Seit 60 Jahren wird gegen Polio geimpft
Experten empfehlen den Blick in den Impfausweis
Speyer. 1962 wurden in Rheinland-Pfalz die ersten Polio-Impfungen verabreicht. Damals noch als Schluckimpfung. Das Ziel: die Kinderlähmung weltweit auszurotten. Doch das ist in den 60 Jahren seit damals nicht gelungen. Vor allem in Afghanistan und Pakistan treten noch Polio-Wildviren auf. Aktuell taucht die Krankheit in Einzelfällen auch in Ländern auf, in denen es seit Jahrzehnten keine Kinderlähmung mehr gegeben hat: Es gab Polio-Ausbrüche in den USA, in Israel und in Großbritannien. In Deutschland gab es seit Jahrzehnten keinen Fall. Wäre auch hier ein erneuter Ausbruch der Kinderlähmung möglich?
Experten halten das für unwahrscheinlich, denn die Impfquote in Deutschland ist relativ hoch. Unmöglich wäre es aber nicht. Die Infektionen in den USA und in Großbritannien wurden ausgelöst durch Viren aus der Lebendimpfung, die sich zu einem pathogenen Virus zurück entwickelt haben. Das passiert, wenn nach einer Schluckimpfung andere angesteckt werden und das Impfvirus auf eine Gemeinschaft trifft, die nicht ausreichend geimpft ist, so dass es sich so verändern kann, dass es wieder Poliomyelitis verursacht.
Im Staat New York, wo es zu einem Polio-Ausbruch kam, liegt die Impfquote nur bei etwa 60 Prozent, während in Deutschland rund 90 Prozent der Bevölkerung gegen Polio geimpft sind. Die WHO strebt eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent an. Experten gehen davon aus, dass, käme es in Deutschland zu einer Eintragung, die Zirkulation des Virus' schnell eingedämmt wäre, eben weil so viele Menschen hier gegen Polio geimpft sind. Die Experten empfehlen aber auch den Blick in den Impfausweis, um sicher zu sein, dass ein ausreichender Schutz vor Ansteckung besteht - gerne auch nochmal den Arzt drauf schauen lassen.
"Schluckimpfung ist süß - Kinderlähmung ist grausam"
Kinderlähmung ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die das Rückenmark angreift und sich im Darm vermehrt. Fieber, Kopfschmerzen, Durchfall - die Symptome bei Poliomyelitis sind nicht einheitlich. Sie kann in seltenen Fällen Lähmungen auslösen und zum Tod führen. In den 50er Jahren erkrankten Tausende Deutsche an Polio. Ein Medikament zur Behandlung der Krankheit gibt es bis heute nicht - aber einen Impfstoff, um ihren Ausbruch zu verhindern. Entwickelt hat ihn der US-Mediziner Albert Sabin: ein Lebendimpfstoff, der in Tropfen auf einem Stück Zucker eingenommen wurde. Der Impfstoff wurde im Rahmen einer groß angelegten Impfkampagne in den 60er Jahren aus den USA importiert. Das Motto der Kampagne: "Schluckimpfung ist süß - Kinderlähmung ist grausam".
Wie während der Corona-Pandemie wurden von den Behörden öffentliche Impfstellen eingerichtet, und insbesondere in Schulen und Kindergärten geimpft. Der Impfstoff war zunächst knapp, weswegen zuerst besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen dran waren: Säuglinge ab dem sechsten Lebensmonat, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Da mit einem Lebendimpfstoff geimpft wurde, kam es in seltenen Fällen noch zu Erkrankungen durch den Impferreger. Seit 1998 wird ein weiter entwickelter Totimpfstoff gespritzt. Die Stiko empfiehlt die Polioimpfung zur Grundimmunisierung bei allen Säuglingen, Kindern und Jugendlichen und eine Auffrischungsimpfung zehn Jahre nach der Grundimmunisierung.
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