Mannheimer Wirtschaft und Handel in Coronavirus-Krise
Intelligente Lösungen gefordert
Von Christian Gaier
Mannheim. Nachdem die Bundesregierung die Verordnungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie aktualisiert hat, hoffen Wirtschaft und Einzelhandel auf intelligente Lösungen bei der Umsetzung auf Länderebene. Katastrophenstimmung herrscht dagegen weiterhin bei den Gastronomen.
„Gerade in der Metropolregion Rhein-Neckar erwarten wir, dass es bei den Regelungen im Vergleich zu den benachbarten Bundesländern keine Ungleichbehandlung geben wird“, sagte Dieter Schnabel, Präsident der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) bei einem Pressegespräch am Freitag, 17. April. Schnabel wünscht sich, dass in Baden-Württemberg ebenso wie in Rheinland-Pfalz die vom Bund festgelegte maximale Fläche als reine Netto-Verkaufsfläche und nicht als Geschäftsgröße interpretiert wird. Ebenso solle es möglich sein, dass größere Betriebe ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen, um früher eröffnen zu können. Zu dem sollten Betriebe, die einen wirksamen Infektionsschutzplan vorlegen, bei den Auslegungsvorschriften großzügig behandelt werden. Dass Betriebe mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche, die keine Ballungseffekte und keine Auswirkungen im Öffentlichen Personennahverkehr erzeugen, eine Betriebserlaubnis erhalten, ist eine weitere Forderung Schnabels.
Dort, wo der öffentliche Raum für befürchtete Ballungseffekte eine Rolle spiele, müsse die öffentliche Hand das Problem durch Aufklärung und Kontrollen lösen. Im öffentlichen Raum sei das Tragen von Masken zu empfehlen, im ÖPNV solle es Pflicht sein, so der IHK-Präsident. Er plädierte auch dafür, Shopping-Center wie das Stadtquartier Q 6 Q 7 zu öffnen, da es für diese technisch möglich sei, die Anzahl der Menschen innerhalb des Centers zu erfassen und damit auch zu regulieren. „Die Unternehmen wollen und sollen Verantwortung übernehmen. Jetzt erwarten wir smarte, intelligente Lösungen“, sagte Schnabel.
Frustrierte Gastronomen
Frustration und Existenzangst herrschen in der Gastronomie-Branche in der Region. „Ein Drittel unserer Betriebe steht vor dem Aus. Wenn die Politik nicht sofort handelt, rechnen wir mit vielen Firmenpleiten in unserer Branche“, sagte Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Baden-Württemberg. Die Entscheidungen der Politik in der vergangenen Woche nannte sie „ernüchternd und entmutigend“. Für die Betriebe und deren Mitarbeiter sei es nicht akzeptabel, dass die Politik den Gastronomen überhaupt keine Perspektive aufzeige. Sie vermisst Aussagen zur möglichen Lockerungen und Zusagen für weitere, dringend benötigte Hilfe. „Unsere Betriebe waren die ersten, die per Allgemeinverfügung geschlossen wurden. Wir bringen enorme Opfer und werden jetzt völlig im Unklaren gelassen, wie es für unsere Branche weitergehen soll“, sagte von Görtz. In Baden-Württemberg gibt es 30.000 Gastronomiebetriebe mit rund 235.000 Beschäftigten. Im Rhein-Neckar-Raum seien es rund 3000 Betriebe.
Wunsch nach konkreten Öffnungsperspektiven
„Wir freuen uns für all die Handelsunternehmen und deren Mitarbeiter, die jetzt ab dem 20. April 2020 eine ganz konkrete Öffnungsperspektive und neue Hoffnung bekommen haben. Für dieses Ziel haben wir als Organisation in den zurückliegenden Wochen hart gearbeitet und dieses Ziel haben wir erreicht“, sagte Swen Rubel, Geschäftsführer des Handelsverbandes Nordbaden. Nach seinen Angaben könnten ab Montag wieder 92 Prozent der Betriebe öffnen. Rubel gab allerdings zu bedenken, dass die 7,7 Prozent der Unternehmen mit mehr als 800 Quadratmeter Fläche 70 Prozent des Jahresumsatzes im Verband erzielten, aber weiterhin geschlossen bleiben müssten. Für diese Unternehmen und deren Mitarbeiter erwartet Rubel „mehr denn je eine schnelle Entschädigungszusage und konkrete Öffnungsperspektiven“. Zudem müsse schnellstmöglich umgesetzt werden, dass jedes Unternehmen, das ein effektives Infektionsschutzkonzept vorweisen könne, wieder öffnen dürfe, erst recht, wenn keine besonderen Infektionsrisiken bestehen, etwa weil große Menschenaufläufe nicht zu erwarten seien.
Späte Information großes Problem
In Mannheim bereiten sich die Geschäftsleute und Einzelhändler mit Hochdruck darauf vor, ihre Geschäfte ab Montag wieder öffnen zu können. „Ein Abfrage unter den 600 Geschäften in der Innenstadt habe ergeben, dass alle wieder aufmachen wollen“, berichtete Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim. 300 Geschäfte befinden sich in unmittelbarer Umgebung der Fußgängerzonen. Darunter sind 32 Betriebe mit einer Fläche von mehr als 800 Quadratmeter, die noch nicht wissen, ob und unter welchen Bedingungen sie geöffnet sein dürfen, sich aber dennoch darauf vorbereiteten. „Das Problem ist späte Information seitens der Politik“, bemängelten Pauels und Schnabel unisono. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen sei es möglich, dass die Landesregierung ihre Hygiene-Checkliste erst am Sonntag gegen 23.30 Uhr veröffentliche.
Sicher sei, dass viele Geschäfte nicht bis 20 Uhr abends geöffnet seien und auch nicht alle Geschäfte bereits ab Montag geöffnet seien. „Sehr gedrückt“ sei die Stimmung dagegen unter den 200 Gastronomiebetrieben in der Innenstadt, gab Pauels zu bedenken.
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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