Hofserenade des Neustadter Sinfonieorchesters
Virtuoses Cello
Von Markus Pacher
Neustadt. Werke von Franz Schubert, Peter Tschaikowsky und Juan Chrisostomo de Arriaga stehen am Sonntag, 16. Juni, 18 Uhr, bei der traditionellen Hofserenade des Neustadter Sinfonieorchesters unter der Leitung von Jürgen Weisser im Innenhof des Rathauses auf dem Programm. Bei schlechtem Wetter wird das Konzert in die Stiftskirche verlegt.
Für die Aufführung der Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester A-Dur op. 33 von Tschaikowsky konnte als Solistin die 20-jährige, aus Heilbronn stammende Cellistin Adriana Schubert gewonnen werden. Die mehrfache Bundespreisträgerin beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ studiert seit dem Wintersemester 2017/2018 an der Musikhochschule Leipzig und wird in den berühmten Variationen ihr herausragendes spieltechnisches und musikalisches Können unter Beweis stellen. Das Werk gilt als Prüfstein eines jeden Solisten: Der Cellist dringt dabei unter Ausnutzung des großen Tonumfangs des Instruments in höchste Höhen vor. Poesievolle Eleganz, noble Klangkultur, Spielwitz und schwindelerregende Rasanz gehen hier eine faszinierende Verbindung ein.
Einen „italienischen“ Schubert erlebt das Publikum in dessen Ouvertüre im italienischen Stil. Initialzündung für die Schaffung des Werks war einer Wette mit Freunden: Schubert wohnte einer Aufführung von Rossinis Oper „Tancredi“ bei, deren Ouvertüre von seinen Freunden über alle Maßen gelobt wurde. Schubert versprach, es dem italinischen Starkomponist gleich zu tun und schuf in kürzester Zeit eine Ouvertüre im ähnlichen Stil.
Einen „spanischen Mozart“ stellt das Neustadter Sinfonieorchester in der zweiten Programmhälfte mit der Sinfonie D-Dur von Juan Chrisostomo de Arriaga vor. Aufgrund seines frühen Todes – er starb bereits mit 19 Jahren an Tuberkulose – geriet der 1806 geborene Baske zunächst in Vergessenheit, bevor er mit dem Aufleben des spanischen Nationalismus Ende des 19. Jahrhunderts wieder „ausgegraben“ wurde. Seine Musiksprache erinnert an Mozart, jedoch lässt sich seine spanische Herlkunft aufgrund der Anklängne an den spanischen Tanz Fandangos und die Melodik Andalusiens nicht verleugnen.
Karten
Karten können per E-Mail über post@neustadter-musikfreunde.de bestellt werden oder im Vorverkauf bei der Neustadter Bücherstube, Telefon 006321 2235, erworben werden.
Programm
Franz Schubert (1797 - 1828): Ouvertüre im italienischen Stile, D-Dur, D 590 (1817)
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Peter Tschaikowsky (1840 – 1893): Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester, op. 33
Adriana Schubert, Violoncello
- Pause -
Juan Crisóstomo de Arriaga (1706 – 1826): Symphonia in D („Sinfonia a gran orquesta“)
I Adagio – Allegro – Presto
II Andante
III Minuetto – Allegro
IV Allegro con moto
Sinfonieorchester Neustadt
Leitung: Jürgen Weisser
Der „italienische“ Schubert
Laut Heinrich Kreißle, Schuberts erstem Biograph, geht die Entstehung der beiden 1817 von Schubert komponierten Ouvertüren „im italienischen Stile“ auf eine Wette zurück. Schubert besuchte damals eine Aufführung von Rossinis Oper „Tancredi“, deren Ouvertüre von seinen Freunde über alle Maßen gelobt wurde, was Schubert nach dem Motto „Das kann ich auch!“ zum Widerspruch reizte. Er versprach, innerhalb kürzester Zeit eine Ouvertüre im ähnlichen Stil zu komponieren. Als Gegenleistung boten ihm der Anekdote zufolge seine Freunde als Belohnung ein Glas guten Weins.
Die Uraufführung der beiden Ouvertüren fand im Jahre 1818 im Gasthof „Zum Römischen Kaiser“ in Wien statt. Erstmals erlebte der Liederfürst breite Beachtung sowie die Anerkennung der gefürchteten Wiener Musikkritiker. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Schubert, der zeitlebens als Opernkomponist erfolglos blieb, immerhin schon zehn Ouvertüren verfasst. Anders als seine Symphonien und Lieder fristen seine Ouvertüren heute mit wenigen Ausnahmen, und dazu zählen die zwei „italienischen“, ein Schattendasein.
