Rathaus-Center Ludwigshafen: Denkmal futuristischer Stadtplanung

Foto: Julia Glöckner
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Ludwigshafen. Rathausturm und Rathaus-Center werden bald Geschichte sein. 45 Jahre nach dem Einzug der ersten Stadtmitarbeiter 1979 hat 2023 der Abriss beider Gebäude begonnen. Das Bewirtschaften des Glaspalasts rentiert sich nicht mehr. Außerdem hatte man 2016 Asbest im Turm gefunden. Das imposante Gebäude prägte lange das Stadtbild und war Hotspot in der City. Seit den Anfängen war das in den Stadtplänen auch so gedacht. 

Der Stadtumbau der City in den 60ern und 70ern prägt das Stadtbild bis heute. Mit der Verlegung des Bahnhofs ins Westendviertel, der vorher fast bis an den Rhein reichte, begannen die Stadtentwickler vor 60 Jahren, die City umzudenken. Das Gelände des alten Bahnhofs am Rhein sowie die störenden Gleispakete wurden zur Freifläche. Städtebauprofessor Gerd Albers und Geschäftspartner Elmar Dittmann gewannen damals den Planungswettbewerb für die Innenstadt. Ihr Entwurf sah die beiden Hochstraßen vor, die über die bereits bebaute Innenstadt hinweg führen sollten, die Hochstraße Süd sollte über den neuen Bahnhof führen. Wesentlicher Teil ihres Entwurfs waren außerdem die beiden geplanten attraktiven Zentren der Stadt am Nord- und Südende der Bismarckstraße. Der Berliner Platz sowie das ehemalige freiwerdende Bahnhofsgelände sollten Hotspots für Besucher werden. In den Stadtentwicklungsplänen der Gewinner Albers und Dittmann sowie der Verwaltung sprach man bald nur noch von der "Entwicklung des Nordpols" um den ehemaligen Bahnhofsplatz, heute Rathausplatz, und des "Südpols" um den Berliner Platz.

Die Stadt nahm den Gewinnerentwurf ernst. Nord- und Südpol sollten mit für die damalige Zeit modernen, futuristisch anmutenden Hochhäusern geplant werden. Dies war zugleich Ausdruck einer pragmatischen Wohnungspolitik. Grund dafür waren die hohen Erwartungen zur Bevölkerungsentwicklung der Stadt in den 60ern, als die Stadt wirtschaftlich durch BASF erblühte und immer mehr Menschen zuzogen. Doch die Wohnungspolitik fiel zu optimistisch aus und die Stadtentwicklung entsprechend überdimensioniert, wie sich bereits ein Jahrzehnt später zeigen sollte. 

Nachdem die Bahnhofsverlegung den Stadtsäckel mit 173 DM belastet hatte, suchte man nach Investoren für die Höhenentwicklung um den Nordpol, den heutigen Rathausplatz. Den Bahnhof finanzierte zwar komplett die Deutsche Bahn, der er bis heute gehört, und es gab Fördermittel von Bund und Land. Doch die Stadt hatte das Projekt nur mit Schuldenaufnahme stemmen können. 

Investor Schätzle plante Höhenentwicklung am Rathausplatz

Stadtverwaltung und Gremien ließen sich Ende der 60er von der zeitgemäßen Idee des schwäbischen Investors Schätzles begeistern. Er baute Gebäudekomplexe in ganz Deutschland, die aus Rathausturm und City Center mit Geschäften bestanden. Die großdimensionierte Architektur galt als futuristisch, modern und zukunftsweisend. Sein Plan sah das Rathaus-Center vor, bei dem gewaltige Hochhäuser mit 35 Etagen wie Segel über den Innenstadt stehen sollten. Die Stadtverwaltung sollte in einen der drei Türme ziehen, und zwar in die unteren Geschosse. 

Doch Schätzle verhob sich und musste aufgeben, als die Haltestelle Rathaus im Rohbau war und die Fundamente für die Hochhäuser ausgehoben waren. Grund war die Anfang der 70er einsetzende Ölkrise, die die Preise inflationär nach oben trieb und die Produktion verteuerte. Die Baukosten stiegen – bei einer geringen Nachfrage nach Wohnraum. Denn in der Krise waren die Menschen in Ludwigshafen aufgrund der steigenden Zinsen zurückhaltend mit dem Kauf von Wohnungen. Angesichts der überschätzenden Bevölkerungsentwicklung Anfang der 60er bliebt zudem der Zuzug von Menschen mit Kaufkraft für Wohnungen in diesem Preissegment aus. 

