Stadt beschließt neue Spendenverteilung für Betroffene des Messerangriffs
Ludwigshafen. Nach der Debatte um die Verteilung von Spendengeldern nach der Bluttat von Oggersheim hat sich der Bau- und Grundstückausschuss (BGA) auf ein neues Verfahren verständigt. So können Spender, die nur den Hinterbliebenen sowie dem schwer verletzten Opfer und nicht der Ex-Partnerin spenden wollen, dies der Verwaltung per E-Mail oder Brief mitteilen.
Daraus errechnet sich ein Spendenteil, der dann auf die drei Parteien neu aufgeteilt wird, also auf die Angehörigen der beiden Todesopfer und das schwer verletzte Opfer. Der BGA folgte dem Vorschlag der Verwaltung am Montag, 27. März, in einer nicht öffentlichen Sitzung. "Mit unserem Verfahrensvorschlag zur Neuverteilung wollen wir die Tür öffnen, um die öffentliche Debatte wieder zu versachlichen und zu befrieden und wir wollen den Spendern die Möglichkeit geben, individuell zu entscheiden. Ich weiß auch, dass es Spender gab, die explizit auch die Ex-Lebensgefährtin unterstützen wollten. Mit dem vorgeschlagenen Verfahren können die Spender nunmehr selbst bestimmen, wen sie bedenken wollen", erklärte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck.
Denn Spender, die die Ex-Partnerin nicht bedenken wollen, können sich unter Nennung ihrer Kontaktdaten per E-Mail oder Brief an die Stadtverwaltung wenden. Auf der städtischen Homepage www.ludwigshafen.de wird ab Dienstagnachmittag ein entsprechendes Formular als Download zur Verfügung gestellt.
Der BGA hatte die Aufteilung der Spendengelder am Montag erneut diskutiert, auf Antrag des Grünen Forums und der Piraten. Demnach sollte die Verteilung der Spenden angepasst werden und die Ex-Freundin des Beschuldigten nicht im Kreis der Empfänger bleiben. Die Stadtverwaltung hatte ihrerseits einen Verfahrensvorschlag gemacht. Dieser sollte sowohl diejenigen zu berücksichtigen, die für alle vier Parteien spenden, als auch jene, die für die Hinterbliebenen und das schwer verletzte Opfer spenden möchten.
"Die öffentliche Diskussion um die Verteilung der Spendengelder in den sozialen Netzwerken nach der unfassbar grausamen Bluttat von Oggersheim hat uns alle getroffen und bewegt. Ich verstehe den Antrag heute daher auch als Anlass, über das Geschehene zu diskutieren und unseren Entscheidungsweg ein Stück weit aufzuarbeiten. Unsere Antwort auf die Frage, wie wir in diesem Fall weiter vorgehen wollen, wirft auch ein Licht auf uns. Ich persönlich empfinde es als unerträglich, wie die aktuelle Diskussion die eigentliche Tat, unsere Trauer, unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme überschattet", so Steinruck. Die Aufarbeitung und juristische Bewertung des Geschehenen sei Sache des Gerichts.
Es werde durch Teile der Öffentlichkeit in den sozialen Netzwerken kritisiert, dass die Ex-Partnerin des Angeklagten einen Beitrag von rund 5.000 Euro aus den eingegangenen Spendengeldern erhalten habe. Es werde weiter kritisiert, die Verwaltung hätte dies nicht klar genug kommuniziert, berichtet die OB. Dagegen sei mehrfach öffentlich kommuniziert worden, dass vier Parteien mit Spenden bedacht werden sollen und auch in der sehr ausführlichen Ausschussvorlage sei alles unmissverständlich benannt gewesen sei. "Alle Zahlen, alles lag auf dem Tisch. Wir hätten als Verwaltung, das sage ich rückblickend, aber offensiv die Aussprache im Ausschuss suchen sollen und unsere Beweggründe explizit darlegen, auch wenn niemand danach gefragt hat. Hinterher weiß man vieles besser", so Steinruck.
