Klanginstallation von Dimitri de Perrot
Unter uns
Mannheim. Zuhören verbindet. Zuhören braucht Zeit. In „Unter uns “erkundet das Publikum durch Deep Listening die verborgenen Welten des Bodens als lebendigen Schatz in einer experimentellen theatralischen Erfahrung. Die raumgreifende Klanginstallation ist am Freitag, 22., Samstag, 23., Sonntag, 24. sowie am Donnerstag, 28., Freitag, 29 und Samstag, 30. November ab jeweils 18 Uhr im EinTanzHaus zu erleben.
Die Szenografie besteht aus einer aufblasbaren Hülle, die den gesamten Aufführungsraum einnimmt und die Außenwelt zum Verschwinden bringt. Im Inneren stoßen die Besucher auf einen weitläufigen, klingenden und bebenden Boden. Geschaffen wurde das besondere Projekt von dem Schweizer Klangkünstler Dimitri de Perrot, dessen Arbeiten Niemandsland 2021 und MYOUSIC 2019 bereits im EinTanzHaus zu erleben waren.
Nach der Premiere von „Unter uns“ am 7. November in der Gessnerallee in Zürich und 21 ausverkauften Veranstaltungen ist die Produktion nun direkt in Mannheim zu Gast. Für die denkmalgeschützte Trinitatiskirche, in der das EinTanzHaus zuhause ist, entsteht eine auf das besondere Gebäude zugeschnittene Adaption, deren Umsetzung durch die Baden-Württemberg Stiftung, das Kulturamt der Stadt Mannheim und die Wüstenrot Stiftung gefördert wird.
Als riesiges Musikinstrument lädt „Unter uns“ ein, sich hinzulegen und zuzuhören. Wer das tut, taucht in einen dynamischen Resonanzraum aus Klängen und Geräuschen ein, die sich frei mit Erdboden, Grund oder Untergrund assoziieren lassen: mit den rumorenden Tiefen und Schätzen der Erde wie auch der lebendigen Oberfläche, auf der unzählige Lebewesen täglich ihre Spuren hinterlassen.
Der Wunsch, das Zuhören mehr in den Vordergrund zu stellen, kommt für den Künstler nicht von ungefähr: „Oft stelle ich mir das Leben als große Improvisation vor – ein Tanz des Moments, von allen, die da sind, mit allem, was da ist. Eine essenzielle Grundlage dafür ist das Zuhören“, so de Perrot „Listening oder Deep Listening erfordert vom Publikum, das Unklare zuzulassen, wo es keine schnellen Bilder oder Antworten gibt. Gesellschaftlich neigen wir dazu, uns an vermeintliche Gewissheiten zu klammern. Zuhören und Erhören ermöglichen es, uns als Teilhabende eines größeren Systems zu erkennen.“
Mit „Unter uns“ beteiligt sich das EinTanzHaus an dem Partnernetzwerk 100 Jahre Neue Sachlichkeit. „De Perrot schafft einen ganz besonderen inszenierten Ort, der sich dem gemeinsamen Zuhören widmet. Eine Installation, die gerade in Zeiten von Polarisierung, mächtigen Bildern und lauten Demagogen auf das sinnliche Erleben und die gemeinsame Erfahrung setzt“, so die Leiterin des EinTanzHauses, Daria Holme. „Die 1925 durch eine Ausstellung in der Kunsthalle geprägte Epoche der Neuen Sachlichkeit galt unter anderem als Rückbesinnung auf die Welt des Sichtbaren. Eine krisenhafte Gegenwart verlangte nach neuen Bildern. 100 Jahre später stehen wir gesellschaftlich an einem Punkt der Geschichte, der viele Parallelen zu den 1920ern aufweist und doch ganz anders ist. Im Chaos der Informationen und Meinungen müssen wir das Zuhören wieder lernen. Dimitri de Perrot schafft mit “Unter uns„ einen außergewöhnlichen Erfahrungsraum des gemeinsamen Zuhörens mitten im Chaos der Zeit. Auch architektonisch ist “Unter uns„ eine besondere Erfahrung – vorallem im Kontrast des brutalistischen Sakralbaus aus Beton, in dem das EinTanzHaus beheimatet ist, zu de Perrots kugelförmigem Innenraum aus leichtem Ballonstoff, der an die Kugelbauten der 20er Jahre erinnert.“ hät/red
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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