Bülent Ceylan im Interview
„Die Sehnsucht nach dem normalen Leben“

Bülent Ceylan im Interview mit dem Wochenblatt: „Ich habe mein Publikum sehr vermisst“.  | Foto: Engelhardt
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Mannheim: Interview mit Bülent Ceylan. Das in wenigen Tagen zu Ende gehende Kalenderjahr hat unsere Welt verändert. Die Geisel Corona hat den geflügelten Worten „Global Player“ und „Nachhaltigkeit“, bislang so gerne und fast schon überstrapaziert gebrauchte Begriffe, eine schreckliche, ja fast unwirkliche neue unheilschwangere Bedeutung gegeben. Vieles ist nicht mehr, wie es war, niemand weiß genau, wie es wird. Impfstoff hin, Rettung her, ungewiss wann das alte und normale Leben, nach dem sich alle sehnen, (s)ein Comeback feiern wird.

von Peter Engelhardt

Der gegenwärtig zweite (harte) Lockdown ist nicht nur für die Wirtschaft eine harte Bewährungsprobe. Viele Bereiche sind betroffen, es geht für viele ums Überleben, last but not least auch für die Künstler- und Kulturszene. Auch Bülent Ceylan, seit Jahren ein Füllhorn des herrlichen Humors, zeigte sich in dem nachfolgenden Interview sehr ernst und nachdenklich.

???: Corona im Frühjahr und jetzt – wie beurteilen Sie diese unterschiedlichen Entwicklungen?

Bülent Ceylan: Diese Anspannung gerade jetzt in der unmittelbaren Vorweihnachtszeit ist sehr schade. Die Politik hätte möglicherweise früher reagieren müssen, dann wäre die Situation jetzt wohl etwas entspannter. Ein harter Lockdown schon im November, das wäre besser gewesen, so wie in China oder Australien. Aber es ist natürlich immer auch schwierig, da etwas zu sagen, da gerät man schnell ins falsche Fahrwasser. Man kann ja kritisieren, deshalb ist man längst noch kein Leugner.

???: Jetzt kommt bald der Impfstoff – ist er das Licht am Ende des Tunnels?

Ceylan: Grundsätzlich ist das großartig, aber es gibt auch Menschen, die Angst haben vor dem Impfen , nicht jeder will das. Man weiß noch zu wenig über die Folgeerscheinungen, das schürt Ängste. Viele hoffen und warten auf ein entsprechendes Medikament. Auch ich habe meine Ängste. Wir alle hoffen auf einen guten und wirkungsvollen Impfstoff. Klar ist, jeder möchte seine normales Leben zurückhaben, diese Sehnsucht ist riesengroß. Es ist eine große Geduldsprobe.

???: Wie ist es Ihnen als Künstler ergangen im Jahr 2020? Wie sehr hat Ihnen das Publikum gefehlt?

Ceylan: Absolut vermisse ich mein Publikum, ich habe das sogar psychologisch gemerkt und hatte zwischenzeitlich Rückenprobleme. Dieses Thema beschäftigt dich ja durchgehend, man kommt völlig aus seinem gewohnten Rhythmus. Es ist ja wie ein Berufsverbot. Durch meine Fernsehauftritte in der Musikshow „The Masked Singer“ war ich gut abgelenkt. Auch die Auftritte im Auto-Kino im Sommer waren ein ganz guter Ersatz, vor allem auch für meine Crew. Wir hatten immerhin 29 Auftritte von Mai bis Juli.

???: Wie beurteilen Sie die Arbeit der Politiker in der Corona-Krise und halten Sie die Unterstützung Ihres Berufszweiges für ausreichend?

