Coronazahlen steigen rasant an
Speyer zieht die Notbremse
Speyer. Speyer zieht die Notbremse. Oder hat zumindest vor das zu tun. Für heute ist noch eine Schalte mit dem Gesundheitsministerium geplant, am Montag will man weitere Maßnahmen ankündigen, die in eine neue Allgemeinverfügung gegossen werden und ab Mittwoch gelten sollen. Der Grund: Die rasant ansteigenden Coronazahlen in der Stadt. Als erste Maßnahme schließt der Weihnachtsmarkt ab sofort bereits um 18 Uhr, ab kommenden Mittwoch soll dort vermutlich 2G gelten.
Es ist eine sichtbar betroffene Oberbürgermeisterin, die in einer Videokonferenz die Medien informiert. "Es war wahrscheinlich naiv zu glauben, mit dem Impfen werde alles besser", sagt Stefanie Seiler. Sie ist sich bewusst, dass niemand mehr Einschränkungen möchte, der Frust allerorten groß ist, aber: "Das Gesundheitssystem verlangt uns weitere Kontaktbeschränkungen ab." Bereits jetzt lasse sich die vierte Welle nicht mehr brechen, vielmehr gehe es darum, eine fünfte Welle zu verhindern. Und Zustände, wie sie bereits in Bayern und Sachsen in den Krankenhäusern herrschen, hoffentlich noch zu vermeiden.
Die Politik habe Fehler gemacht. Auf allen Ebenen. Allen voran, den, nicht auf die Wissenschaftler zu hören, die davor gewarnt hatten, dass die jetzige Impfquote alleine nicht ausreichen werde, die Pandemie abschließend zu bekämpfen. Klare Worte findet auch Dr. Cornelia Leszinski vom Vincentius-Krankenhaus. "Es braucht erst die Katastrophenlage, damit die Politiker nicht länger die Augen vor der Realität verschließen", sagt sie. Die Bundestagswahl im Herbst habe die Pandemiebekämpfung ausgebremst. Leszinski: "Es erschreckt mich, wie viele Tote diese Wahl uns kostet."
"Es ist nicht mehr weit bis zur Triage"
Dr. Peter Wresch, ärztlicher Berater der Stadt, fürchtet, dass sich die derzeitige Dynamik im Infektionsgeschehen nicht mehr kurzfristig bremsen lasse. Derzeit verdoppelt sich die Zahl der Coronainfektionen ungefähr im 14 Tage-Takt. In der Schließung von Impflücken sieht Wresch nach wie vor die einzige Möglichkeit, die Inzidenz zu dämpfen. Weil die Impfakzeptanz insgesamt zu niedrig sei, geht Wresch davon aus, dass es zu einer Impfpflicht kommen wird. Dass Impfangebote aktuell wieder hoch gefahren werden, habe aber keine Auswirkungen mehr auf die vierte Welle. Weitere Impfungen könnten alleine das Ziel haben, eine fünfte Welle zu verhindern. Wresch: "Die vierte Welle wird das Gesundheitssystem an seine Grenze bringen." Er spricht sich für eine drastische Reduzierung der Kontakte aus.
Die Situation in den Krankenhäusern sei fatal. Meist würden nur die Bettenkapazitäten in Blick genommen, dabei sei vor allem auch die personelle Situation kritisch. Im Vergleich zur Zeit vor Corona oder auch zur ersten Coronawelle stünde viel weniger Pflegepersonal zur Verfügung. Zeitgleich steige die Zahl der Covid-Patienten in der gesamten Region rasant an. Im Vincentius sollen daher ab Montag OP-Kontingente reduziert werden, um Kapazitäten frei zu stellen. Dr. Cornelia Leszinski: "Wir sind noch nicht bei Triage - aber es ist nicht mehr weit bis dahin." Die Medizinerin ergänzt: "Wir müssen die Dynamik stoppen, oder es ist ein aussichtsloser Kampf."
Stadt richtet ab 7. Dezember Impfstelle ein
Das Vincentius-Krankenhaus betreibt auch die PCR-Teststelle im ehemaligen Stiftungskrankenhaus - und kommt dort kaum noch hinterher. Auch die Labore sind an der Grenze dessen, was sie leisten können. Mit der Konsequenz, dass von einer hohen Dunkelziffer an Coronainfektionen ausgegangen werden müsse. Wresch schätzt die tatsächlichen Coronazahlen auf das Doppelte der per PCR-Test nachgewiesenen Fälle. Das ist auch fatal, weil ohne PCR-Nachweis und damit ohne angeordnete Quarantäne Menschen, die noch keine Corona-Symptome zeigen, das Virus weiter verbreiten. Die Positivrate bei PCR-Tests liege derzeit bundesweit bei 20 Prozent - und sei damit gut doppelt so hoch wie während der allerersten Coronawelle.
In einem Brief hat sich Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler an den Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises, Clemens Körner, und an die Verbandsbürgermeister in den Nachbargemeinden gewandt: Es geht darum, zusätzliche Testkapazitäten vor Ort zu schaffen, denn mehr als die Hälfte der Menschen, die zum PCR-Test nach Speyer kommen, sind keine Speyerer. Sie kommen, weil sie an ihrem Wohnort keine Möglichkeit zum Testen vorfinden. Der Druck auf die Testzentren - auch auf die Antigen-Schnelltests - hat sich mit Einführung von 3G am Arbeitsplatz seit Mittwoch noch einmal verschärft. Auch die ersten gefälschten Tests sind in Speyer bereits aufgetaucht.
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Impfangeboten bei den niedergelassenen Ärzten sowie Impfaktionen an den Wochenenden, wird es ab Dienstag, 7. Dezember, ein städtisches Impfangebot geben. Im ehemaligen Stiftungskrankenhaus richtet die Stadt gemeinsam mit Dr. Peter Wresch und dem DRK eine Impfstelle ein. Dienstags bis Freitags soll dort von 16 bis 20 Uhr mit Termin und Samstags von 10 bis 17 Uhr ohne Termin geimpft werden. Außerdem kommt der Impfbus des Landes an elf Tagen im Dezember nach Speyer.
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.