Ehrenbürger von Speyer
Wer war Heinrich Hilgard genannt Villard?

Die Straße, die von der Gedächtniskirche zum Krankenhaus führt, wird nach Heinrich Hilgard benannt: Hilgardstraße | Foto: Cornelia Bauer
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Speyer. Heinrich Hilgard ist seit 1895 Ehrenbürger von Speyer. Doch wer war das eigentlich, dieser Heinrich Hilgard genannt Villard? Henry Villard, der als Heinrich Hilgard 1835 in Speyer geboren wurde, emigrierte in die USA und wurde dort Journalist und Eisenbahnmagnat. In seiner Heimatstadt machte er sich als Großspender für gemeinnützige Einrichtungen einen Namen. Hilgards Lebenslauf würde man heute wohl "bunt" nennen.

Am 10. April 1835 wird Heinrich Gustav Hilgard als Sohn des strengen und königstreuen Juristen Gustav Hilgard und dessen Gattin Lisette geb. Pfeiffer, Tochter des Speyerer Salzamtmannes Franz Joseph Pfeiffer, geboren. Der Vater wird 1839 als Staatsanwalt an das Appellationsgericht in Zweibrücken versetzt, Heinrich besucht dort ab 1841 die Grundschule. Zwei Jahre später wechselt er auf die Lateinschule und 1847 ans Gymnasium.

Heinrich Hilgard wandert in die USA aus und ändert seinen Namen

Während des Pfälzischen Aufstandes im Mai/Juni 1849 zieht er sich den Zorn des Religionslehrers und Stadtpfarrers zu, weil er bei einem Gebet die Fürbitte für den bayerischen Monarchen weg lässt. So muss er nach Ende des Aufstandes das Zweibrücker Gymnasium verlassen und besucht bis 1850 das Collège in Pfalzburg. Ab 1850 ist er am Gymnasium in Speyer, das er zwei Jahre später abschließt. Hilgard studiert in München, zuerst am Polytechnikum, dann an der Universität. Im Sommersemester 1853 geht er an die Universität Würzburg, um Jurisprudenz zu studieren.

Anstatt sich jedoch dem Studium zu widmen, versucht er sich als Schriftsteller und häuft in München und Würzburg Schulden an. In höchster finanzieller Not wendet er sich nicht an seinen strengen Vater, sondern an ein mit den Eltern befreundetes Ehepaar: Ludwig Heinrich und Caroline Wolf. Im August 1852 sucht er sie in Wachenheim auf. Das Ehepaar leiht ihm 500 Gulden, mit denen Hilgard seine Schulden tilgt und sich nach Hamburg begibt, von wo aus er mit dem restlichen Geld seine Auswanderung nach Amerika finanziert. 

Auf dem Gelände der Diakonissenanstalt befindet sich eine Büste Hilgards | Foto: Cornelia Bauer
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Seine Ankunft in der neuen Welt im Oktober 1853 steht für einen radikalen Neuanfang: Er legt seinen Namen ab und nennt sich fortan Henry Villard. Ohne Englischkenntnisse, ohne Berufserfahrung, ohne Geld, ohne Unterstützung von Verwandten gerät sein erstes Jahr in Amerika zu einem Kampf ums Überleben. Immer wieder scheitert er nach kurzer Zeit in unterschiedlichen Jobs, steckt auf seiner Odyssee durch die Staaten des Mittleren Westens eine Niederlage nach der andere ein, als ihn 1854 in Chicago das Hilfsangebot seines Onkels Theodor Hilgard erreicht. Der lebte seit 1836 mit seiner Familie auf einer Farm bei Belleville, etwa 400 Kilometer südlich von Chicago.

Henry Villard wird hier verständnisvoll aufgenommen, doch seine Versuche, in einer juristischen Tätigkeit Fuß zu fassen, scheitern allesamt. Auch als Vertreter für ein Literaturlexikon, als Verkäufer von Humorpostkarten, als Immobilienagent und als Gründer einer Siedlungsgesellschaft bleibt ihm der berufliche Erfolg versagt. Besser läuft es als Leiter einer Parteizeitung in Wisconsin und als Lehrer in einer Dorfschule in Pennsylvania. Heinrich Hilgard alias Henry Villard beginnt Essays und Zeitungsberichte zu verfassen, die auch veröffentlicht werden. Es gelingt ihm, sich als Korrespondent bei mehreren Zeitungen einen Namen zu machen.

