Rückkehrer*innen - Zwischen Zwangsmaßnahme und einer neuen Perspektive

Ausweisung, Abschiebung oder freiwillige Heimkehr? Was erwartet Rückkehrer*innen in ihrer „Heimat“? Wie werden sie auf die Heimkehr vorbereitet? Kulturell sind sie sie verwurzelt, aber was ist mit der Sprache? Was ist mit dem sozialen Umfeld? Wie fühlen sie sich in diesem Prozess – Trauma oder Hoffnungsschimmer?

Im Rahmen einer Online-Veranstaltung der einander.Aktionstage 2020 und der Interkulturellen Woche wurde am 19. Oktober um 19 Uhr der Dokumentarfilm „Perspektive Heimat“ gezeigt – eine Kooperation des AWO Kreisverbands Mannheim e.V., des Caritasverbands Mannheim e.V. und des Diakonischen Werks Mannheim in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Stadtdekanat und dem Ökumenischen Bildungszentrum sanctclara. Moderiert wurde der Abend von Cara Schwab von der Migrationsberatung der AWO und Johanna Roth von der Rückkehrberatung der Caritas, die auch Einblicke in ihre eigene Arbeit gab. Im Anschluss an die Filmvorführung fand eine Diskussion statt und es wurde über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr informiert.


Perspektive Heimat – Ein Film über die Folgen von Abschiebungen

Immer wieder werden Menschen abgeschoben. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 waren es circa 4600 Menschen und damit weitaus weniger als die Jahre davor. Schuld daran waren die Reisebegrenzungen durch Covid-19. Aber wie ergeht es diesen Menschen nach ihrer Rückkehr? Wie kommen sie in ihren (vermeintlichen) Heimatländern zurecht? Teilweise haben sie diese Länder als Kinder verlassen. Fünf bis zehn Prozent der Rückkehrer*innen treten die Rückkehr in ihr Herkunftsland freiwillig an. Viele von ihnen stehen in einem Zwiespalt zwischen der Perspektivlosigkeit in Deutschland und dem Wunsch, dennoch weiter hier leben zu dürfen.

Der Dokumentarfilm „Perspektive Heimat“ zeigt Schicksale von unfreiwilligen – oder besser gesagt, abgeschobenen – Rückkehrer*innen. Drei Menschen und ihre Geschichte. Zurück in die alte Heimat Serbien. Wie können Sie dort Fuß fassen? Mit welchen Problemen sehen sie sich konfrontiert und wer unterstützt sie? Der Film dokumentiert ihren Alltag in Serbien und macht deutlich, wie schwierig das Leben der Menschen nach einer Abschiebung in ihr vermeintliches Heimatland ist.

Aleksandra, Vesna und Schain kamen aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland und mussten das Land aus ebenso unterschiedlichen Gründen wieder verlassen. Aleksandra wurde nachts von der Polizei abgeholt. Sie war über zwei Jahre in Deutschland. Mit einem Ausbildungsplatz. In Deutschland wollte sie ein freies Leben führen, weil sie in Belgrad aufgrund ihrer Homosexualität Ausgrenzung und Gewalt erleben musste. Vesna wurde in Wien geboren, kam mit 14 Jahren durch eine Zwangshochzeit mit ihrem Mann nach Deutschland. Eine Ehe geprägt von Drogen, Spielsucht und Gewalt. Im Gefängnis brachte sie ihren Sohn zur Welt. Nach ihrer Haft wurde sie nach Serbien abgeschoben. Schain kam als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland, um Arbeit zu finden. Nach über 40 Jahren schickte man ihn nach dem Tod der Mutter zurück nach Serbien. Er war zu oft straffällig. Jetzt lebt er in Serbiens einziger Notunterkunft für Rückkehrende in Bela Palanka.

Jelena Micovic ist Projektkoordinatorin in der Beratungsstelle für Rückkehrende der Caritas in Serbien und unterstützt Menschen wie Aleksandra, Vesna und Schain. Bei der Reintegration sieht sie zwei wesentliche Hürden: Die Bürokratie und die unzureichenden Sozialleistungen. Zwar kehren viele Menschen nach Serbien zurück, jedoch kommen sie nicht wirklich an – Serbien ist nicht mehr ihre Heimat.

Zwei Jahre nach dem Dreh: Die Caritas-Beratungsstelle in Serbien gibt es noch. Auch Jelena Micovic setzt sich nach wie vor engagiert für ihre Klient*innen vor Ort ein. Jedoch weiß man nicht, was mit Aleksandra, Vesna und Schain nach den Dreharbeiten passiert ist. Haben sie noch eine Perspektive in ihrer „Heimat“ gefunden?

