Wie es rote Pumps aus Speyer in Aktenzeichen XY geschafft haben
Speyer. Secondhand liegt im Trend. Wer Kleidung aus zweiter Hand kauft, schont Umwelt und Ressourcen und setzt ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft. Die Käuferinnen und Käufer kommen daher inzwischen aus allen Schichten und Altersgruppen. Das merken auch die Verantwortlichen der Kleiderstube im Gemeindezentrum der Christuskirche in Speyer-Nord. Dennoch gibt es in der Kleiderstube Kleidung, die - obwohl eigentlich sehr modern - keine Abnehmer findet und wie Blei in den Regalen des eh nicht allzu großen Raumes im Parterre des Gemeindezentrums liegt: Sehr große Größen. Sehr kleine Größen. Zwischengrößen.
"Bevor die Sachen hier weiter nur rum liegen, dachte ich, ich stelle sie einfach mal online ein", erzählt Sina Scharhag, die nur wenige Häuser von der Christuskirche entfernt wohnt und sich ehrenamtlich in der Kleiderstube engagiert. Ein voller Erfolg. Was in Speyer ein "Ladenhüter" war, ging im Internet weg wie die sprichwörtliche warme Semmel. Auch wegen der kleinen Preise - schließlich werden alle in der Kleiderstube angebotenen Kleidungsstücke gespendet.
In der kurzen Zeit, in der die junge Frau die Sachen bei Vinted einstellt, hat sie bereits 2.500 Euro für die Kleiderstube eingenommen. Die Freude darüber ist in Speyer-Nord groß, denn das Geld kommt direkt Kindern und Jugendlichen der Gemeinde zugute. Ein Paar roter Pumps hat Sina Scharhag an eine Filmfirma versandt - und sich nichts dabei gedacht. Außer vielleicht, dass das wohl die Arbeitgeberin der Käuferin sein wird. Doch die Käuferin meldete sich Monate später noch einmal per E-Mail, um der Verkäuferin zu schreiben, wo sie die Schuhe wiedersehen kann: in Aktenzeichen XY ungelöst nämlich. Das Schuhwerk im Vintage-Style wurde von der Filmfirma als Requisit für die filmische Aufarbeitung eines "Cold Case" benötigt. Und so haben es rote Pumps aus Speyer in die ZDF-Sendung geschafft.
Sina Scharhag trägt selbst nur gebrauchte Kleidung. Sie liebt es, durch ihr Tun den Kleidern quasi ein neues Leben zu geben. Auch für ihre beiden Jungs kauft sie hier ein. Aus Überzeugung. Der jungen Mutter liegt Nachhaltigkeit sehr am Herzen. "Ich habe einen völlig neuen Style entwickelt, seit ich mich in der Kleiderstube engagiere", sagt sie und schmunzelt. Auch ihre Freundinnen hat sie bereits angesteckt - gerade wenn es um den Kauf von Kinderkleidung geht. Nicht nur, dass Kinder sehr schnell aus allem herauswachsen, gebrauchte, oft gewaschene Kleidung enthält häufig auch weniger Schadstoffe.
Die Kleiderstube der Christuskirche gibt es seit Januar 1979 - allerdings wendete sich das Angebot damals noch so gut wie ausschließlich an Bedürftige. Mitbegründerin Irmgard Bernatz erinnert sich, dass anfangs viele Gastarbeiter kamen, später waren es Spätaussiedler. Bis zum heutigen Tag kommen Geflüchtete aus der Kaserne, um sich hier günstig mit Kleidung zu versorgen, zuletzt auch viele Menschen aus der Ukraine. Die sehr gut erhaltene Kleidung, oft Marken, manchmal sogar neu und mit Preisschild, spendet das Team der Kleiderstube manchmal auch weiter, zum Beispiel nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Manches bringen sie auch nach Schifferstadt ins Secondhand-Kleiderlädchen "Wühlmaus", das der Kinderschutzbund dort unterhält. Weil in Schifferstadt viele Erntehelfer im Einsatz sind, erhalten dort ganz andere Kleidungsstücke eine zweite Chance als in Speyer-Nord.
Jeden dritten Donnerstag im Monat öffnet die Kleiderstube von 14 bis 16 Uhr ihre Pforten und bietet gut erhaltene Kleidung für Kinder und Erwachsene zu kleinen Preisen an. Öfter vorbei kommen, lohnt, denn es kommen ständig neue Spenden an. Auf Nachfrage macht das Team der Kleiderstube auch außerhalb der Öffnungszeiten persönliche Termine mit Interessentinnen oder Interessenten aus, bieten quasi ein "Personal Shopping" in der Kleiderstube an. Der Erlös fließt zu hundert Prozent in die Kinder- und Jugendarbeit der Pfarrei.
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