Sprechende Steine im Felsenmeer
Geologie des Pfälzerwalds - Exkursion mit Gerlinde Pfirrmann
Maikammer.Wie versteinerte Dünen erhebt sich das Felsenmeer bei der Kalmit über die Rheinebene. Dort, wo die Berge am höchsten sind, am Haardtrand bei Maikammer, begeben wir uns auf eine spannende Exkursion mit Gerlinde Pfirrmann. Hauptberuflich arbeitet sie als Sportlehrerin, aber ihre große Leidenschaft gilt dem Pfälzerwald, insbesondere seiner Geologie. Gerlinde Pfirrmann hat 2007 eine Ausbildung zur Natur- und Landschaftsführerin gemacht und zählt seit 2015 zu den zertifizierte Biosphären-Guides. Wer einmal mit ihr durch den Pfälzerwald gestreift ist, wird bei seinen künftigen Wanderausflügen die Umgebung mit völlig neuen Augen wahrnehmen.
Von Markus Pacher
Wie andere Menschen eine Seite aus einem Buch, liest Gerlinde Pfirrmann aus den Steinen, kann genau erklären, wie tektonische Bewegungen, Naturereignisse und die Erosion das Gesicht des Steins geformt haben. Und räumt gleich zu Beginn unserer Exkursion mit zwei weit verbreiteten Irrtümern auf: Nein, der Pfälzerwald war niemals vergletschert und zur Zeit seiner Entstehung gab es auch kein Meer, sondern ganz im Gegenteil eine Wüste. Dennoch formten Wind, Wasser und Frost jene bizarren Felslandschaften, wie man ihnen vor allem im Wasgau häufig begegnet.
Miteinander von Mensch und Biosphäre
Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen: Was bedeutet das eigentlich, wollen wir von Gerlinde Pfirrmann wissen. „Dabei handelt es ich um ein Modellkonzept der Unesco mit dem Ziel, bestimmte Landschaftstypen herauszufiltern und zu erhalten. Im Mittelpunkt des Konzepts steht nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch und die von ihm geschaffenen Kulturlandschaften“, erläutert sie. Es geht also um ein funktionierendes Miteinander von Mensch und Biosphäre. Mit seinen Wald- und Ackerlandschaften, seinen uralten Burgen und seinen wunderschönen Sandsteingebilden scheint der Pfälzerwald also geradezu prädestiniert für das 1992 gegründete Projekt „Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen“.
Kernzone, Pflegezone, Entwicklungszone
Unterschieden wird zwischen drei Zonen: Die Kernzonen, die drei Prozent der Fläche ausmachen, die Pflegezone (27 %) und die Entwicklungszone (70 %). „Bis zum heutigen Tag hat es gedauert, bis man die Vorgabe von mindestens drei Prozent für die Kernzone erreicht hat“, erläutert Gerlinde Pfirrmann und zeigt uns die Pfälzerwaldkarte mit ihren kleinen rot- bzw. blaumarkierten Inseln, die sich über das gesamte Gebiet verteilen und in deren Kernzonen sich die Natur völlig selbst überlassen bleibt und keinerlei menschliche Eingriffe erlaubt sind – einmal ganz abgesehen von einer 35-jährigen Übergangsphase, wo der Forst lediglich „reduziert“ eingreift, wie unsere Guide ausdrücklich betont.
Erhalt der Biodiversität
Während die Kernzonen wissenschaftlich begleitet werden, geht es in den Pflegezonen vor allem um den Erhalt der Biodiversität von Flora und Fauna. Wie zum Beispiel um den Schutz der Kiefern- und Kastanienbaumbestände entlang des Haardtrandes. Oder um die erfolgreiche Wiederansiedlung von Lachs und Bachforelle oder um den Schutz der Wildkatze oder dem seit ein paar Jahren wieder heimisch gewordenen Luchs.
Rheingraben platzt der Kragen
Aber zurück zur Geologie des Pfälzerwaldes, dem Spezialgebiet von Gerlinde Pfirrmann. Das Felsenmeer ist ein typisches Relikt jener erdgeschichtlichen Periode, die als Bundsandsteinalter bezeichnet wird und vor 248 Millionen Jahren entstand. Damals ist dem Rheingraben irgendwann sprichwörtlich der Kragen geplatzt, nachdem im Zuge seiner Verbreiterung die Erdkruste immer dünner und damit labiler geworden ist (sogenannte Dehnungszone) und sich an seiner Abbruchkante Randschollen, Grabenschollen und Zwischenschollen bildeten. Die höchsten Erhebungen entstanden naturgemäß am Grabenrand, bestes Beispiel dafür ist die stattliche, 673 Meter messende Kalmit, auf die wir uns vom an der Totenkopf-Passstraße gelegenen Parkplatz Hüttenhohl über das sagenhafte Felsenmeer zubewegen. Wie ein Riff recken sich die zerklüfteten Felsenplatten in Reih und Glied gen Rheinebene und wer die Sandsteinstrukturen unter fachlicher Anleitung genauer betrachtet, wundert sich über die Vielfalt ihrer Erscheinungsformen: Sanduhren und Löcher, die wie ein Netz von Bienenwaben den Fels überziehen, horizontale, parallel verlaufende Rillen, dazwischen riesige Felsspalten und Steinbrocken, die wie von Riesenhand gewürfelt, das Plateau überdecken – eine Urlandschaft, geformt von Wind, Wasser, Frost und tektonischen Bewegungen.
Sagenhafter Kugelfels
Mit einem geologischen Paukenschlag beendet Gerlinde Pfirrmann ihre dreistündige Exkursion: Zu den spektakulärsten Verwitterungsformen des Pfälzerwalds zählt der unterhalb des Felsenmeers befindliche Kugelfelsen. Die grotesk anmutende Felsenformation mit ihren runden Löchern, in deren Vertiefungen Kugeln lagern, wirkt wie eine riesige, von Menschenhand geschaffene Steinskulptur – wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und bedanken uns bei Gerlinde Pfirrmann für die wunderbaren Einblicke in eine bis dato unbekannte Welt.
Kontakt
Die Biosphären-Guides im Pfälzerwald sind zertifizierte Natur- und Landschaftsführer:innen (ZNL), die sich zusätzlich zum Biosphären-Guide weitergebildet . Sie sind Expert:innen für die Region, haben fundierte Kenntnisse zur heimischen Pflanzen, Tieren und zur Geologie des Pfälzerwaldes und sind geschult, Angebote für verschiedenste Zielgruppen zu erstellen und durchzuführen.
Weitere Infos und Kontakt: Antje van Look, Telefon 06325 1800241, www.pfaelzerwald.de/biosphaeren-guides/
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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