Bevor das Rossini-Italien-Belcanto-Fieber in Wien endgültig ausbrach, hatte Schubert mit den typischen Elementen des Nachbarlandes bereits experimentiert. So greift zum Beispiel die 2. Sinfonie den Ouvertüren-Stil und vor allem die hellen Holzbläserfarben italienischer Vorbilder auf.
Die Ouvertüre beginnt mit einem düsteren, Unheil verheißenden Adagio in absteigender Melodik. Einen scharfen Kontrast dazu bildet das folgende liebliche Thema. Mit einer leichten und munteren Melodie beginnt das anschließende Allegro. Hörbar italienisch geht“s allerdings erst im mittleren Teil des Satzes zur Sache, wenn Schubert ziemlich unverfroren Rossinis Oper „Tancredi“, genauer gesagt die Arie „Di tanti palpiti“ daraus, zitiert. Zum Abschluss wird das Hauptthema wieder aufgenommen, bevor das Orchester zum großartigen Finale ansetzt.
Der „österreichische“ Tschaikowsky
Tschaikowsky liebte den Stil des 18. Jahrhunderts, allen voran die Werke Mozarts, den er glühend verehrte. Seine Orchestersuiten mit ihren wunderbar tänzerisch anmutenden Melodien, allen voran die unter dem Namen „Mozartiana“ firmierende vierte, tragen dem Rechnung. Gleiches gilt für seine berühmten „Variationen über ein Rokoko-Thema“ für Cello und Orchester. Das virtuose Paradestück ist dem deutschen Cello-Virtuosen Wilhelm Fitzenhagen, der gemeinsam mit Tschaikowsky als Professor am Moskauer Konservatorium lehrte, gewidmet. Fitzenhagen nahm vor der Moskauer Uraufführung im Jahre 1876, die er selbst unter der Leitung von Nikolai Rubinstein spielte, erhebliche Änderungen unter anderem in der Reihenfolge vor und sonderte eine Variation ganz aus. In dieser modifizierten Form, die Tschaikowsky nach anfänglichem Protest sanktionierte, wurden die Variationen 1889 auch veröffentlicht und bis in die Gegenwart häufig gespielt.
Die Variationen basieren auf einem galanten, historisch anmutenden Thema, dessen großes harmonisches Potential von Tschaikowsky in sehr eigenwilliger Weise genutzt wird. Der Cellist dringt dabei unter Ausnutzung des großen Tonumfangs des Instruments in höchste Höhen vor – ein Prüfstein für jeden Cellisten: Poesievolle Eleganz, noble Klangkultur, Spielwitz und schwindelerregende Rasanz gehen hier eine faszinierende Verbindung ein.
Zwar erinnert das Werk an Mozart, ist aber gleichzeitig in seiner musikalischen Sprache ein typisches Werk Tschaikowskys. In den ersten beiden Variationen trägt das Soloinstrument das Thema vor, das in der Folge abwechslungsreich variiert wird. Die dritte Variation wird von Holzbläsern umrankt, die vierte kommt tänzerisch daher. In der fünften Variation meldet sich die Flöte zu Wort und „klaut“ das Thema vom Cello, das zum Ende eine große Kadenz zelebriert. Die sechste Variation ist eine ausdrucksvolle, vom Pizzikato der Streicher begleitete Romanze. Mit einem wirbelnden Allegro klingen die Rokoko-Variationen aus.
Der „spanische Mozart“
Eine Verbindung zu Mozart besteht auch bei Juan Crisóstomo de Arriaga, der von der Musikgeschichtsschreibung gerne als „Spanischer Mozart“ bezeichnet wird. Aufgrund seines frühen Todes – er starb bereits mit 19 Jahren an Tuberkulose – geriet der 1806 geborene Baske zunächst in Vergessenheit, bevor er mit dem Aufleben des spanischen Nationalismus„ Ende des 19. Jahrhunderts wieder „ausgegraben“ wurde. Ungeachtet seines vorzeitigen Ablebens hinterließ das frühzeitig zum Musikgenie gereifte Wunderkind eine ansehnliche Zahl an Kompositionen, darunter drei Streichquartette, verschiedene Kammer- und Kirchenmusiken und als einzige größere Orchestermusik seine im Alter von 17 Jahren komponierte „Sinfonia a gran orquesta“ in D-Dur. Wie seine anderen Werke steht die Symphonie ganz in der Tradition der Wiener Schule um Haydn, Mozart und Beethoven. Trotz seines jungen Alters und der Anlehnung an die großen Vorbilder fand er zu einem persönlichen Stil, der sich vor allem durch Eleganz und Leichtigkeit auszeichnet – ein ideales Repertoirestück also für Freiluft-Serenaden, zumal bei aller formalen Strenge immer eine unüberhörbare Portion spanisches Temperament mitschwingt.