Ceylan: Was die Kultur angeht, bin ich etwas kritisch, ich finde das war eher ungerecht. Der Staat muss alle unterstützen, das ist klar, aber wenn man eben mitbekommt, dass es große Konzerne gibt, manche zahlen nicht mal Steuern in Deutschland, die sehr viel Geld bekommen, dann haben es die Künstler vergleichsweise schwer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland und Europa das wirtschaftlich überstehen. Die ganze Welt muss lernen, damit umzugehen. Für die Politiker ist es zweifelsohne eine sehr schwere Aufgabe und ich möchte momentan mit keinem tauschen. Ich möchte nicht in dieser Verantwortung stehen. Es geht hier um die Gesundheit der Menschen, das ist eine große Aufgabe.

???: Schauen wir auf das Jahr 2021. Gibt es schon neue Ideen? Neue Shows und Figuren?

Ceylan: Mit Thor habe ich beim „Luschtobjekt“ eine neue Figur geschaffen, aber das neue Programm wurde ja auf „Eis gelegt“. Wahrscheinlich gibt es im Frühjahr einen Neustart, sozusagen „Luschtobjekt die Zweite“. Und dann hoffentlich alles ohne Corona. Auch kleinere Open-Air-Varianten sind geplant, das Ganze dann halt mit entsprechend Abstand. Man wird sehen.

???: Was macht Ihre Stiftung?

Ceylan: Die Stiftung läuft gut, es gab auch in diesem Jahr einiges an Spenden. Und jetzt war ja noch das Palazzo-Streaming. Das es stattgefunden hat, fand ich sehr gut. Da kommt hoffentlich auch noch mal einiges zusammen. Kinder, denen es schlecht geht, dürfen auch in Zeiten wie diesen nicht vernachlässigt werden. Die Mannheimer Runde unterstützt mich da nach wie vorher sehr gut.

???: Über was haben Sie sich 2020 besonders gefreut?

Ceylan: Auf jeden Fall darüber, dass ich zwangsläufig öfters zuhause war bei meiner Familie. Ich habe viel gearbeitet in den letzten Jahren und da hatte ich hin und wieder schon mal den Gedanken eine kreative Pause zu machen. Aber man ist eben zu sehr drin in der Arbeit. Es ist wie in einem Hamsterrad und man will dann auch dran bleiben. Eigentlich wollte ich wirklich mal Urlaub machen, dann kam das Virus, jetzt hat man Zwangsurlaub. Wichtig war für mich aber auch die Erkenntnis und Bestätigung, dass man zueinandersteht. Sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich. Das Rateteam bei Masked Singer war eine wirklich gute Truppe. Auch die Autokino-Auftritte waren großartig. Ob es diese so noch mal geben wird, ich weiß es nicht. Ich bin ein positiver Mensch und habe immer Hoffnung, aber ich denke so richtig locker wird es erst wieder 2022 oder 2023.

???: Glauben Sie die Menschen leben anders, bewusster, wenn alles mal vorbei ist?

Ceylan: Wir Menschen sollten generell mehr auf unsere Umwelt achten. Nicht soviel Wälder abholzen, die Natur einfach mal in Ruhe lassen. Das wäre schon mal ein großer Schritt, unsere Erde einfach besser zu behandeln. Sich bewusster ernähren, den Tieren nicht so sehr auf die Pelle rücken, dann gibt es auch weniger Chancen für neue Pandemien. Wir müssen aus dieser jüngsten Vergangenheit lernen. Das halte ich für ganz wichtig.

???: Was kommt bei Ceylans an den Feiertagen auf den Tisch und wie wichtig ist Silvester für Sie?

Ceylan: Meine Frau kommt aus dem Ruhrpott, bei uns gibt es rheinischen Sauerbraten und meine Mama ist auch dabei. An Silvester gibt es im kleinen Familienkreis ein Raclette. Ich bin kein großer Silvester-Freak. Ich brauche kein Geböller, die Menschen sollten dieses Geld lieber für gute Dinge ausgeben. Wer etwas für die Stiftung tut, der macht was wirklich Gutes.

???: Und was wünschen Sie sich ganz persönlich für 2021?

Ceylan: Dass ich meine Mutter und meine Freunde mal wieder in den Arm nehmen kann. pete

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Autor:

Peter Engelhardt aus Mannheim

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