Neue Läuteordnung für den Speyerer Dom
Glockengeläut in vielen Varianten

Die Kaiserglocke Maximilianus Josephus. | Foto: Domkapitel Speyer
  • Die Kaiserglocke Maximilianus Josephus.
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Speyer. „Sieht aus wie Sudoku“, so beschreibt Domkapellmeister Markus Melchiori die vier Blätter, auf denen die neue Läuteordnung des Speyerer Doms festgehalten ist. Das Dokument besteht aus Tabellen mit Zahlen und Kreuzen, die markieren, welche der neun Glocken des Speyerer Doms wann zu läuten haben. Am 1. Dezember, mit Beginn des neuen Kirchenjahres, trat die neue Läuteordnung in Kraft, in der bestimmten Anlässen unterschiedliche Klangkonstellationen zugeordnet sind.

„Die Glocken werden heute normalerweise über einen Computer gesteuert und vorprogrammiert“, erklärt Domdekan Dr. Christoph Kohl, der für die Gottesdienste und damit auch für das Geläut am Speyerer Dom zuständig ist. Zu Demonstrationszwecken geschieht dies heute auf Zuruf über Funk: Domkapellmeister Melchiori gibt verschiedene Zahlenkombinationen an Sakristan Michael Flörchinger durch, der dann in der Sakristei auf die passenden Knöpfchen drückt. Drei, vier, fünf ist beispielsweise die Kombination, mit der im Advent zur Früh- und zu Abendmesse gerufen wird. Domdekan Kohl singt die Töne einzeln nach und es wird klar, dass diese den Beginn des Adventsliedes „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ nachbilden. Weiterhin erfahren die Zuhörer, wie die Glocken zum Hauptgottesdienst während der Adventszeit oder zu einem festlichen Pontifikalamt am ersten Weihnachtstag klingen.

Das Geläut der Glocken ruft in verschiedenen Kombinationen zum Gottesdienst, erklingt zu Gebetszeiten und ist während der Messe bei der Wandlung zu hören. Die Läuteordnung legt diesen liturgischen Gebrauch der Glocken fest. Domdekan Kohl freut sich, dass Domkapellmeister Melchiori der Klang der Glocken am Herzen liegt und dieser sich deshalb, zusammen mit der Glockensachverständigen des Bistums, Birgit Müller, an eine Neufassung der Läuteordnung gemacht hat.

„Die Möglichkeiten der Glocken werden nun in größerem Umfang genutzt, als bisher“, sagt Domkapellmeister Melchiori. 113 Läutemotive sind in der Läuteordnung definiert und festen Anlässen zugeordnet. Darunter befinden sich die Gottesdienstfeiern im Kirchenjahr, die Eigenfeiern der Domkirche, Kombinationen, die bei besonderen Anlässen zu hören sind, oder auch die Festlegung, welche Glocken zum sogenannten Angelusläuten, für die „Engel des Herrn“, erklingen. „Die Mönche und Nonnen in einem Kloster beten zu festen Zeiten ihr Stundengebet. Über das Läuten der Glocken können alle Menschen daran teilhaben und werden dazu eingeladen, kurz in ihrer Arbeit innezuhalten“, erklärt Domdekan Dr. Kohl den Sinn dieses Läutens. Neu eingeführt wurde am Dom das einzelne Läuten der Glocke Nummer zwei, das fortan immer freitags um 15 Uhr erklingt, zur Sterbestunde Jesu Christi.

„Jetzt muss ich mich auf den Weg machen, wenn ich rechtzeitig zum Gottesdienst in der Kirche sein will“, beschreibt Domdekan Kohl die wohl bekannteste Funktion der Glocken. Früher wurden die Glocken auch zur Warnung, beispielsweise bei einem Brand oder einem Überfall auf die Stadt geläutet. „Wenn die Glocken des Doms einmal außer der Reihe läuten, beispielsweise, weil eine routinemäßige Überprüfung ansteht, melden sich aber immer sofort Menschen bei uns, die wissen möchten, was los ist“, berichtet die Leiterin des Dom-Kulturmanagements Friederike Walter.

Ein wichtiges Ziel ist es, dass die Glocken gut zusammen klingen. „Die Läutemotive starten immer mit der kleinsten Glocke“, so der Domkapellmeister, wobei die größte Glocke, am Dom Kaiserglocke genannt, die Nummer eins trägt. Sie ist nur bei den Hochfesten des Kirchenjahres zu hören. So etwa am Aschermittwoch, wenn mit der Folge vier, drei, zwei, eins das alte Großgeläut zu hören ist. Es besteht aus den vier alten Glocken von 1822, einem der ältesten erhaltenen Großgeläute in Deutschland, wie Melchiori weiß.

„Ein Geläut ist nicht zu verwechseln mit einem Glockenspiel“, erklärt dieser zudem. Die Glocken des Speyerer Doms sind alle freischwingend, so dass immer eine Folge von Tönen erzeugt wird. Ein paar Mal muss eine große Glocke hin und her schwingen, bevor überhaupt der erste Ton erklingt. Angeschlagen werden die Glocken nur für den Uhrschlag. Dieser erfolgt über die vier großen Glocken: Die Glocken vier und drei im Wechsel für die Viertelstunden, die Glocken zwei und eins nacheinander die vollen Stunden.

Manche Tonkombinationen tragen auch feste Namen, wie das Westminster Motiv das zu Hochzeiten erklingt oder der Glockenklang Salve Regina, der aus den Glocken sechs, fünf, vier, drei besteht und damit die Tonfolge am Anfang dieses Hymnus wiedergibt. Was auf dem Blatt nach einem nüchternen Zahlenspiel aussieht, erzeugt spätestens beim Plenum, so heißt das gleichzeitige Läuten aller Glocken, eine Gänsehaut. „Das, was man beim Läuten der Glocken hört, kann man physikalisch nicht erfassen“, erklärt Domkapellmeister Melchiori die Besonderheit des Glockenklanges. Bei jedem Grundton einer Glocke klingen viele Obertöne mit. „Die Herstellung von Glocken ist eine hohe Kunst“, zeugt der Domkapellmeister der Zunft der Glockengießer Respekt.

Der Mittelturm des Westbaus, Oktogon genannt, diente und dient im Dom zu Speyer als Glockenstube. Er beherbergt insgesamt neun Glocken aus zwei unterschiedlichen Güssen: Im Jahre 1822 wurden die vier großen Glocken von Peter Lindemann aus Zweibrücken gegossen, ein selten erhaltenes Großgeläute des 19. Jahrhunderts. Die übrigen fünf Glocken wurden 1963 von Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg gefertigt. Die Glocken mit den Nummern eins, zwei und drei sind Mitgliedern des bayerischen Königshauses gewidmet, die Glocke Nummer vier trägt den Namen von Matthäus Chandelle, dem ersten Speyerer Bischof nach der Wiederherstellung des Bistums im Jahr 1817. Übrige, neuere und kleinere Glocken sind verschiedenen Heiligen gewidmet. ps

Weitere Informationen:
Eine Auflistung der verschiedenen Glocken und die neue Läuteordnung unter: www.dom-zu-speyer.de

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Autor:

Caroline Trapp aus Ludwigshafen

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