Bürokratie lähmt Verwaltung: Land beginnt mit Lichtung des Rechtsdschungels

In Unternehmen bindet Bürokratie viel Zeit und bringt hohe Kosten mit sich | Foto: H_Ko/stock.adobe.com
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Ludwigshafen/Pfalz. Unternehmen, Bürger und Kommunalpolitik leiden unter der überbordenden Bürokratie. Zu viele Auflagen, Regeln und Dokumentationspflichten müssen eingehalten werden – das verlangsamt Leben und Arbeitswelt und kostet Personal. Das Land stellte Ende September ein Paket aus 57 Maßnahmen vor, um die Bürokratie zu verschlanken. Es ist ein Anfang, wenn auch noch kein weiter Wurf.

Von Julia Glöckner

Seit Jahren versprechen Bund und Länder den Bürokratieabbau im Land. Vor allem Unternehmensverbände drängen darauf. Denn viel Arbeitszeit wird gebunden, um Regeln, Vorschriften und Auflagen einzuhalten. Wirtschaftsverbände sehen die Bürokratie als einer der Hauptgründe dafür, dass die langersehnte Konjunkturerholung ausbleibt. Das betrifft auch BASF, wie der Vorstand im Juli bekanntgab. Der Chemieriese baut nach eigenen Angaben aktuell den Konzern um, im Sinne der Profitabilität, was weitere Schließungen von Chemieanlagen nicht ausschließt. Laut dem Verband der Chemischen Industrie gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sich die Talfahrt der Chemie fortsetzen könnte. Der Verband forderte vom Bund einen schnellen fundamentalen Bürokratieabbau, neben der Senkung der Energiekosten, wie DPA im Juli meldete. Vor allem Kleinbetriebe leiden unter ständig neuen Auflagen sowie Detailregelungen und verlieren dadurch an Wettbewerbsfähigkeit.

Ausbremsende Bürokratie
Auch die kommunale Politik ächzt unter den lähmenden Regelwerken, etwa unter den vielen Vorschriften zum Brandschutz, Datenschutz, Hochwasserschutz, Trinkwasserschutz. Es türmen sich stapelweise Formulare und Vertragsbedingungen auf den Schreibtischen von Dezernenten, Bürgermeistern und Bereichsleitern im Land, die gelesen sein müssen, bevor man etwa eine Straße sanieren lassen kann. Ein Planfeststellungsverfahren für eine Bundesstraße füllt rund zehn Aktenordner und dauert bis zu zehn Jahren.

Die vielen Regeln lähmen die schnelle Umsetzung durch die kommunalen Verwaltungen von Gesetzen, die Bund und Länder machen, in konkrete, handfeste Lösungen. „Was irgendwo abstrakt geregelt wird, ist bei uns die entscheidende Frage von Alltagsbewältigung und Daseinsfürsorge für Bürger, Vereine und Institutionen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist der Abbau der überbordenden Bürokratie, die uns lähmt und Kräfte raubt. Kräfte, die wir lieber und besser für das Allgemeinwohl und unsere eigentlichen Aufgaben einsetzen würden“, schrieb OB Steinruck in ihrer Erklärung zu ihrem Nicht-Wiederantritt. „Die bürokratisierten Verfahren nehmen zudem viel an Gestaltungsspielraum.“ Das habe sich bei der Einrichtung einer Videoüberwachung an illegalen Müllplätzen gezeigt. Strenge Auflagen beim Datenschutz hätten das erfolgreiche Pilotprojekt, das andere Städte bereits kopieren, um Jahre verzögert. Gerade in den kommunalen Verwaltungen werden in der Praxis Dinge erprobt, um daraus zu lernen.

Expertise und KI helfen beim Bürokratieabbau
Bund und Land schoben sich lange gegenseitig die Verantwortung beim Bürokratieabbau zu. Dieser ist keine leichte Aufgabe. Jedes Gesetz, jede Verästelung, jede Dokumentationspflicht hat ehrenwerte Ziele: Der Schutz des Rechts des Einzelnen oder von Gemeingütern, Sicherheit für die Bürger oder einfach die Kontrolle und Verteidigung des Rechts. Mit dem Rotstift ranzugehen, wird selbst die brillantesten Juristen in so manches Dilemma treiben. Doch andere EU-Staaten kommen mit deutlich weniger Regelwerk aus.

Das Landeskabinett Schweitzer erhofft von den Praktikern aus Unternehmen und Kommunalverwaltung konkrete Vorschläge, was man abschaffen könnte. Bei Vereinfachungen kann man nur mit Stückwerk rechnen. Denn jeder Rechtsbereich erfordert viel Expertise bei der Verschlankung. Helfen kann KI, die die vielen Regeln handhabbar und bewältigbar macht. So können etwa Apps genutzt werden, die nützliche Tipps und im Umgang mit Vorschriften und Regeln geben. Sie können sogar warnen, wenn sie merken, dass Regeln bei der Politiklösung noch nicht berücksichtigt sind. Solche Apps speichern wichtige Daten und übernehmen damit die Dokumentationspflichten.

Land beginnt mit Bürokratieabbau
Ministerpräsident Schweitzer hatte erst Ende September ein Paket aus 57 Vereinfachungen angekündigt. So sollen etwa Vorschriften, die Bauvorhaben verzögern, verhindern oder verteuern, gestrichten werden. Schweitzer kündigte an, dass Bauanträge digital gestellt werden können. Geplant sind auch reduzierte Auflagen beim Brandschutz sowie bei den Parkplätzen und Baufristen. Damit sind Verwaltungen, Baulöwen sowie Baufirmen deutlich entlastet, zumal Behörden Bauaufträge an Bauunternehmen auslagern können, die sie vollständig abwickeln. Auch die Planfeststellung wird verschlankt.

Auch viele Firmen werden entlastet. Wirtschaftsministerin Schmitt erklärte, dass etwa die Suche nach einer Nachfolge für Hotelchefs und Küchenchefs bald deutlich vereinfacht würde. Denn der Prozess sei zu kompliziert geworden.

Unternehmen sollen künftig ohne komplizierten Antrag an eine Transportgenehmigung kommen und Berichtspflichten etwa bei Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement werden gestrichen. Viele Förderanträge für Unternehmen und Bürger sollen digitalisiert werden. Bereits das Wachstumschancen-Paket der Bundesregierung hatte viele Vereinfachungen für Firmen enthalten.

Laut IHK enthalten die Wachstumsinitiative der Bundesregierung und Bürokratie-Abbau-Paket der Landesregierung sinnvolle Maßnahmen. „Diese müssen nun umgehend umgesetzt werden, reichen aber nicht aus“, so Albrecht Hornbach, Präsident der IHK Pfalz. Denn Unternehmen würden bereits darüber nachdenken, Standorte ins Ausland zu verlagern oder ganz aufzugeben.
„Es ist der Anfang, wir werden beharrlich daran weiterarbeiten und wollen im zweiten Schritt auch mit den Kommunen zusammen das Verwaltungsdickicht lichten, damit wir die großen Zukunftsaufgaben effizient angehen können“, so der Ministerpräsident. Der Bürokratie-Abbau müsse eine Daueraufgabe für das Kabinett sein, sagte auch Wirtschafts- und Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP): „Es ist ein Standortfaktor, wie wir damit umgehen." jg

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Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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