Tödliche Polizeischüsse in Mannheim: Einsatz wirft Fragen auf
Mannheim. Am Samstag, 23. Dezember 2023 wurde der 49-jährige Ertekin Ö. im Mannheimer Stadtteil Schönau bei einem Polizeieinsatz erschossen. Nach bisherigem Wissensstand war es so, dass Ertekin Ö. selbst den Notruf gewählt hatte, und sagte, es läge eine tote Person in der Wohnung. Als die Polizei vor Ort war, stand er mit einem Messer in der Hand auf der Straße. Die Polizei forderte ihn auf, das Messer wegzulegen. Als er dieser Aufforderung nicht nachkam und auf die Polizisten zuging, schossen diese vier mal auf Ertekin Ö., woran dieser verstarb. (Hier geht es zur Polizeimeldung.)
Augenzeugen-Videos
Nach der Tat wurden mehrere Videos veröffentlicht, auf denen der Vorfall zu sehen ist. Der Mann läuft mit nacktem Oberkörper und einem Messer in der Hand langsam und ziellos auf der Straße umher. Ihm gegenüber stehen*innen Polizist*innen mit gezogenen Schusswaffen, erst vier, dann drei. Immer mehr Polizeiautos treffen ein, weitere Polizist*innen sind vor Ort. Die Polizist*innen versuchen, die Menschen vor Ort aus dem Bereich fern zu halten. Man hört Rufe „Bleib stehen“ und „Messer weg“. Der Mann läuft weiter hin und her, kniet sich zwischendurch hin, steht wieder auf. Dann geht er zwei Schritte in Richtung der drei Polizist*innen. Plötzlich fallen kurz hintereinander vier Schüsse. Der Mann sackt zusammen. Polizist*innen fesseln den schwer verletzten Mann, der am Boden liegt.
Kritik am Polizeieinsatz
Nach der Veröffentlichung der Videos wurde Kritik am Polizeieinsatz laut. In den sozialen Medien wird diskutiert. Viele Fragen werden gestellt: Gab es kein milderes Mittel, um die Gefahr abzuwenden? Warum wurde kein Pfefferspray eingesetzt? Warum wurde geschossen, obwohl kein Angriff erfolgte? Warum wurde vier Mal geschossen? Warum durften Familienmitglieder nicht mit Ertekin Ö. sprechen, um die Situation zu entschärfen? Warum wurde kein Sozialpsychologe dazu geholt?
Mahnwache und Kundgebung
Am Mittwoch, 27. Dezember fand eine Mahnwache mit hunderten Personen statt. Am Tatort in der Johann-Schütte-Straße wurden Kerzen und Blumen niedergelegt. Eine Sprecherin der Initiative 2. Mai äußerte ihr Bestürzen, dass nach den Ereignissen vom 2. Mai 2022 schon wieder ein Mensch sterben musste. Die Initiative hatte sich gegründet, nachdem am 2. Mai 2022 auf dem Marktplatz ein psychisch Kranker nach einem Polizeieinsatz starb. Die beiden damals beteiligten Polizisten stehen ab 12. Januar 2024 dafür vor Gericht.
Auch zu einer Kundgebung „gegen Polizeigewalt und im Gedenken an Ertekin!“ hatte die Initiative 2. Mai aufgerufen. Diese fand am Samstag, 30. Dezember 2023, um 15 Uhr statt. Zum Versammlungsort am Plankenkopf waren rund 200 bis 300 Personen gekommen. Im Namen der Nachbarschaft und als Freund der Familie sprach Emrah Durkal. Sie seien immer noch schockiert, dass vier Mal auf einen hilfsbedürftigen, psychisch kranken Menschen geschossen wurde. LI.PAR.Tie-Fraktionschef Dennis Ulas bedauert in seiner Ansprache, dass Angehörige und Nachbarn von der Polizei daran gehindert wurden, den Mann zu beruhigen. Zum Ende der Kundgebung weist Durkal darauf hin, dass die Beerdigung am Dienstag um 13 Uhr auf dem muslimischen Gräberfeld des Hauptfriedhofs stattfinde. Die Familie wünsche sich eine große öffentliche Teilnahme.
Spendenaufruf
Der Verein "Mannheim sagt Ja! e.V." sammelt Spenden für die Beisetzung des 49-Jährigen, um die Familie finanziell etwas zu entlasten. Die Spendenmöglichkeiten (Überweisung oder Paypal) findet man online unter https://www.masagtja.de. bas
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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