Evangelische Kirchenmusik in Speyer
Vom Glück des Musizierens
Speyer. Der Terminkalender der evangelischen Kirchenmusik in Speyer ist 2024 gut gefüllt. Bachs Opus Magnum, die „Matthäuspassion“ am 24. März in der Dreifaltigkeitskirche und das weniger bekannte, nichtsdestotrotz großartige spätromantische Werk „Le Laudi“ des Schweizer Komponisten Hermann Suter am 10. November in der Gedächtniskirche markieren die Höhepunkte des Konzertjahrs, flankiert von einem üppigen Reigen wunderbarer Orgelkonzerte, Bläser- und Gottesdienstmusiken.
Auch der Nachwuchs genießt Pflege und Förderung auf hohem Niveau. Das demonstriert er bei zwei Musical-Aufführungen im April. Simone Pepping-Sattelberger hat ihre Schar von immerhin 85 Jüngst- und Jungkehlen dramaturgisch wie optisch für Peter Schindlers „Max und die Käsebande“ bühnentauglich präpariert. Es läuft prima, freut sich Kirchenmusikdirektor Robert Sattelberger, „endlich wieder.“ Dass erst die Corona-Pandemie mit ihrer Versammlungs-Flaute und ihren sozialen Isolierungsmechanismen die Unentbehrlichkeit gemeinsamer Musikausübung drastisch vor Augen führte, ist unbestritten.
„Die Neuanfänge 2022 waren zunächst tastend, vorsichtig, aber die Lust, wieder in Gemeinschaft singen und spielen zu können, hat überlebt“, schildert der Bezirkskantor. Und Mijam und Arne Dembek – beide teilen sich das Speyerer Dekanatsamt seit 2023 – stimmen zu, unterstreichen nicht zuletzt die Brückenfunktion kirchenmusikalischer Präsenz. Zum einen rekrutiere sie eine Vielzahl von Ehrenamtlern – die größte Gruppe innerhalb der Landeskirche überhaupt – zum anderen binde sie durch ihre emotional-spirituelle Qualität selbst eher kirchenkritische Menschen ein.
Wer sich vor Augen führt, was das baulich leider arg in die Jahre gekommene Martin-Luther-King-Haus als Proben- und Versammlungsstützpunkt so im Laufe einer Woche an Kirchenmusikern beherbergt, der staunt nicht schlecht: Da sind die Chöre unter Robert Sattelbergers Leitung – Kantorei und gottesdienstlicher Chor mit zusammen 150 Mitgliedern. Die Kinderchöre mit derzeit 85 kleinen Lerchen in verschiedenen Altersgruppen wiederum leitet Simone Pepping-Sattelberger. Weiter empfiehlt sich der mit 25 Bläsern quer durchs instrumentale Spektrum aufgestellte Posaunenchor unter Leitung von Philipp Neidig, der es im Jahresmittel auf 25 bis 30 öffentlichkeitswirksame Einsätze bringt. Hinzu kommen die Holzbläser, sprich der Flötenkreis an der Gedächtniskirche, und die Studenten des Kirchenmusikalischen Seminars.
Und auch der vor 25 Jahren gegründete DreiCant-Chor der Dreifaltigkeitskirche, der unter dem Dirigat von Susanne May-Rohde erfolgreich in Sachen zeitgenössischer Kirchenmusik unterwegs ist, probt im Haus neben der Gedächtniskirche. Unter dessen Dach kann Robert Sattelberger somit 320 Musiktreibende auflisten. Im Diakonissenhaus proben Chor und Flötenkreis unter Leitung von Kirchenmusikerin Ruth Zimbelmann – immer wieder auch in den Gottesdienstmusiken der Gedächniskirche präsent. Und es gibt den Kinderchor an der Dreifaltigkeitskirche, der sich gerade in einen Jugendchor verzweigt hat. Damit erweitert sich die Zahl der in den evangelischen Stadtgemeinden kirchenmusikalisch Aktiven auf 400.
Auch stilistisch wird Vielfalt geboten: Mit Peter Schindler „Jazz-Messe“ oder Ariel Ramirez „Missa Criolla“ hat DreiCant festgefahrene Pfade längst verlassen. Beim Serenadenkonzert im Paradiesgarten am 15. Juni beispielsweise kann man sich davon überzeugen, ebenso wie beim 25er Jubiläumskonzert am 16. November in Dreifaltigkeit mit Peter Schindlers Werk „Sonne, Mond und Sterne“. Im Terminkalender von Robert Sattelberger prangt ein reicher Katalog attraktiver musikalischer Events: Ein ganzer Zyklus signifikanter Orgelkonzerte mit Tastenstars wie Andreas Meisner, Chris Jarrett, Kristian Nyquist und natürlich Robert Sattelberger selbst. „Max und die Käsebande" unter Simone Pepping-Sattelbergers Rundumregie – Einstudierung, Kostüme, Bühnenbild – befeuert am 27. und 28. April, jeweils 16 Uhr, die Bühne im Martin-Luther-King-Haus.
Ans Jahresende geschaut werden geistliche Abendmusiken und die besonders innige Musik im Kerzenschein an den Adventssonntagen erneut das geschichtsträchtige Gotteshaus füllen, ebenso wie die traditionelle Silvestermusik mit LJO-Brass am letzten Abend des Jahres. Und dann sind da die zwei ganz großen Konzertereignisse im Frühjahr und Herbst. Lange geplant, durch Corona vereitelt, kommt am 10. November das opulent besetzte spätromantische Oratorium „Le Laudi“ von Hermann Suter als ökumenisches Projekt gemeinsam mit dem Chor der katholischen Camerata Vocale Ludwigshafen auf die Altarbühne der Gedächtniskirche. Begleitend dazu gibt es ein Orchesterwerk, „Die Moldau“ von Bedrich Smetana.
Aktuell aber wird auf den 24. März hingeprobt, die Aufführung der „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach, für Robert Sattelberger eine Premiere am Pult. „Man gestaltet das Werk sicher als gereifter Dirigent nochmal ganz anders als in jungen Jahren. Jetzt passt es einfach für mich.“ Karten gibt es beim Capella-Verlag in der Roßmarktstraße sowie bei Reservix.
Wieder mitmischen will Kirchenmusikdirektor Sattelberger am 3. Oktober, wenn die Aktion „Deutschland singt“ in ihre fünfte Runde startet. Er hofft auf Neuzugänge für seine derzeit 100 Stimmen starke Bezirkskantorei. Übrigens: Künftig wird für alle Konzerte im Winterhalbjahr grundsätzlich um 17 Uhr, von April bis Oktober dagegen um 18 Uhr geläutet.
Gertie Pohlit
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.