Wie ist sicherer Unterricht möglich?
Schule in Pandemiezeiten
Ludwigshafen. Die Schulen in Rheinland-Pfalz haben seit heute (Montag, 3. Januar 2022) nach den Winterferien wieder regulär geöffnet. Es mehren sich die Stimmen, dass aufgrund der nahenden Omikron-Welle weitere Maßnahmen zum Schutz der Schülerinnen und Schüler getroffen werden sollten. Die Bildungsminister*innen der Länder treffen sich am Mittwoch, 5. Januar 2022, zu einer Krisensitzung, in der es nicht um flächendeckende Schulschließungen gehen soll.
Doch was sind die Alternativen, um Kinder und Lehrer*innen zu schützen? In diesem Zusammenhang wird immer wieder von der S3-Leitlinie gesprochen. Was hat es damit auf sich?
Seit Februar 2021 liegt eine S3-Leitlinie für „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle einer SARS-CoV-2-Übertragung an Schulen“ vor, die Schulen eine wissenschaftlich fundierte und evidenzbasierte Handlungsempfehlung zur Verfügung stellt. Diese wurde von einer repräsentativen Gruppe von Wissenschaftler*innen, Entscheidungsträger*innen aus Fachgesellschaften, Verbänden und Organisationen sowie Eltern-, Schüler- und Lehrervertretern erarbeitet. Gefördert wurde das Vorhaben vom Bundesforschungsministerium.
In den Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass die aufeinander abgestimmte Umsetzung von Maßnahmenpaketen entscheidend ist. Dabei geht man von einem Standard-Maßnahmenpaket aus, das sich an den allgemein in der Bevölkerung geltenden AHA+L Regeln orientiert und das konkret Abstand, Hygiene, das Tragen einer angemessenen Maske und Lüften vorsieht.
Die Empfehlungen der Leitlinien umfassen diese Themenbereiche:
• Reduktion der Schüler*innenzahl in Präsenzunterricht und/oder Kohortierung
• Maskentragen bei Schüler*innen, Lehrer*innen und weiterem Schulpersonal
• Maßnahmen auf Schulwegen
• Maßnahmen bei Musikunterricht in Schulen
• Maßnahmen bei Sportunterricht in Schulen
• Umgang mit Verdachtsfällen bei Schüler*innen ohne bekannten Risikokontakt
• Umgang mit Kontaktpersonen in Schulen
• Lüften und Reduktion der Aerosolreduktion in Unterrichtsräumen
• Luftreinigung und Reduktion der Aerosolreduktion in Unterrichtsräumen
Schulschließungen wurde nicht behandelt.
Bei der Erarbeitung der Empfehlungen wurden neben den gesundheitlichen Wirkungen der Maßnahmen auch Kriterien wie Akzeptanz, gesundheitliche Chancengleichheit, soziale und ökologische Folgen, finanzielle und wirtschaftliche Folgen und Machbarkeit bewertet, ebenso mögliche Einschränkungen der Grundrechte. Nutzen und Schaden wurden dadurch sorgfältig abgewogen.Die Leitlinien wurden seit der ersten Veröffentlichung im Februar 2021 weiter überarbeitet, der letzte Stand ist von November 2021, die neue Virusvariante Omikron ist also noch nicht beinhaltet.
Aktueller Stand an den Schulen
Das Standard-Maßnahmenpaket, das laut Leitlinie immer gelten sollte, wird in den Schulen nur bedingt eingehalten. So werden zwar das Tragen einer angemessenen Maske und das Lüften umgesetzt. Allerdings ist es in einer voll besetzten Klasse nicht möglich, Abstand einzuhalten.
Entgegen der Leitlinie wird auch bei steigenden Infektionszahlen in der Bevölkerung eine Reduktion der Schüler*innenzahl nicht umgesetzt. Laut Leitlinie soll eine Reduktion der Schüler*innenzahl in Präsenzunterricht und/oder eine Kohortierung von Schüler*innen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen in der Allgemeinbevölkerung umgesetzt werden. So sollte bereits bei mäßigem Infektionsgeschehen eine Kohortierung von Klassen/Jahrgängen erfolgen. Bei hohem Infektionsgeschehen soll zusätzlich zur Kohortierung von Klassen/Jahrgängen eine gestaffelte Öffnung nach Jahrgängen und/oder eine Halbierung der Klassen erfolgen. Bei sehr hohem Infektionsgeschehen sollen alle diese Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden.