"Wir richten nicht, wir verurteilen nicht"
So habe die Verwaltung Ende Oktober vergangenen Jahres in einer Ausnahmesituation die Entscheidung getroffen, dass ein Spendenkonto eingerichtet wird, weil es den Wunsch vieler Bürger danach gegeben habe. "Und wir haben in der Folge und angesichts der Entwicklungen den Vorschlag formuliert, dass die Gelder zu gleichen Teilen ausgezahlt werden. Weil wir als Verwaltung uns nicht anmaßen wollen und dürfen, über Schuld und Unschuld zu richten. Unser alleiniges Anliegen war es, unmittelbare Härten abzumildern. Wir haben unermessliches Leiden erlebt. Und dabei haben wir auch die Ex-Partnerin als Opfer gesehen. Ihr wurde die Existenzgrundlage genommen, sie musste mit ihren Kindern aus ihrer Wohnung und aus der Stadt fliehen. Die Richterin am Landgericht Frankenthal hat dafür vor wenigen Tagen sehr deutliche Worte gefunden. Auch der Weiße Ring, mit dem wir uns ausgetauscht haben, unterstützt unsere Auffassung. Es gehört leider zur Realität, dass Angehörige von Tätern massiven Anfeindungen ausgesetzt sind und selbst und unverschuldet in höchste Not geraten. Als Stadtverwaltung müssen wir all das sehen; wir richten nicht, wir urteilen nicht. Wir sind für alle da. Ich würde daher auch gerne einen Lösungsweg diskutieren, wie wir der Ex-Partnerin, die sich mit ihren Kindern vor Hass und Hetze verstecken muss, angesichts einer möglichen Neuverteilung der Spendengelder weitere Härten ersparen können. Das halte ich für ein Gebot der Menschlichkeit", sagte Steinruck.
Anders als aufgrund von Beiträgen in Sozialen Medien zu vermuten, liege der Verwaltung aktuell lediglich eine Rückforderung einer Spende in Höhe von 25 Euro vor – von einer Person, die 100 Euro gespendet hatte und nun ein Viertel zurückhaben wolle. Mehr als drei Viertel und damit mehr als 17.000 Euro der rund 22.000 Euro Spenden seien durch Institutionen und Persönlichkeiten aus der Stadtgesellschaft zustande gekommen, die sich nicht an der aktuellen öffentlichen Diskussion zur Verteilung der Gelder beteiligt hätten. Bei weitem nicht alle, die in einer Online-Petition eine andere Verteilung forderten, hätten gespendet. Insgesamt habe es 188 Einzahlungen auf dem Spendenkonto gegeben.
Hass und Hetze entgegenwirken
"Ich kann emotional durchaus verstehen, dass es insbesondere für Betroffene schwer auszuhalten ist, wenn jemand wie die Ex-Lebensgefährtin, die am 18. Oktober nicht durch den Täter verletzt wurde und nicht ihre Kinder verloren hat, bei der Abmilderung von existenziellen Härten ähnlich behandelt wird wie jemand, der sein Liebstes verloren hat. Das empfindet man als ungerecht. Und ich stelle mich gerne Kritik und einer sachlichen Diskussion. Zu dieser können wir heute ein Stück beitragen", erklärte die OB. Nicht zu rechtfertigen seien allerdings die Drohungen und Hassmails, die in den vergangenen Wochen bei der Stadtverwaltung eingegangen seien. Sie seien geprägt von Hass auf Politik, auf Verwaltung, Hass auf Frauen und Hass auf Geflüchtete. Die unerträglichsten habe die Verwaltung der Staatsanwaltschaft übergeben.
"Ich nehme die Kritik an, dass wir das hätten klarer kommunizieren müssen. Aber ich persönlich bleibe bei meiner Haltung, dass es richtig war, alle zu bedenken, um existenzielle Härten abzumildern. Dies entspricht unserem Verständnis eines fairen, mitfühlenden Staatswesens; für uns zählen die Grundsätze unseres Rechtsstaats", so Steinruck. Sie hoffe sehr, dass mit dem neuen Verfahrensvorschlag die Debatte der vergangenen Tage und Wochen zur Aufteilung der Spendengelder befriedet und versachlicht werde. jg/red
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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