Die Symphonie in D-Dur entstand während seiner Zeit im Konservatorium und wurde vermutlich dort auch aufgeführt. Der 1. Satz ist ein lebhaftes, mit einer langen und langsamen Introduktion eingeleitetes Allegro. Die Einleitung erinnert mit ihren kühnen harmonischen Wendungen und bedrohlich pochenden Streicherklängen an typische Expositionen der sogenannten „Sturm- und Drang-Zeit“. Eine wunderschöne, gemächlich dahinschreitende Melodik entfaltet Arriaga im 2. Satz. Rhythmisch raffiniert komponiert ist das anschließende Menuett mit seinen frechen Synkopen zum Auftakt und dem zwischen Tutti und Soli alternierenden Trio mit seinem herrlich verträumten Flöteneinsatz. Im abschließenden „Allegro con moto“ knüpft Arriaga an die stürmische Grundstimmung des Eröffnungssatzes an. Ein wenig erinnert die klopfende Begleitung und das nervös und gleichzeitig energisch vorantreibende Hauptthema an Mozarts 40. Symphonie, womit die Charakterisierung „Spanischer Mozart“ einmal mehr sinnfällig wird. Andere dagegen, wie der spanische Musikschriftsteller Alan Pedigo, entdecken darin den Rhythmus des Fandangos und die Melodik Andalusiens.
Die Solistin
Adriana Schubert, geboren 1998, erhielt ihren ersten Cellounterricht im Alter von sechs Jahren in ihrer Heimatstadt Heilbronn. Von 2012 bis 2017 war sie Schülerin von Lisa Neßling in den Musikschulen Stuttgart und Filderstadt. Zum Wintersemester 2017/2018 hat sie ihr Bachelor Studium bei Prof. Peter Bruns an der Musikhochschule Leipzig begonnen.
Adriana ist mehrfache erste Bundespreisträgerin beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ sowohl in der Kategorie „Violoncello Solo“, als auch mit verschiedenen Kammermusik-Ensembles. Zudem wurde sie mehrfach mit dem Sparkassen Förderpreis Baden-Württemberg und dem Förderpreis für Musik der Otto-Rombach-Stiftung Heilbronn ausgezeichnet. 2013 und 2016 wurde ihr der Förderpreis Neue Musik Heilbronn verliehen, sowie 2016 der Sonderpreis der Berthold–Hummel Stiftung. Weitere künstlerische Impulse erhielt sie bei Meisterkursen von Stephan Forck, Peter Bruns, Maria Kliegel, Wen-Sinn Yang und Jakob Spahn.
Als Solistin spielte Adriana Schubert mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn und dem Jungen Kammerorchester Stuttgart unter Leitung von Ruben Gazarian, sowie mit dem Heilbronner Sinfonierorchester unter Leitung von Peter Braschkat und Alois Seidlmeier sowie mit dem Chiemgau Orchester Prien unter Leitung von Matthias Linke.
Der Dirigent
Jürgen Weisser studierte Fagott, Komposition, Klavier und Kirchen¬mu¬sik in seiner Heimatstadt Mannheim, Schulmusik und Politische Wissen¬schaften in Heidelberg, sowie Dirigieren und Komposition in Detmold. </td><td>
Nach ersten Kompositionspreisen und Engagements als Pianist am Nationaltheater Mannheim, der Nordwestdeutschen Philharmonie und am Aalto-Theater Essen war er seit der Spielzeit 1988/89 als Kapellmeister am Oldenburgischen Staatstheater engagiert. Er ist seit der Spielzeit 2005/06 Künstlerischer Leiter des Kammerorchesters der Mann¬heimer Abendakademie, seit der Spielzeit 2008/09 ständiger Gastdirigent der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg und seit der Spielzeit 2010/11 musikalischer Leiter des Sinfonieorchesters Neustadt. Seit dem FSS 2015 leitet er zudem den Universitätschor Mannheim.</td><td>
Jürgen Weisser stand bisher nicht nur am Pult von über 40 verschiedenen Orchestern, sondern hat auch mit zahlreichen Laien-, Studenten- und Profi¬chören gearbeitet. Seine Musiktheaterstücke für Kinder, die er mit dem Textautor Eberhard Streul erstellte, wurden inzwischen an über 100 Theatern im In- und Ausland aufgeführt.</td><td>
Das Orchester
Das Sinfonieorchester Neustadt ging aus dem 1955 von Gerhard Schlimbach gegründeten Neustadter Instrumentalkreis hervor. Nach Herwig Maurer, Jörg Sebastian Schmidt, Holger Best und Christine Wiegräbe übernahm im August 2010 Jürgen Weisser die Leitung. Weitere Informationen über das Neustadter Sinfonieorchester erhalten Sie unter www.neustadter-musikfreunde.de. pac
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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