müssen sogar für immer aufbewahrt werden. „Es darf keine Überlieferungslücke entstehen“, betont Kohl-Langer den Leitspruch der Archivare.

Aber für alles andere muss Kohl-Langer die Entscheidung fällen, ob etwas im Archiv verwahrt werden soll. Denn nicht nur wegen des beschränkten Platzes muss ein Archivar die Sinnhaftigkeit etwas aufzubewahren in Frage stellen und untersuchen, ob man es eben sammelt oder wegwirft.

Auch spätere wissenschaftliche Untersuchungen, für die einzelne Akten relevant sein könnten, müssen in Betracht gezogen werden. So sind im Bezug auf Landau Akten zur Landesgartenschau 2015 oder zu den Corona-Jahren 2020/21, beispielsweise für gesellschaftliche Entwicklungen, relevant.

Digitale Herausforderungen

Das digitale Zeitalter ist auch in diesem Jobbereich eine Herausforderung. Hier stellt man sich die Frage, wie man unterschiedliche Dateiformate dauerhaft abspeichert.

Auch das Landauer Wochenblatt ist Teil der Sammlung des Archivs Landau. Der Zeitungsbestand geht von 1792 bis heute. Viele sind mittlerweile als Mikrofilm nutzbar, um die Abnutzung zu verringern und die Lebenszeit zu verlängern.
 | Foto: Christine Kohl-Langer
  • Auch das Landauer Wochenblatt ist Teil der Sammlung des Archivs Landau. Der Zeitungsbestand geht von 1792 bis heute. Viele sind mittlerweile als Mikrofilm nutzbar, um die Abnutzung zu verringern und die Lebenszeit zu verlängern.
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„Bei Papier wissen wir, wie wir es dauerhaft aufbewahren. Bei digitalen Daten nicht unbedingt“, begründet Kohl-Langer. So ist eine Aufgabe der Zukunft auch das Onlinestellen der Findmittel. 2023 werden diese für Benutzer zur Vorab-Recherche oder um Aktenbestände vorzubestellen, online gestellt.

Vielseitige Projekte

Die Vielfältigkeit des Berufs zeigen sich auch in den Projekten, denen sich Kohl-Langer aktuell widmet. Die Umbenennung von 163 Straßennamen in Landau zu untersuchen, bietet ihr die Möglichkeit, auch klassischen historischen Arbeiten nachzugehen. Sie und ihr Team entwickelten Kriterien und geben dem Stadtrat Empfehlungen für die Umbenennung und versuchen dies, für die Bevölkerung zu kontextualisieren.

Das Projekt der „Stolpersteine“ ist das „Lieblingsprojekt“ von der Archivleiterin. Dabei erforscht das Archivteam Meldekarten um 1933 und versucht den letzten freiwilligen Wohnort in Landau von Juden und deren Familien rauszufinden. Dort sollen Stolpersteine zur Erinnerung angebracht werden. Dazu laden sie nicht selten Nachfahren der „Opfer“ ein. Der Kontakt ist für Kohl-Langer besonders wertvoll. „Wir sind da, um neue Verbindungen zu knüpfen“, unterstützt Kohl-Langer die Stolpersteine-Idee, die ursprünglich von Künstler Gunter Demnig stammt. Die Einzelschicksale können emotional stark berühren.

Wider das Vergessen

Kohl-Langer erinnert sich gerne an das Erlebnis zurück, bei dem sie mit einem Nachfahren auf den Turm der Stiftskirche stieg und ihm die Landschaft zeigte. Die Weinberge und Burgen sind ein sehenswerter Anblick. Das empfand der sichtlich gerührte Mann genauso. „Plötzlich wurde ihm klar, wieso sein Vater immer so von deutschem Wein geschwärmt hat“, erzählt Kohl-Langer ergriffen. Das Heimatgefühl und die emotionale Verbundenheit berührte sie beide. Die dadurch geknüpften Kontakte und die Arbeit dahinter sind eben mehr als nur staubige Akten. kats

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Autor:

Katharina Wirth aus Herxheim

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