Der Dokumentarfilm hinterließ bei den Teilnehmer*innen einen erschütternden Eindruck: Wie kann man ohne richtige Integrationsmöglichkeiten und ohne Perspektive abgeschoben werden? Menschen, denen es so ergeht, wirken wie fremde im eigenen Land. Frau Schwab fasst das mit den Worten „man würde es sich anders wünschen“ treffend zusammen. Frau Roth begleitet ihre Klient*innen oft noch Jahre nach ihrer Rückkehr und kennt diese traurigen Schicksale aus eigener Hand. Aber sie hat auch Positives zu berichten: Eine Klientin hat sich mithilfe ihrer Unterstützung einen Verkaufsstand für Kleidung finanzieren können und erwirbt dafür bei der Caritas Kleidung, die sie in ihrer Heimat weiterverkauft. Eine echte Erfolgsgeschichte der Rückkehrberatung und eine ganz neue Perspektive in der Heimat!

Die W-Fragen der Rückkehrberatung

Wer? Die Zielgruppe der Rückkehrberatung sind Drittstaatsangehörige mit und ohne Aufenthaltsberechtigung. Auch kümmert sie sich um die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Zu ihrer Zielgruppe zählen ebenfalls die Unionsbürger*innen.

Die Frage nach dem Wieso der Rückkehr wird oft gestellt. In über 90 Prozent der Fälle ist diese jedoch nicht freiwillig. Ein illegaler Status, Perspektivlosigkeit in Deutschland, familiäre Gründe, Lebensabend in der Heimat, Ausbildung oder Arbeit im Heimatland sowie der Verlust des Aufenthaltsrechts können zur Rückkehr führen.

Für Rückkehrer*innen, unabhängig davon ob die Rückkehr freiwillig geschieht oder nicht, ist es essenziell, die Beratungsangebote anzunehmen. Wie so eine Beratung von Statten geht, richtet sich nach der individuellen Situation: Ähnlich wie Jelena Micovic unterstützt Johanna Roth in der Metropolregion Rhein-Neckar Rückkehrer*innen. Sie und ihre Kolleg*innen informieren über Förderprogramme und die Perspektiven in den Herkunftsländern. Sie beantworten Fragen zur politischen und wirtschaftlichen Lage, planen mit ihren Klient*innen die Lebensumstände und informieren über Fördermaßnahmen wie REAG/GARP, ERRIN, GIZ und AMIF. Außerdem vermitteln sie sie an rückkehrvorbereitende Programme, unterstützen sie bei der Organisation in ihre Herkunftsländer und verweisen sie an Organisationen sowie NGOs in ihren Zielländern. Neben der Perspektivenberatung helfen die Berater*innen bei der Existenzgründung im „Heimatland“. Vorbereitung, finanzielle Unterstützung und Begleitung zählen weiterhin zu den Aufgaben der Rückkehrberatungsstellen.

Wann bekommen Rückkehrer*innen Fördermaßnahmen von den deutschen und europäischen Förderstellen? Sie erhalten die Unterstützung, wenn sie mittellos sind, keine Doppelförderung erhalten und ihr Aufenthaltsstatus sie dazu qualifiziert. Straftaten und Ausweisungen können zu einem Ausschluss von Fördermaßnahmen führen.

Rückkehrberatung Rhein-Neckar Plus

Bis Ende 2021 soll es in der Metropolregion Rhein-Neckar ein Netzwerk für Rückkehrberatung geben. Dieses Projekt wird durch den AMIF-Fond der Europäischen Union, des Landes Baden-Württemberg, der Kommunen und Kreise gefördert. Der Caritasverband Mannheim macht bei der Koordination der Rückkehrberatung Rhein-Neckar Plus den Anfang und kooperiert dabei mit dem Caritasverband Karlsruhe, dem Caritasverband Neckar-Odenwald und dem diakonischen Werk der evangelischen Kirche Heidelberg mit dem Rhein-Neckar-Kreis.

Betroffene können sich je nach Region informieren:

Mannheim

Neckar-Odenwald

Karlsruhe

Heidelberg mit Rhein-Neckar-Kreis

SOLWODI

Wie Vesna, werden zahlreiche Frauen in Deutschland und international von SOLWODI unterstützt und gefördert. SOLWODI oder Solidarity with women in distress nimmt sich Frauen in Not an. Die internationale Menschenrechts- und Hilfsorganisation hat ebenfalls eine eigene Rückkehrberatung.

Hier können sich Betroffene über die Hilfsangebote für Frauen informieren

Bildquellen

3585348: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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Autor:

Sylvia Löffler aus Mannheim

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