In den Schulen wird auf ein regelmäßiges Testen als Maßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus gesetzt. Allerdings schlagen diese oft nur an, wenn eine Person stark infektiös ist. Wie gut sie bei der neuen Virusvariante Omikron funktionieren, ist noch nicht abschließend geklärt.
Kinder/Jugendliche ab 12 Jahren können sich seit August 2021 gegen das Coronavirus impfen lassen, seit Dezember ist dies auch bei Kindern zwischen fünf und 12 Jahren offiziell möglich.
Allerdings ist dies bei den Kindern unter 12 Jahren durch eine fehlende allgemeine Stiko-Empfehlung erschwert, da diese die Impfung nur für vorerkrankte Kinder empfiehlt. Viele Ärzte halten sich an diese Empfehlung, obwohl es - auch laut Stiko - allen Kindern ermöglicht werden soll, sich vor dem Coronavirus zu schützen. Die wenigsten Kinder in der Altersklasse zwischen fünf und 12 Jahren sind zweimal geimpft. Da man mittlerweile weiß, dass man drei Impfungen für einen möglichst guten Schutz benötigt, fehlt dieser in der genannten Altersgruppe bis auf wenige Ausnahmen ganz, die Kinder/Jugendlichen ab 12 Jahren, die sich direkt im August 2021 haben impfen lassen, können sich jetzt ihre dritte Impfung abholen. Insgesamt ist ein Großteil der Schüler*innen nicht vollständig durch Impfung geschützt, in der Altersklasse der unter 12-Jährigen haben die wenigstens bisher überhaupt eine Impfung.
Schulschließung, Kohortierung – was bedeutet das?
Immer wieder hört man Begriffe wie Präsenzunterricht, Kohortierung oder Wechselunterricht. Nachfolgend einige Begriffserklärungen:
Präsenzunterricht: Unterricht, bei dem Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam vor Ort sind. Hier als Standard Unterrichtsform verwendet.
Schulschließung: Distanzunterricht für alle Jahrgänge mit Ausnahme einer Notbetreuung
Kohortierung: Aufteilen von größeren Gruppen (beispielsweise Jahrgänge, Klassen, Lehrer*innen) in kleinere Gruppen; Beschränkung auf Kontakte innerhalb einer festgelegten Gruppe, in der jedoch weiterhin das Standard Maßnahmenpaket gilt; Kontakte zwischen Gruppen werden weitgehend ausgeschlossen.
Wechselunterricht: Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht (zum Beispiel täglicher oder wöchentlicher Wechsel). Dadurch ist jeweils nur ein Teil der Klassen oder Jahrgänge in der Schule präsent.
Gestaffelte Öffnung nach Jahrgängen: Jahrgänge 1 bis 4 beziehungsweise 1 bis 6 (Grundschule) haben Präsenzunterricht (mit Standard Maßnahmenpaket), höhere Jahrgänge haben Distanzunterricht.
Distanzunterricht: Alternative zu Präsenzunterricht, um eine Kontaktreduktion zu bewirken, teilweise als Online-Unterricht umgesetzt.
Hybridunterricht: Teilweise unscharf verwendeter Begriff; meist als gleichzeitig stattfindender Präsenz- und Distanzunterricht definiert, bei dem ein Teil der Klasse vor Ort ist, ein anderer aus der Distanz teilnimmt.
Versetzter Unterrichtsstart: Start des Unterrichts mit Zeitversatz. Bei mehreren Schulen in naher Umgebung kann eine Abstimmung zwischen den Schulen eine Alternative sein, um die Personenzahl auf dem Schulweg zu reduzieren.
Die komplette S3-Leitlinie ist hier zu finden. bas
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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