Interview der Woche: Waldschützer Horst Schikora und der Klimawandel
Interview.Es ist nicht zu übersehen: Beim Spaziergang durch den Wald stößt man immer häufiger auf erkrankte Bäume. Meist wird hauptsächlich dem Klimawandel die Schuld zugesprochen. Eine andere Ansicht vertritt Horst Schikora von der „Bürgerinitiative Walderhaltung Neustadt-Lambrecht“. Er hat uns eine von ihm kommentierte Bilderstrecke zukommen lassen, die den schlimmen Zustand der Bäume im Pfälzer Wald dokumentiert und die auf unserer Online-Plattform „Wochenblatt-Reporter“ zu finden ist. Gleichzeitig haben wir die Chance genutzt, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Von Markus Pacher
??? Herr Schikora, welche Auswirkungen hat ihrer Ansicht nach der Klimawandel auf die Gesundheit des Waldes?
Horst Schikora: Für viele Pflanzen- und Baumarten bedeutet der Klimawandel Stress und eine große Herausforderung. Aber er ist nicht, wie häufig dargestellt, die alleinige Ursache für das Sterben vieler Bäume. Schuld daran ist vor allem der unsachgemäße Holzeinschlag, der teilweise einem Kahlschlag gleichkommt. Die Buche zum Beispiel ist eine schattenliebende Baumart, die ein geschlossenes Kronendach benötigt. Durch starke Auflichtungsmaßnahmen wird dieser natürliche Sonnenschutz zerstört. In dem Moment, wo Bäume freistehen, sind sie einer starken Sonnenbestrahlung ausgesetzt. Die Folge: Die Buche bekommt Sonnenbrand, ihre Rinde platzt auf die dahinter liegende Bast- und Kambiumschicht wird zerstört was unweigerlich zum Absterben des Baumes führt. Auch der Boden trocknet aus, wird hart und kann keinen Regen mehr aufnehmen.
??? Von der Buche zur Fichte: „Willst du den Wald vernichten, so pflanze Fichten nichts als Fichten!“ Was hat es mit diesem Ausspruch des Försters Felix von Hornstein im Jahre 1903 auf sich?
Horst Schikora: Dieser Spruch hat bis zum heutigen Tag nichts an seiner Gültigkeit eingebüßt. Im Pfälzer Wald sehen wir hauptsächlich Kiefern-Monokulturen. Doch die Fichte gilt als Brotbaum der Forstwirtschaft. Sie wächst schnell und gleichmäßig und liefert witterungsbeständiges Bauholz. Aber es gab schon immer Leute, die gesagt haben, das ist nicht gut für den Wald – schon im 19. Jahrhundert gab es ein großes Fichtensterben. Der natürliche Lebensraum der Fichte ist im Gegensatz zu standortheimischen Bäumen wie Buche, Eiche oder Weißtanne nicht im Pfälzerwald. Die Fichte ist bei uns in höheren Lagen, ab 700 m, oder in nördlichen Ländern wie Schweden, Finnland usw. standortheimisch.
??? Welche Auswirkungen hat der Borkenkäfer auf die Nadelbäume, insbesondere auf die Fichte?
Horst Schikora: Der Borkenkäfer wird von der Forstwirtschaft als Schädling angesehen, ist aber ein natürlicher Regulator, der sich momentan an einem riesigen Nahrungsangebot erfreut und uns die Chance zu einem Waldumbau ermöglicht. Die Forstwirtschaft entfernt die befallenen Bäume, aber damit ist das Problem nicht gelöst.
??? Sie haben sich in einem offenen Brief an die Forstwirtschaft gewandt und darin ihre Beobachtungen mitgeteilt. Wie haben die Forstämter darauf reagiert?
Horst Schikora: Das Forstamt Bad Dürkheim zum Beispiel hat unsere Bürgerinitiative auch auf mein Schreiben hin zu einen gemeinsamen Waldbegang eingeladen. Im Prinzip möchten wir ja nicht nur mahnen, sondern konstruktiv mit der Forstwirtschaft zusammenarbeiten, Vorschläge einbringen und mit ihr in Kommunikation bleiben.
??? Das Thema Waldsterben wird ja schon seit mindestens einem halben Jahrhundert diskutiert. Viel getan hat sich allerdings bisher noch nichts. Wie sind sie auf das Thema gestoßen?
Horst Schikora: Es gibt eigentlich kein Waldsterben, was stirbt sind die Nadelbaummonokulturen. Bereits 1979 hatte der bekannte Wissenschaftsjournalist Horst Stern und seine Mitautoren in seinem Buch „Rettet den Wald“ an die Forstwirtschaft appelliert, von Fichte und Kiefer wegzukommen und stattdessen Mischwald mit hohem Laubholzanteil anzulegen. Damals wurden solche Leute noch als Spinner belächelt. Das Bewusstsein für erkrankte Bäume war noch nicht überall angekommen, sondern hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Mir fiel schon sehr früh auf, dass viele Bäume in der Krone licht werden und offensichtlich leiden – egal ob Lärche, Fichte oder Buche. Ich habe dann neben meinen Beobachtungen in der Natur etliche Bücher über das Thema gelesen. Leider hält meiner Ansicht nach die Forstwirtschaft an althergebrachtem Wissen fest und ist nur wenig bereit umzudenken.
??? Das Thema Klimaneutralität ist momentan in aller Munde. Wie verhält es sich mit dem Rohstoff Holz als Energieträger zum Heizen?
Horst Schikora: Die Klimaneutralität von Brennholz ist sehr schlecht. Bäume speichern nicht nur CO2 sondern geben auch Sauerstoff an die Luft ab. Eine fünfzig Jahr alte Buche zum Beispiel hat in ihrem kurzen Leben ca. 300 - 500 Kilogramm CO2 gespeichert. Dieses CO2 wird während der Heizperiode eines Privathaushaltes in ca. 14 Tagen wieder an die Atmosphäre abgegeben. Von Klimaneutralität kann also keine Rede sein. In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend noch Folgendes loswerden: Wir müssen endlich erkennen, dass es sich bei den Bäumen um Lebewesen handelt die uns das Leben auf diesem Planeten erst ermöglichen. Wir laufen momentan Gefahr, unsere Lebensgrundlage zu zerstören. Dabei wird immer nur auf den Regenwald gezeigt. Unsere Wälder sind genauso wichtig. Bei uns werden Wälder für Autobahnen, Wohn- und Industriegebiete sowie in Zukunft für Windernergienlagen großflächig abgeholzt. Darüber redet so gut wie niemand. Wälder sind komplexe Organismen von denen wir noch viel zu wenig verstehen.
Horst Schikora
Horst Schikora ist Mitglied der „Bürgerinitiative Walderhaltung“ und der ihr übergeordneten „Bundes Bürgerinitiative Waldschutz“ (BBIWS) sowie der „Initiative Pro Pfälzerwald“ (IPP). Die „Bürgerinitiative Walderhaltung“ ist in Neustadt und Lambrecht aktiv und besteht aus etwa fünf bis sechs aktiven Mitgliedern, die sich in unregelmäßigen Abständen treffen und unter anderem Waldexkursionen durchführen und mit der Forstwirtschaft in Kontakt treten. Horst Schikora hat sich schon als Kind für den Wald interessiert und in den 70er- und 80er-Jahre als Holzmacher beim Forst, zuletzt beim Forstamt Lambrecht, gearbeitet, danach eine Umschulung zum Schreiner absolviert. Er ist seit 1972 in Neustadt wohnhaft und jeden Tag im Pfälzer Wald unterwegs.
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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