Villard schreibt Zeitungsgeschichte

Abraham Lincoln gewinnt am 6. November 1860 die Präsidentschaftswahl und verbringt die Zeit bis zur Amtseinführung im darauf folgenden März in seiner Heimatstadt Springfield. Henry Villard schreibt Zeitungsgeschichte, als der New York Herald ihn für mehr als drei Monate als Sonderkorrespondent zu Lincoln sendet. Seine fast täglichen Berichte erscheinen ungekürzt in der weit verbreiteten Zeitung. Zwischen dem zukünftigen Präsidenten und dem Journalisten entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis.

Den Amerikanischen Bürgerkrieg 1861 bis 1865 erlebt er als Kriegsberichterstatter. 1864 wird er amerikanischer Staatsbürger. Nach dem Krieg heiratet er Fanny Garrison, die Tochter von William Lloyd Garrison, einem bekannten Gegner der Sklaverei. "Der Mann mit dem bayerischen Pass war in Amerika angekommen", heißt es dazu in Karl Erhard Schuhmacher Schrift "Heinrich Hilgard-Villard - Spurensuche in seiner Geburtsstadt Speyer und Umgebung". Als es Villard gesundheitlich nicht gut geht, lässt er sich in Deutschland behandeln.

Henry Villard  wird Präsident mehrerer Bahngesellschaften

Zu der Zeit betrauen ihn einige deutsche Anleger, die größere Mittel in die 1873 krisengeschüttelte amerikanischen Eisenbahngesellschaften investiert hatten, mit der Aufgabe, die dortigen Geschäfte zu überprüfen. Von New York aus durchleuchtet er die Bücher und Praktiken der im Westen der USA arbeitenden Gesellschaften. Er deckt Machenschaften auf und übernimmt leitende Funktionen in Gesellschaften, die in Kalifornien und Oregon ein verzweigtes Eisenbahnnetz unterhielten. Mit enormem geschäftlichem Geschick bringt er 1881 im Wege einer feindlichen Übernahme die dahin dümpelnde Northern Pacific Railway in seine Hand.

Hilgard widmet sich dem Ausbau des US-amerikanischen Eisenbahnwesens. Er wir Präsident mehrerer Bahngesellschaften. 1883 ist er maßgeblich an der Fertigstellung der Northern Pacific Railroad beteiligt. Das ist für die Besiedlung und die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens und Nordwestens der USA von enormer Bedeutung. Dafür gibt es viel Anerkennung, aber seine Gesellschaft gerät wegen der ausufernden Kosten in die Insolvenz. Abermals beweist er ein glückliches Händchen fürs Geschäft. Er ist früh an Edisons Firmen, etwa der General Electric, beteiligt und tätigt in Amerika Geldgeschäfte für die Deutsche Bank, die seinerzeit unter der Leitung von Georg Siemens steht.

Seiner Heimatstadt Zweibrücken stiftet er ein Waisenhaus, die nachmalige Hilgardschule. In Speyer unterstützt Hilgard den Bau der Gedächtniskirche, eines Gymnasiums und des Diakonissenkrankenhauses, dessen Hausgeistlicher Karl Anton Scherer sein Schulfreund ist. 1895 wird ihm deshalb das Ehrenbürgerrecht von Speyer verliehen; auf dem Gelände der Diakonissenanstalt befindet sich eine Büste Hilgards und die Straße, die von der Gedächtniskirche zum Krankenhaus führt, wird nach ihm benannt: Hilgardstraße.

Zum Weiterlesen

Karl Erhard Schuhmacher: "Heinrich Hilgard-Villard - Spurensuche in seiner Geburtsstadt Speyer und Umgebung"; Printart Dannstadt 2022; erhältlich im Speyerer Buchhandel

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Die Straße, die von der Gedächtniskirche zum Krankenhaus führt, wird nach Heinrich Hilgard benannt: Hilgardstraße | Foto: Cornelia Bauer
Auf dem Gelände der Diakonissenanstalt befindet sich eine Büste Hilgards | Foto: Cornelia Bauer
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Cornelia Bauer aus Speyer

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