Laufgruppe der Caritas hilft Suchtkranken
„Ich laufe statt zu saufen“

Suchtberaterin Andrea Rouget und Lauftrainer Stefan Streitel sind überzeugt von der positiven Wirkung des Laufens auf Suchtkranke und haben ihre Gruppe wissenschaftlich begleiten lassen | Foto: Dr. Christine Kraus
  • Suchtberaterin Andrea Rouget und Lauftrainer Stefan Streitel sind überzeugt von der positiven Wirkung des Laufens auf Suchtkranke und haben ihre Gruppe wissenschaftlich begleiten lassen
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Speyer. Laufen tut suchtkranken Menschen gut. Das beobachtet Andrea Rouget, die als Diplom-Sozialarbeiterin in der Suchtberatung im Caritas-Zentrum Speyer arbeitet, schon sehr lange bei ihren Klienten, denn seit 2002 gibt es eine Lauftherapiegruppe. Zweimal pro Woche treffen sich 15 Läuferinnen und Läufer mit Stefan Streitel im Speyerer Wald.

Der Diplom-Sozialarbeiter und Sport- und Fitnesstrainer vermittelt den Teilnehmern nicht nur die richtige Technik, sondern vor allem auch den Spaß an der Bewegung. Es geht schließlich nicht um sportliche Höchstleistung, die Gruppe orientiert sich immer am langsamsten Teilnehmer. Die Läufer bauen nicht nur schnell Kondition auf und fühlen sich körperlich fitter, auch depressive Symptome werden deutlich besser. „Laufen ist eine gute Rückfallprophylaxe“, hat Rouget festgestellt.

Doch lässt sich das auch in Zahlen fassen, wissenschaftlich belegen? Als Andrea Rouget 2020 einen Fernsehbeitrag über eine Studie der Uni Heidelberg sah, wurde sie hellhörig. Da ging es um die Auswirkungen von Sport- und Krafttraining auf die Heilung des kranken Organismus'. Wenig später wurde das Buch „Gesundheitswandern“ von Prof. Tobias Erhardt von der SRH Hochschule für Gesundheit in den Medien besprochen. Es wäre doch schön, wenn auch die Auswirkung von regelmäßigem Laufen auf Menschen mit einer Suchterkrankung untersucht werden könnte. Lässt sich die beobachtete rückfallprophylaktische Wirkung des Trainings auch wissenschaftlich belegen?

Sie nahm Kontakt mit Prof. Erhardt auf, der ihr vorschlug, dass sich Isabelle Reisinger, eine seiner Studentinnen, im Rahmen ihrer Masterarbeit mit dem Thema befasst. Das war kurz vor Pandemiebeginn. Doch Reisinger und Rouget haben das Projekt trotzdem durchziehen können, denn die Laufgruppe wurde zur Reha-Sport-Gruppe und durfte sich mit wenigen Ausnahmen, während der Pandemie weiter treffen. Das sei unheimlich wichtig für die Teilnehmer gewesen, da in dieser Zeit viele Selbsthilfegruppen nicht stattfinden konnten.

Andrea Rouget und Isabelle Reisinger haben in der Folgezeit Läufer und Menschen, die nicht laufen wollten, begleitet. „Wir sind mitgelaufen, haben Blutdruck gemessen“, erinnert sich Rouget. Andere Parameter wurden erfasst und ausgewertet. Das Ergebnis bestätigt das, was Rouget schon lange wusste: Bei den Läufern gab es bei der Beweglichkeit, der Balance und den Blutdruckwerten signifikante Verbesserungen. „Alkohol ist ein Eiweißfresser, das geht an die Muskeln, Sehnen und Bänder. Doch es zeigt sich schnell ein Trainingseffekt“, erklärt sie. Auch psychisch ging es den Läufern deutlich besser. Sie haben durch den Trainingseffekt Selbstwirksamkeit erfahren.

Besonders freut sie sich, dass es in der Laufgruppe keine Therapieabbrüche gegeben hat, wohingegen in der Kontrollgruppe Teilnehmer die Therapie schleifen ließen oder ganz abgebrochen haben. Gefragt nach ihren subjektiven Erfahrungen, berichten auch die Teilnehmer der Gruppe viel Positives. Wichtig sei es, dass sie sich in der Gruppe nicht verstecken müssen. Viele haben mit Schuld- und Schamgefühlen zu kämpfen. In der Gruppe können sie über alles sprechen. Ihre Suchterkrankung ist da nicht das beherrschende. Ihren richtigen Namen möchten sie nicht nennen, doch sie erzählen gerne über das, was das Lauftraining bei ihnen bewirkt hat.

„Hier fühle ich mich sicher und frei“, sagt Susanne (61). Als sie angefangen habe mit dem Laufen, habe sie ständig gähnen müssen. „Ich habe gemerkt, dass ich komplett entspannt bin“. „Schon beim ersten Mal habe ich gemerkt, der Ballast fällt ab und die Bewegung tut mir gut“, erzählt Christian (42). „Nichts muss einem hier peinlich sein. Frau Rouget hat mich sogar zum Wandern gebracht. Die ersten Male habe ich mir dabei immer wieder gedacht, ich laufe statt zu saufen“. Steffi (44) fühlt sich frei, sie nimmt die Schönheit der Natur wahr, die Gerüche im Wald, wo sie inzwischen auch unabhängig von der Laufgruppe viel unterwegs ist. Julia (46) hat inzwischen mit Stefan Streitels Hilfe schon an den Brezelfestläufen teilgenommen. Und Conny (60), die sich selbst als stark rückfallgefährdet bezeichnet, sagt schlicht: „Das Laufen gibt mir Halt“.

Da Andrea Rouget sieht, wie gut die Lauftherapie ihren Klienten tut, schickt sie jeden hin. „Ich sage ihnen, drei Mal müssen sie mitlaufen, dann können sie entscheiden, ob das etwas für sie ist“, erzählt sie. Zwingen könne sie die Menschen natürlich nicht, aber die, die sich aufraffen, bereuen es in der Regel nicht. „Die Lauftherapie ist so gut, so einfach umzusetzen und kostet so wenig“, zieht Rouget Bilanz. Schade sei es nur, dass sie trotzdem Jahr für Jahr um die Finanzierung kämpfen muss. Text: Dr. Christine Kraus

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Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

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