Auf der Straße: Ausstellung Street Life im Wilhelm Hack Museum
Von Roland Kohls
Kultur. Die eine Kokotte lächelt schief zur Seite, die andere schielt verschlossen am Betrachter vorbei, der Junge daneben staunt nach oben. Drum herum tummeln sich auf dem Hausvogteiplatz Bürger, Arbeiter, Arbeitslose. An der Seite erkennt man ein Modegeschäft, am Himmel die matte Sonne, die hinter einem Haus verschwindet, Saturn und den zunehmenden Mond, hinten Hausfassaden, eine Litfaßsäule und ein Galgen, an dem ein leerer Strang baumelt… Das Bild „Hausvogteiplatz“ von Rudolf Schlichter ist eines der Bilder der ersten Station „Representing the Street: Die Straße als Spiegel der modernen Gesellschaft“ in der Ausstellung „Street Life“ im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen.
Nichts Gutes lässt dieses Bild der „Neuen Sachlichkeit“ erahnen. Die Sonne geht unter, die Blicke der Menschen leer und über der Straßenszene steht drohend der Galgen – nur der kleine Junge schaut mit offenem Mund in die Höhe. Weit optimistischer sind da die Straenbilder der Futuristen wie Luigi Russolos „La Rivolta“, bei dem die Menschenmassen auf der Straße auflehnen. Aber schon beim Deutschen Expressionismus – George Grosz und Ernst Ludwig Kirchner sind prominent vertreten - ist die Straße mindestens zwiespältig: die Nervosität der neuen Zeit, die Rastlosigkeit auf den Straßen zwischen den modernen Trams und Automobilen ist in ihren Bildern stets präsent.
Die Straße und ihre Akteur*innen
„Documenting the Street: Die Straße und ihre Akteur:innen“ lautet der Tite der zweiten Station und zeigt Fotografien aus den 1920er und 30er Jahren von Friedrich Seidenstücker, Brassai oder Helen Lewitt. Hier wird das Leben auf der Straße oder auch die Straße selbst in den Fokus genommen – hier treffen surrealistische Bilder etwa von André Kertész auf eher grafische Arbeiten oder Helen Lewitts Fotografien von spielenden Kindern in Harlem, die die Straße als Bühne verstehen. Fließend ist auch der Übergang zur dritten Station „Performing the Street: Die Straße als Bühne“, die die Happenings, Performances der 60er und 70er Jahre zum Inhalt haben. Auch abgerissene Plakate, der eingesammelte Müll von der Straße werden hier zum Material von Kunst. Auch mit den Straßenkämpfen dieser Zeit setzt sich Kunst auseinander.
Graffitis: die Straße als Text
Einen originellen Blick auf Graffitis wirft die Ausstellung in der vierten Station unter der Überschrift „Writing the Street: Graffiti oder die Straße als Text“. Frühe Graffitis, wohl Kinder-Ritzereien auf dem Putz von Hausfassaden bilden hier einen Schwerpunkt. Aber auch die Dokumentationen der Graffiti-Szene von Martha Cooper darf hier nicht fehlen. „Reading the Street: die Straße als Zeichen“ nimmt die Straße und ihre Infrastruktur als Zeichen in den Blick: Die Straße als Symbol von Fortschritt und Hoffnung – go west! Aber auch die Straßenmarkierungen, Autobahnkreuze und Parkplatzstrukturen werden in der Popart beispielsweise umgedeutet. Und schließlich in der sechsten Station „Dissolving the Street: Die Straße als Habitat“ setzen sich Künstler mit der Frage auseinander „Wem gehört die Straße?“ und nehmen sie etwa mit einem „Mobilen Zebrastreifen“ bei der Documenta 1993 (Gerhard Lang) in Besitz.
Autor:Roland Kohls aus Ludwigshafen |
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