Mannheimer Jazzmusiker Thomas Siffling im Interview
„Ganz große Solidarität“
Mannheim. Jazztrompeter, Musikproduzent, Kurator, Geschäftsführer des Jazzclubs „Ella & Louis“ – der Mannheimer Thomas Siffling (48) kann vieles und ist aus der Jazzszene in der Rhein-Neckar-Region und darüber hinaus nicht mehr wegzudenken. Im Interview mit dem „Wochenblatt“ schildert er, wie das „Ella & Louis“ der Corona-Pandemie trotzte, auf was er bei der Zusammenstellung eines Programms achtet und welches musikalische Projekt man von ihm als nächstes erwarten darf.
???: Fast zwei Jahre Corona und das „Ella & Louis“ gibt es immer noch. Hatten Sie manchmal Zweifel, ob sie es durch die Krise schaffen?
Ganz ehrlich, ich habe mir da gar keine Gedanken darüber gemacht. Nach dem ersten Schock sind wir in den Krisenmodus gefahren und ich habe für mich eigentlich relativ schnell entschieden, dass den Kopf in den Sand zu stecken, nicht in Frage kommt, und wir vielmehr Lösungen finden müssen, wie wir weitermachen.
???: Wie sah das aus?
Das fing damit an, dass wir allen Ticketinhabern Bescheid sagen mussten, dass jetzt nichts mehr stattfindet und dass sie ihr Ticket zurückgeben können. In der ersten Welle haben viele gesagt, nein, wir spenden das Ticket, behaltet euer Geld, ihr braucht das jetzt. Dann kam eine ganz große Solidarität von Leuten, die auch Geld gespendet haben. Wir sind ja eine gemeinnützige GmbH und können Spendenquittungen ausstellen. Die Spenden haben extrem geholfen. Finanziell sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Es gab die Novemberhilfe, Dezemberhilfe, Soforthilfe, das hat auf jeden Fall geholfen. Mir war aber viel wichtiger, zu sehen, was können wir tun, um den Kolleginnen und Kollegen zu helfen, was können wir tun, um Auftrittsmöglichkeiten zu generieren. Und da ist dann das erste Fenster aufgegangen durch Bastian Fiedler vom Rosengarten und die Firma Epicto. Sie haben uns das Material zur Verfügung gestellt, um Streamingkonzerte zu machen. Ohne das wäre es gar nicht gegangen.
???: Auf was haben Sie bei der Zusammenstellung des aktuellen Programms besonderen Wert gelegt?
Für mich muss das Programm eine Mischung sein aus allem. Da muss für den Jazzfan genau so etwas dabei sein wie für den Ab-und-zu-Jazzhörer. Wir verfolgen die Philosophie, dass wir ein breites Publikum ansprechen wollen, da muss man sorgfältig vorgehen, damit keiner verschreckt wird. Es geht in die Richtung, dass wir donnerstags einen reinen Jazz-Act haben und freitags Bands haben, die etwas massentauglicher sind. Nach wie vor haben wir eine Mischung internationalen, nationalen und regionalen Musikern. Es war uns immer wichtig, das wir die regionale Szene mitnehmen. Wir haben auch in dieser Spielzeit versucht, Internationalität einzustreuen, was aber immer noch schwierig ist, weil es wegen der Corona-Pandemie immer noch Regelungen gibt, die das Reisen schwierig machen.
???: Spielte bei der Zusammenstellung des Programms die Frauenquote eine Rolle?
Ich würde sagen, dass ich schon immer jemand war, der versucht hat, Frauen zu fördern, und sie im Klub zu präsentieren. Es ist aber nicht so, dass ich zwanghaft darüber nachdenke, dass der Anteil stimmt. Für mich zählt erstmal die Qualität. Man muss auch der Wahrheit ins Auge schauen, dass es einfach viel mehr männliche als weibliche Jazzmusiker gibt. Es ist gut, dass sich daran etwas ändert, aber im Moment ist der Status quo ungleichgewichtig.
???: Auf welche Konzerte freuen Sie sich besonders?
Im November haben wir zwei Premieren. Am 12. November kommt die Band Yellowjackets, das ist das erste Mal , dass wir einen richtigen großen Topact haben und Weltstarformat bei uns im Club präsentieren. Da freuen wir uns sehr drauf. Das muss auch letztlich das Ziel sein, dass wenn die großen Amis auf Tour gehen, sie auch bei uns im Ella & Louis einen Stopp machen wollen. Dann gibt es zum ersten Mal am 14. November einen Live-Podcast mit der Mannheimer Boxlegende Charly Graf und dem Sänger und Entertainer Marc Marschall aus Baden-Baden als Gästen. Da bin ich gespannt, wie das ankommt im Klub mit Publikum.
???: Was machen die eigenen Projekte, was kommt da als nächstes?
Ich hatte schon immer den Wunsch, auch als Sänger aufzutreten, habe mich das aber nie getraut. Mein aktueller Produzent und Freund Antonio Berardi hat mich da wirklich motiviert und gefördert und auch gefordert. Wir sind jetzt auch in den Endzügen der Produktion meiner Platte, die toll wird und nächstes Jahr erscheint mit mir als Sänger und Flügelhornspieler mit einer größeren Band.
Interview: Christian Gaier
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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