Die Stadt fand bald einen neuen Finanzier, die Norddeutsche Landesbank, mit der sie das Projekt gemeinsam überplante. Der neue Bebauungsplan sah ein Projekt von deutlich geringerer Dimension vor. Shopping-Center und unterirdische RNV Haltestelle wurden ähnlich umgesetzt wie in Schätzles Plänen. Neu war der Rathausturm: Ein 18-geschossiger Turm von 72 Metern sollte Sitz der zentrale Verwaltung werden. Dort sollten kurze Wege Reibungsverluste verhindern. Im Januar 1979 zogen die ersten Mitarbeitenden der Stadt ein und im Februar wurde das Center wurde eröffnet. Die Überplanung von Schätzles Konzept erforderte einige besondere Umplanungen: Eine weitere Abfahrt im Hochstraßenlabyrinth wurde in den Brückenkopf der Hochstraße Nord ergänzt, die auf den Parkplatz des Rathauscenters führte. Sie brachte in den 80er und 90ern Pfälzer aus der gesamten Region zum größten Einkaufszentrum der Vorderpfalz. Die Stadt leaste den Gebäudekomplex zunächst, die Raten wurden auf den Restkaufpreis angerechnet, mit dem die Stadt das Gebäude vollständig erwarb. 

Heute kann man von Glück reden, dass Schätzle sein Projekt nicht verwirklicht hat. Die 35-geschossigen Hochhäuser hätten im Ergebnis Schluchten gebildet und zu einer Verschattung geführt. Auch kann man davon ausgehen, dass man heute drei Türme hätte abreißen müssen, die mit Asbest und Teerkleber belastet  wären. Allein der Rückbau des Rathausturms und des Einkaufzentrums dauert zwei Jahre. 

Abriss des Rathaus Centers Ludwigshafen 

Seit 2021 plant und leitet Klaus Möller den Rückbau des Rathaus-Center und des Rathausturms, als Hochbauleiter der Bauprojektgesellschaft. 2023 hat die Bauprojektgesellschaft mit dem Abriss begonnen, der im Plan liegt. 2023 begann zunächst innen die Entkernung, also die Rückversetzung in den Rohbau. Dabei zeigte sich vor allem die Schadstoffrückbau als zeitaufwendig, also von Fenster- und Betonteilen, die mit Asbest und Teerkleber belastet waren. 

Nachdem die Fassade nun seit März 2024 Fenster um Fenster abgehängt und mit Aufzügen, sogenannten Klettermastbühnen, nach unten gebracht wird, ist der Fortschritt für Passanten erkennbar. Der Blick wird frei auf den Betonrohbau. Bis Jahresende wird der Rückbau der Fassade fertig sein. 

Ab 2025 beginnt die Baufirma mit dem Stellen eines Gerüsts von Etage 9 bis 18, um den Beton auf den oberen Etagen mit Minibaggern abzuknabbern. Von Etage 9 abwärts wird ein Großbagger von unten mit langem Arm den Beton abknabbern. Parallel dazu hat der Rückbau des Centers begonnen, wo bis Ende 2024 der Schadstoffabbau läuft. Ab 2025 wird der Rest an mineralischem Beton und Kalksandstein auch dort mit Baggern zurück gebaut, nachdem der Asphaltbelag auf den Parkdecks abgefräst ist. Ende 2025 wird der Rückbau Geschichte sein, sofern es keine Unwägbarkeiten geben wird.

Rathaus Center-Rückbau und Kohl-Allee sind eng verzahnt

Die Abläufe beim Rückbau von Center und Rathausturm und der Neubau der Kohl-Allee sind eng verzahnt. Die Gründung der Hochstraße Nord verläuft unterhalb des Rathaus-Centers. Sie begann vor dem Bau des Rathaus Centers, auch wenn der Turm 1979 bezogen und die Hochstraße 1981 fertig gestellt war. Die Leiter des Bauprojektgesellschaft machen sich derzeit ein Bild von der Gründung und suchen nach Hohlräumen und Ummantelung, um die neuen Fundamente zu planen und vorzubereiten. jg

Foto: Julia Glöckner

Geheimnisvolle Heimat
Die Reihe "Geheimnisvolle Heimat" zeigt stadtplanerische Pfadabhängigkeiten auf, die bis heute das Stadtbild der modernen Stadt Ludwigshafen prägen. Sie führt an historische Plätze wie den Idiotenhügel, wo Generationen von Führerscheinanfängern das Anfahren am Berg übten. Die Reihe lenkt zudem den Blick auf die Potenziale und Stärken der Stadt, die zeigen, wo die Entwicklung hin geht.

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Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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