Altdekan Friedhelm Borggrefe wird 95 Jahre
Zwischen-Mensch, Brückenbauer, „Anstoßer“
Das „Team Borggrefe“ freut sich auf ein dreifaches Jubiläum: Der Ludwigshafener Altdekan Friedhelm Borggrefe feiert am 21. Dezember seinen 95. Geburtstag, Anfang Januar folgt seine Frau Charlotte. Zudem begeht das Paar am 20. Dezember seinen 70. Hochzeitstag. Friedhelm Borggrefe hat entscheidende Akzente in Ludwigshafen gesetzt - und weit darüber hinaus. Seine Frau Charlotte hielt ihrem Mann nicht nur den Rücken frei. Sie begleitete und unterstützte seine Arbeit, gestaltete das kirchliche Leben tatkräftig mit.
Der Dialog und das Thema Versöhnung ziehen sich durch Friedhelm Borggrefes Leben. „Mich hat immer interessiert, wo sich Brücken bauen lassen“, sagt er. Dabei will sich Borggrefe nicht als Vermittler verstanden wissen, sondern als ein Zwischen-Mensch. „Meine Position ist zwischen gegensätzlichen Menschen“, erklärt er. „Ich versuche, sie miteinander ins Gespräch zu bringen und im Gespräch zu halten.“
Kirche als Motor für Versöhnung
Tief geprägt haben ihn die NS- und Nachkriegszeit, die er als Kind und Jugendlicher erlebte. Friedhelm Borggrefe wurde am 21. Dezember 1929 in Düsseldorf als Ältester von acht Geschwistern geboren. Während des Zweiten Weltkriegs zog die Familie wegen der Berufstätigkeit des Vaters nach Oberschlesien. Das Kriegsende erlebten sie nicht als Befreiung, sondern als Zusammenbruch. „Wir haben alles verloren“, sagt er. Neun Monate lang war die Großfamilie auf der Flucht zurück nach Düsseldorf – mit Phasen von Zwangsarbeit und im Konzentrationslager.
Der Wiederbeginn in der Heimat war sehr schwer. Ein Lichtblick ergab sich 1947, als der junge Friedhelm einen Gemeindepfarrer kennenlernte, der ihn in die Kirche einlud. Damals erkannte Borggrefe: „Das deutsche Volk kommt mit seinem Nationalismus nicht in die Zukunft. Kirche bietet ein Potenzial von Versöhnung. Daran will ich arbeiten.“
Ja zur Liebe des Lebens, Abschied vom Rheinland
Er begann Evangelische Theologie zu studieren. Um das Studium zu finanzieren, verdiente Borggrefe Geld als Bergmann, Röhrenfräser und Lkw-Fahrer. Im kirchlichen Umfeld lernte er die Bergmannstochter Charlotte kennen und lieben. 1954 sagte das Paar Ja zueinander – und Friedhelm Borggrefe damit Nein zu einem Examen und einer Zukunft in der Heimatkirche. Heiraten durften nämlich nur Männer, die im Krieg gedient hatten. Charlotte und Friedhelm Borggrefe kamen so in die Pfalz.
Nach dem Vikariat in Landstuhl leitete Friedhelm Borggrefe ein Schülerheim in Landau. Anschließend wurde er Gemeindepfarrer in Landau-Mörzheim und 1965 an der Ludwigshafener Friedenskirche vor den Toren der BASF. Hier erlebte das Paar eine äußerst intensive Arbeit mit den damals 7000 Gemeindemitgliedern. „In Ludwigshafen haben wir die Ärmel hochgekrempelt“, sagt Charlotte Borggrefe.
Das Pfarrhaus stand immer offen, Gäste aus aller Welt gingen ein und aus. Charlotte Borggrefe leitete verschiedene Gruppen und baute am Klinikum die „Grünen Damen“ auf. Diese Ehrenamtlichen begleiten Patienten, Patientinnen und deren Angehörige. Anfangs organisierte sie 20 Frauen, später waren es über 70.
Eingemischt, mitgemischt, angeeckt
1978 wurde Friedhelm Borggrefe Dekan des Kirchenbezirks Ludwigshafen. In der Stadt hat er entscheidende Akzente gesetzt, die bis heute wirken: Er ist Mitbegründer der Ökumenischen Sozialstation, der Suppenküche an der Apostelkirche und hat den Lutherbrunnen auf dem Lutherplatz mit auf den Weg gebracht.
Friedhelm Borggrefe sagt, was er denkt – damals wie heute. Damit eckt er bewusst an. Lange Diskussionen hat zum Beispiel eine Studie zu Armut in Ludwigshafen ausgelöst, deren Mitautor er war. Doch Borggrefe hat immer das Gespräch gesucht – egal, ob mit Leuten aus der Stadtverwaltung oder in der Suppenküche. „Helmut Kohl begrüßte mich einmal mit den Worten ,Na, Sie alter Anstoßer‘. Das war ein großes Lob“, erinnert er sich. 1998 ernannte die Stadt Ludwigshafen Friedhelm Borggrefe zu ihrem Ehrenbürger.
Sein Engagement lässt sich keinesfalls kurz zusammenfassen, hier nur ein paar Schlaglichter: Mit zahlreichen Kontakten und Reisen hat er den Ost-West-Dialog mitgestaltet. Er hielt Vorlesungen an Universitäten in Zagreb, Prag und Budapest, wo er Ehrendoktor ist. Lange Zeit war Friedhelm Borggrefe Vorsitzender der pfälzischen Gruppe des Gustav-Adolf-Werks, dem evangelischen Hilfswerk für Christen und Christinnen in der Diaspora. Er schrieb Beiträge in Zeitschriften und Bücher. Mehrere Jahrzehnte war er als Hörfunk- und Fernsehpfarrer tätig, hat unter anderem „Das Wort zum Sonntag“ gesprochen.
1995 schied er aus dem Arbeitsleben aus, denn Ruhestand wäre das falsche Wort. Er nahm weiter Pfarraufgaben wahr. Er recherchierte und veröffentlichte Schriften, etwa über die Geschichte der Protestanten in Ludwigshafen und insbesondere während der NS-Zeit. Die Partnerschaft zwischen der pfälzischen Landeskirche und der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien brachte er maßgeblich voran.
Ein großer Wunsch zum Geburtstag
Inzwischen haben sich Charlotte und Friedhelm Borggrefe zurückgezogen, um mehr für sich und die Familie da zu sein. Beide sind stolz auf ihre drei Kinder und fünf Enkeltöchter. Zum Geburtstag wünscht sich der Jubilar keinen Wein, keine Bücher, sondern Spenden: Sein Herzenswunsch ist die Sanierung des Lutherbrunnens. Um Metall und Steine von Kalk zu befreien, sind 35.000 Euro nötig.
Spenden für Lutherbrunnen-Sanierung
Empfänger: Protestantischer Kirchenbezirk Ludwigshafen
Kontonummer: DE26 3506 0190 6831 2060 10
Kreditinstitut: Bank für Kirche und Diakonie
Verwendungszweck: Lutherbrunnen
Autor:Yvette Wagner aus Ludwigshafen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.