Wenn einer eine Reise tut
Wie ich den "Ring" in Korea neu lieben lernte

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Mit dem Nationaltheater war ich in Daegu, Südkorea, auf Gastspiel, mit dem „Ring des Nibelungen“. Siegfried Mime kenne ich durch diverse Produktionen nun recht gut und meine Begeisterung für 13 Stunden Flug „Holzklasse“, mit anschließender mehrstündiger Busfahrt nach Daegu, hieltt sich in Grenzen. Aber da ist natürlich auch Neugier auf ein noch nicht bereistes Land.

Jetlag will überwunden werden, ein Euro ist ca.1378 Won wert, unsere wunderbaren koreanischen Freunde im Ensemble helfen geduldigst bei allen Fragen, die Kenntnis der englischen Sprache ist meist nutzlos, Schälchenfabrikanten haben sicher immer Hochkonjunktur, da diese in großer Zahl bei jedem Essen auf dem Tisch landen, im Zug ist es still, Taxis sind günstig, auf den Straßen fühle ich mich sicher, in den Tempelanlagen demütig und wir begegnen hilfsbereiten Menschen.

Mit den KollegInnen, Stücknamen Siegfried, Wanderer, Gunther und Brühnhilde, gehe ich durch die Straßen von Daegu, auf der Suche nach einem Restaurant.
Wir werden angesprochen, woher wir kämen. Der Fragende, ja, solche Zufälle gibt es, entpuppt sich als leidenschaftlicher Wagner-Fan, der schon Karten für alle Vorstellungen gekauft hat und der sich nicht abringen lässt, uns in sein Restaurant einzuladen, vor dem wir stehen. Mich fasziniert die Faszination dieses Mannes aus einem anderen Kulturkreis für ein urdeutsches Werk. Das obligatorische Selfie mit den jeweiligen Darstellern ziert wahrscheinlich jetzt sein Restaurant.

Nachmittags sitze ich auf der Terrasse unseres Hotels mit Blick über den Fluss Nakdong und studiere meinen Klavierauszug. Vom nahe gelegenen Flughafen steigen nicht enden wollend Militärflugzeuge auf. Die Assoziation zu Tom Cruise in "Top Gun" erscheint unweigerlich, als die Jets ihre Übungen vollziehen: Von links nahend, laut, senkrecht in den Himmel aufsteigend, bis die Wolken sie verschlingen - irgendwo eine Schleife fliegend, das gleiche von vorn.

Kampfjets in dieser Präsenz repräsentieren für mich Tagesschaubilder aus anderen Gegenden der Erde oder aus Filmen. Wie naiv - mit 58. Die Bedrohung wirkt in Korea real, durch den kleinen Mann im Norden, aber auch in Käfertal empfinde ich seit 2022 durch die nähergerückten politischen Realitäten eine so noch nicht gefühlte Angst und hoffe darauf, dass unsere Mächtigen wissen, wie mit Macht umzugehen ist.

Abends probe ich dann ein Stück, das von Macht und Liebesentzug erzählt. Ich spiele einen kleinen Mann, vergleichbar mit Gollum in „Herr der Ringe“ ...my precious, my preciuos...

Unsere Vorstellungen werden umjubelt. Handys werden erleuchtet, beim Schlussapplaus geschwungen - nach wie vor scheint das NTM künstlerisch die Menschen begeistern zu können: Wegen der Thematik, der Stimmen, des Orchesterklangs oder einfach wegen eines schönen Abends außerhalb der eigenen Wohnung? Jede/r wird mit Musik und Theater ein eigenes Erlebnis verbinden. Wir waren gute Botschafter, so mein Eindruck.
Mit vielen Impressionen  beschenkt trete ich den Heimweg an und frage mich umso sehnsüchtiger, wann uns eine Spielstätte in Mannheim wieder solche Erlebnisse beschert.

Ich wurde düsenlaut mit politischen Realitäten eines geteilten Landes konfrontiert, habe mich gefreut, unsere Kolleginnen und Kollegen neu kennenzulernen, weiß jetzt, dass man Soju auch mit Bier mischt und wurde erinnert, dass das Darstellen des Mime kein hervorholen eines Museal-Reliktes ist.
Ich habe den „Ring“ neu lieben gelernt.

Uwe Eikötter ist seit 1999 Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim

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Autor:

Uwe Eikötter aus Mannheim

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