Öffnung der Gräber im Speyerer Dom
"Vor den Augen der staunenden Beschauer"
Speyer. Vor 120 Jahren herrschte Unsicherheit darüber, wo sich die Gräber der Kaiser und Könige im Speyerer Dom befanden. Waren sie überhaupt noch vorhanden oder durch die Plünderungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört worden? Der Münchner Gymnasialprofessor Johann Praun beschäftigte sich intensiv mit dieser Frage.
1899 veröffentlichte er eine Abhandlung, in der er den bedauernswerten Zustand der Grablege hervorhob und eindringlich um eine Wiederherstellung derselben warb. Immerhin waren elf Könige, Kaiser und Kaiserinnen der salischen Dynastie und nachfolgender Herrschergeschlechter zwischen 1039 und 1308 im Speyerer Dom bestattet worden.
Doch nach den Zerstörungen im Jahr 1689 geriet die Lage der Gräber in Vergessenheit. Auch war unklar, welche Gräber geplündert und zerstört worden waren. Eine auf Veranlassung von Karl VI. im Jahr 1739 durchgeführte Suchgrabung führte zwar zur Lokalisierung der Gräber im Königschor, der Bischof, den man vorher übergangen hatte, stoppte jedoch die Grabung. Erst 1899 rückten die Gräber erneut in den Fokus der Wissenschaft, als Praun argumentierte, eine Öffnung der Gräber hieße „nicht die Ruhe der Toten stören, sondern umgekehrt den 1689 von den Leichenschändern begangenen Frevel sühnen“. Nachdem sich mit Kaiser Franz Joseph von Österreich und Prinzregent Luitpold von Bayern prominente Unterstützer für die Suche nach den Gräbern gefunden hatten, stimmten Bischof und Domkapitel dem zu.
Am 16. August 1900 um 10 Uhr morgens begann die Grabung im sogenannten Königschor. Bis zum 2. September desselben Jahres wurden von einer Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung des Historikers Hermann Grauert 18 Gräber mit 20 Bestattungen geöffnet und untersucht.
Die Öffnung der Gräber traf dabei auf reges öffentliches Interesse: „Unter größter Spannung aller Anwesenden, unter denen sich der Regierungspräsident, der Bischof und das gesamte Domkapitel befanden, wurde zunächst dieser Sarkophag in der Mittelachse geöffnet. Eine dicht verhüllte, völlig vermorschte, aber auch völlig unberührte Kaiserleiche lag in ihren Überresten und Beigaben vor den Augen der staunenden Beschauer“, schilderte Hermann Grauert die Öffnung des Sarkophages von Konrad II.
Neben dem Grab des Domgründers wurden auch die Gräber seiner Gemahlin Gisela, Heinrich III. sowie Heinrich IV. und dessen Gemahlin Bertha geöffnet. Von den Kaisergräbern, wurde nur das oberste Grab, das Heinrichs V., durchwühlt vorgefunden. Im Gegensatz dazu entging den fünf Gräbern der Königsreihe einzig die Bestattung Philipps von Schwaben den Plünderungen des Pfälzischen Erbfolgekriegs. Die übrigen Bestattungen, namentlich die Gräber von Beatrix von Burgund und ihrer Tochter Agnes sowie die von Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassau und Albrecht I. von Österreich, wurden zerstört vorgefunden.
Den Abschluss der Grabungen 1900 bildete die Bergung von fünf Bischofsgräbern. Im Jahr der Öffnung wurden die sterblichen Überreste wieder beigesetzt. Die Grabbeigaben und Textilfunde sind heute Teil des Dom- und Diözesanmuseums im Historischen Museum der Pfalz Speyer. Am 3. September fand die Wiederbeisetzung der geborgenen Leichname statt. Das für das Requiem eigens angeschaffte Ornat befindet sich noch heute in der Paramentenkammer des Doms. In der Folgezeit wurde eine Gruft angelegt, die bis heute über einen Zugang von der Krypta aus zugänglich ist. ps
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