Wie wird man eigentlich Pferdefotografin, Frau Boiselle?
Speyer. Eine schwarze Katze war das Motiv ihrer allerersten Fotografie; fünf Jahre war Gabriele Boiselle damals alt. Der Tierfotografie ist die inzwischen 66-Jährige treu geblieben, auch wenn sie heute fast ausschließlich Pferde in den Fokus ihrer Kamera nimmt. Die Speyererin hat Kommunikationswissenschaften studiert, für SWR, SDR sowie Gruner & Jahr als Journalistin gearbeitet. Fotografiert hat sie immer. Zunächst Dias und als Hobby.
Im Staatsgestüt El Zahraa in Kairo machte sie Fotos von edlen Arabern, damals noch für die kahlen Wände ihres Redaktionsbüros. Dabei lernt sie einen Araberzüchter aus Jordanien kennen. Der ist von ihren Fotografien begeistert und fragt sie, ob sie nicht Lust hätte, nach Jordanien zu kommen, um seine Pferde und die seiner Nachbarin für einen Werbe-Kalender für beide Gestüte zu fotografieren. Hat sie. Dass die Nachbarin Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Alia Bint Al-Hussein ist, erfährt sie erst vor Ort. Der Kalender wird weltweit vertrieben und in der Arabian Horse World, die sich jeden Monat mit den Reichen, ihren Pferden und Gestüten beschäftigt, vorgestellt.
Gabriele Boiselle soll für Arabian Horse World einen zweiten Kalender fotografieren, doch zuerst für die Zeitschrift in die Sowjetunion fliegen - zu einem Arabergestüt im kaukasischen Pjatigorsk. Die "russischen Araber" aus dem Kaukasus erzielen bei Auktionen zu dieser Zeit Rekordpreise von über zwei Millionen US-Dollar. Boiselle ist fasziniert. Von den Pferden. Von der Auktion. Von den Menschen. Und von der Welt hinter dem eisernen Vorhang. Anstelle eines kleinen Textes und 100 Dias schickt sie der Zeitschrift ein Paket mit 500 Dias und 30 Seiten Text. Bei der Zeitschrift ist man begeistert und veröffentlicht den komplette Reisebericht zusammen mit Gabriele Boiselles Fotos auf einer Strecke von 80 Seiten.
Danach fotografiert sie für den Verlag in Polen, anschließend in Spanien. "Und plötzlich war ich Pferdefotografin", sagt Gabriele Boiselle schulterzuckend. Und damit änderte sich in den Achtziger Jahren ihr ganzes Leben. Wird man so also Pferdefotografin? Durch Zufall? Gabriele Boiselle widerspricht energisch. Sie glaubt nicht an Zufälle, lieber ans Schicksal, das ihr ein so reiches und erfülltes Berufsleben beschert hat. Auch, weil die Speyererin die Möglichkeiten, die sich ihr boten, genützt und hart gearbeitet hat.
Heute lebt sie mit einer ganzen Menagerie am Rande von Speyer. Auf dem Hof ihrer Großeltern führt sie ihren eigenen Pferdefachverlag. Mehr als 20 Bücher hat sie in vielen Sprachen veröffentlicht und hunderttausende Kalender. Auf dem Voglerhof im Herzen von Speyer befindet sich auch ihr riesiges Archiv mit Fotografien von Pferden unterschiedlichster Rassen.
Jungen, von Pferden begeisterten Mädels, die zu ihr kommen und Pferdefotografin werden wollen, rät sie, einen vernünftigen Beruf zu erlernen und die Pferdefotografie als Hobby zu betreiben. Nicht nur, weil viele die Arbeit unterschätzen, die hinter den tollen Fotos steckt, die Nächte am Computer, die fehlenden Wochenenden, der organisatorische Aufwand, sondern auch, weil der Beruf des Fotografen durch die Qualität der Kameras korrumpiert worden sei.
"Heute kann fast jeder ein gutes Foto machen - sogar mit dem Handy", sagt Gabriele Boiselle. In ihren Seminaren und Workshops, auf Facebook und YouTube geht es daher ganz oft auch gar nicht um die Technik des Fotografierens, sondern vielmehr um eine "Schule des Sehens". Wenn Gabriele Boiselle ihr Foto macht, dann hat sie bereits eine fertige Vorstellung davon im Kopf. "Ich dokumentiere nicht, ich kreiere", sagt sie. Das funktioniert nur so erfolgreich, weil sie eine besondere Verbindung zu Pferden hat. Und den Anspruch, die Pferdeseele in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen.
"Das ist wie Talent zum Singen - entweder man hat es, oder man hat es nicht", beschreibt sie ihre Gabe. "Gut fotografieren zu können, das reicht für die Pferdefotografie nicht aus - zumindest dann nicht, wenn die Fotos den Betrachter in ihren Bann ziehen sollen." Die wunderschönen und sensiblen Tiere vertrauen ihr. Es geht ihr nicht darum, ihren Workshop-Teilnehmern zu vermittelt, wie das perfekte Bild entsteht, sondern wie eine Verbindung zum Pferd über die Kamera hergestellt werden kann.
Gabriele Boiselle hat die Pferde des Königs von Marokko fotografiert und die des Maharadschas von Jaipur, sie war zu Pferd mit Gauchos unterwegs und hat in Arabien auf dem Boden eines Beduinenzeltes übernachtet. Auch nach mehr als 30 Jahren als Pferdefotografin denkt Gabriele Boiselle noch nicht ans Aufhören. Und langweilig wird es ihr schon gar nicht. "Es gibt nichts Aufregenderes", sagt sie. Nach wie vor ist sie von Pferden, von den unterschiedlichen Rassen, den Züchtern und den fremden Ländern fasziniert, hat sich ihre Neugierde bewahrt und plant viele weitere Projekte und Reisen: "Ich könnte das noch hundert Jahre machen."
Fotoreisen nach Slowenien, Bulgarien, Rumänien, Portugal, Andalusien und Island stehen auf ihrer Liste. Weil viele Staatsgestüte, die sich der Erhaltung bestimmter Rassen verschrieben haben, nicht profitabel arbeiten, verschwinden sie langsam. Gabriele Boiselle geht es auch darum, auf ihren Fotos möglichst viele unterschiedliche Rassen des "Kulturguts Pferd" fotografisch festzuhalten - so lange es sie noch gibt. "Pferde sind mein Schicksal", sagt die Frau, von der es heißt, ihr erstes Wort sei "hühott" gewesen. [cobc]
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