Gemeinsam Opfern helfen
„Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November

In den vergangenen Jahren hat sich der Zonta Club Neustadt immer wieder an den Aktiontagen „Gegen Gewalt an Frauen“ beteiligt und die Bevölkerung für das virulente Thema sensibilisiert. | Foto: Markus Pacher
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  • In den vergangenen Jahren hat sich der Zonta Club Neustadt immer wieder an den Aktiontagen „Gegen Gewalt an Frauen“ beteiligt und die Bevölkerung für das virulente Thema sensibilisiert.
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Neustadt.Die Zahlen sind alarmierend: Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau an den Folgen einer Gewaltanwendung durch einen Mann. Der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November - auch „Orange Day“ genannt - möchte ein Zeichen zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen setzen. In Neustadt beteiligen sich unter anderem der Zonta-Club, das Frauenzentrum und die Willkomm an dem Aktionstag.

Von Markus Pacher

Erst vor wenigen Tagen informierte die Polizeiinspektion Edenkoben über eine Gewalttat, die sich in Maikammer abspielte. Am Vorabend des 16. Novembers wurde eine Frau vom Ehemann mehrfach ins Gesicht geschlagen. Als die Tochter zur Hilfe kommen wollte, habe der Mann dann auch sie noch mehrmals geohrfeigt. Der Mann erhielt eine Verfügung, woraufhin er das gemeinsame Anwesen verlassen musste und ein Strafverfahren eingeleitet wurde. „Gewalt in Beziehungen sollten nicht privat bleiben. Darüber zu sprechen, ist für viele ein Tabu. Sollte jemand Gewalt in einer Beziehung erleben, bitte sofort die Polizei informieren“, rät die Polizeiinspektion Edenkoben.
Gewaltdelikte gegen Frauen sind auch das Hauptthema der Hilfsorganisation WEISSER RING. „Bei zwei Dritteln aller Fälle mit dem unsere Außenstelle Neustadt konfrontiert wird, handelt es ich um Frauen, die nach einer Bedrohung durch ihren Partner oder Ex-Partner zum Telefon greifen und bei uns um Hilfe bitten“, berichtet der sich ehrenamtlich für den Verein engagierende ehemalige Polizeibeamte Heinz Hussy.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt in engen sozialen Beziehungen“ ist zwar längst kein Tabu-Thema mehr, die ungebrochene Häufigkeit der Fälle zwingt jedoch die Gesellschaft, mit der Aufklärungsarbeit nicht locker zu lassen und den betroffenen Frauen, Mut zuzusprechen, darüber zu reden - auch wenn die Situation manchmal aussichtslos erscheint. So erinnert sich Hussy an einen Fall, wo die Staatsanwalt und Behörden sich ohnmächtig zeigten, nach einem Näherungsverbot den Mann von der Wohnung seines Opfers fernzuhalten. Meist ist es das Opfer selbst, welches die Einhaltung des Näherungsgverbots kontrolliert. „Oftmals bleibt ihr nur noch der Auszug in eine weit vom alten Heim entfernten neuen Wohnung“, berichtet Hussy und erzählt die Geschichte einer Frau, deren gewaltbereiter Ex-Partner nach dem Verweis aus der gemeinsamen Wohnung immer wieder in diese eingebrochen ist, um sein Opfer zu tyrannisieren. „Bis die Anklage erfolgt, dauert es mindestens ein halbes Jahr“, kritisiert Hussy. „Bezüglich der Opfer wird nichts zu Ende gedacht. Der WEISSE RING möchte deshalb auch auf rechtlicher und politischer Ebene für die Opfer eintreten“.
Im Kampf gegen Gewalt an Frauen hat der WEISSE RING jüngst eine App entwickelt, die es den Opfern von Stalking erleichtert, Vorkommnisse zu dokumentieren. Auf dem Smartphone ist die No-Stalk-App jederzeit in greifbarer Nähe. Je nach Situation können gestalkte Personen mit nur einem Klick Video- oder Sprachaufnahmen starten oder einen Text erstellen und ihn mit einem persönlichen Kommentar mit Angaben zu Zeit, Ort und Zeugen versehen. Die dokumentierten Stalking-Fälle werden im Smartphone sofort verschlüsselt und in ein sicheres Rechenzentrum übertragen. Mittels der Beweise kann die Polizei die Situation dann leichter einschätzen und eventuell direkt nach dem Vorfall eine Gefährderansprache durchführen und den Peiniger direkt auf sein Verhalten ansprechen.
„Gewalt gegen Frauen ist kein Missstand am Rande. Sie ist ein gesellschaftliches Kernproblem mit psychosozialen Langzeitfolgen für die Betroffenen, das große volkswirtschaftliche Schäden nach sich zieht. Damit behindert sie politische und wirtschaftliche Fortschritte, auf die es gerade in diesen Zeiten in allen Bereichen mehr denn je ankommt“, heißt es in einem offenen Brief der Union deutscher Zonta Clubs (UdZC) an Bundeskanzler Olaf Scholz. In diesem Jahr legen die Neustadter Zonta-Frauen den Schwerpunkt nicht auf Beleuchtung in Orange – die Energiekrise verlangt nach anderen Ideen. In Neustadt werden die Laternen einiger Straßenzüge mit orangefarbenen Bändern und kurzen Informationen zur Kampagne bestückt. Neben dem Zonta-Club ist hier die Offene Jugendarbeit aktiv beteiligt. Auch die Werbegemeinschaft Willkomm ist dieses Jahr wieder dabei – zahlreiche Geschäfte werden in ihren Schaufenstern auf „Orange the World“ aufmerksam machen. Neben dem Zonta-Club beteiligt sich das Frauenzentrum Neustadt an der Kampagne: Dessen Mitarbeiterinnen haben Aufkleber gestaltet, die zum Hinschauen bei Gewalt gegen Frauen auffordern. Zusätzlich hisst die Stadtverwaltung wie jedes Jahr die Aktionsflagge von Terre des Femmes „Gegen Gewalt an Frauen“. Am 25. November wird das Cineplex-Kino um 19.30 Uhr in einer Preview den Film „Call Jane“ zeigen – begleitet durch ein Rahmenprogramm des Zonta-Clubs, der Gleichstellungsbeauftragten und des Kunstvereins. Ab 18.30 Uhr werden an diesem Abend sich die Beteiligten mit Interessierten im Foyer des Kinos treffen und die diesjährige Aktion offiziell starten. Es werden Flyer und orangene Anstecker verteilt, um Menschen für die Problematik zu sensibilisieren. Für jede gekaufte Kinokarte wird ein Teil des Erlöses an das Neustadter Frauenhaus gespendet.

Nachtrag zum Thema "Gegen Gewalt an Frauen": Melanie Scherff vom Frauenzentrum Neustadt

Am Freitag, 25. November, ist internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. Wie jedes Jahr wird insbesondere an diesem Datum weltweit mit verschiedenen Aktionen und Kundgebungen auf das Thema aufmerksam gemacht. Im Oktober hat GREVIO, der Expertinnenausschuss des Europarates, den ersten Evaluierungsbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. Dabei wurde deutlich, dass in Deutschland gravierende Lücken im Kampf gegen Gewalt an Frauen und deren Kinder vorhanden sind. Es wurde verdeutlicht, dass die geschlechtsspezifische Dimension der Gewalt und ein Verständnis über die strukturelle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in sämtlichen Aspekten der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen zugrunde gelegt werden muss. In den Empfehlungen von GREVIO wird unter anderem gefordert, dass angemessene finanzielle Ressourcen für alle Strategien und Maßnahmen bereitgestellt werden müssen (Artikel 8), dass eine systematische und obligatorische Schulung von Fachkräften aller Professionen, die mit Betroffenen oder Tätern geschlechtsspezifischer Gewalt zu tun haben erfolgen muss (Artikel 15), dass das Bewusstsein für die Dynamik von Gewalt in Beziehungen und die Gefahr von Tötungen geschärft werden muss (Artikel 46) und das der Ausbau der Unterstützung durch spezialisierte Fachberatungsstellen (Artikel 22) und Frauenhäuser (Artikel 23) dringend ausgebaut werden muss.
In Neustadt existiert mit dem Frauenzentrum ein Träger, der mit seinen Einrichtungen Frauenhaus, Fachberatungsstelle und Interventionsstelle schon seit Jahren Hilfe und Unterstützung bei Gewalt gegen Frauen und deren Kindern anbietet. Die Nachfrage nach Beratung und Hilfe, vor allem in der Fachberatungsstelle, ist die letzten Jahre deutlich gestiegen. Zudem suchen auch immer mehr Angehörige und andere Fachkräfte Unterstützung und Beratung. Diese müssen aber teils abgewiesen oder auf längere Wartezeiten vertröstest werden, da eine annähernd ausreichende Finanzierung seit Jahren nicht gewährleistet ist. Auch die wichtige Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit wird von den Kolleginnen aus allen Bereichen nebenher geleistet, da auch für diese Arbeit kaum finanzielle Ressourcen bestehen. Die Finanzierungsfrage für die Umsetzung der Istanbul Konvention zwischen Kommunen, Land und Bund besteht schon seit der Ratifizierung dieser im Jahr 2017. Alle sind sich einig, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder bekämpft werden muss aber es scheint keine Einigung in Sicht, wer für welche Kosten aufkommt. Indes geht die Gewalt für hunderte von Frauen in Neustadt und Umgebung tagtäglich weiter.
Weitere Infos: Melanie Scherff, leitung@frauenzentrum-neustadt.de, Telefon 06321 2603 kontaktiert werden.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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