Lisa Kiefer ist als Beifahrerin eine heimliche Heldin des Rennsports
Speyer. Lisa Kiefer verdankt ihre Motorsport-Begeisterung ihrer Familie mütterlicherseits. Wenn sie sich an die ersten Rennen erinnert, bei denen sie als Zuschauerin dabei war, dann an eine Männerwelt, in der das Klischee gepflegt wurde, dass Frauen nicht einparken, geschweige denn Rennen fahren können. Über solche Vorurteile kann die 32-Jährige heute nur noch müde schmunzeln. Sie zählt schon lange zu den erfolgreichsten Rallye-Beifahrerinnen in Deutschland.
Gemeinsam mit Alexander Merkel hat sie 2021 die Deutsche Rallye Meisterschaft in einem Opel Corsa Rally4 gewonnen. 2023 hätte sie im Team mit ihrem Freund Raffael Sulzinger gerne an diesen Erfolg angeknüpft, aber ihr Ford Fiesta Rally4 und die Technik haben nicht mitgespielt. Trotzdem hätten sie's im letzten Meisterschaftslauf bei der Rallye Stemweder Berg noch schaffen können, sammelten ordentlich Punkte - und wurden am Ende Vizemeister. Mit einem Punkt Differenz.
Beifahrer, das sind eher die heimlichen Helden des Rennsports. Während über die Piloten der Rallyeautos viel gesprochen wird, scheinen viele die Person auf dem Beifahrersitz für einen Passagier zu halten. Weit gefehlt. Die Beifahrerin ist ein wichtiges Teammitglied, dessen Fähigkeiten über Erfolg oder Misserfolg eines Rennens maßgeblich mit entscheiden. Beim Rennen lotst der Beifahrer den Piloten zu den einzelnen Zeitnahmen und dirigiert ihn über die Wertungsprüfungen auf Bestzeit. Dafür erstellt er zuvor ein sogenanntes "Gebetbuch".
„Ein perfekter Aufschrieb ist wichtig“, betont Kiefer. Erstellt wird der in der Einführungsrunde. Mit Kürzeln notiert sie die verschiedenen Aufgaben und "betet" sie dem Piloten später im Wettbewerb vor. Dazu gehören Entfernungsangaben, Fahrtrichtung, Kurvenradius, aber auch Besonderheiten wie Kuppen oder Querrinnen. Der Fahrer verlässt sich blind auf die Ansagen vom Beifahrersitz - würde er auf Sicht fahren, er wäre zu langsam. Auch von der Technik sollten sowohl Fahrer als auch Beifahrer Ahnung haben.
Nun ist es nicht so, dass die begeisterte Motorsportlerin nicht gerne selbst am Lenkrad sitzen würde. 2011 - kurz nach ihrem Abitur - schreibt sie sich in den Slalom-Youngster-Cup des ADAC Pfalz ein, fährt damals auf Autos des ADAC. Nur wenig später ist sie mit einem eigenen Peugeot 106 Rallye bei Meisterschaften dabei. Doch die Studentin erkennt schnell: "Selbst zu fahren, das kann ich mir nicht leisten." Auch nach dem Studium - inzwischen ist Lisa Kiefer Lehrerin für Sonderpädagogik und lebt in Speyer - nicht. "Der Motorsport wird immer teuerer", sagt sie. Und für Amateure werde es immer schwieriger.
Als der saarländische Slalommeister Stefan Petto aus Nonnweiler 2012 einen Beifahrer für die Rallye Kempenich sucht, wittert Lisa Kiefer ihre Chance, doch noch in die Rallyeszene einzusteigen. Petto vermittelt ihr die Grundkenntnisse einer Beifahrerin. „Ein Beifahrer hat viel mehr Aufgaben als man als Außenstehender vermutet“, erläutert die erfahrene Co-Pilotin. Nicht nur, dass er den Piloten dirigiert oder Runden abstreicht, er ist auch der Hüter der Zeitkarte. Geht die verloren, ist das Rennen vorbei. Als Beifahrer ist man auch ein bisschen "Mädchen für alles", übernimmt die Anmeldung zur Veranstaltung, bucht die Übernachtungen für das Team und kümmert sich um die Nachbearbeitung, während der Fahrer nach dem Wagen sieht.
Inzwischen ist Kiefer eine begehrte Beifahrerin. Sie fährt viel und mit wechselnden Fahrern. Mit Chris Gropengiesser hat sie im Skoda Fabia RS Rally2 ihren ersten Gesamtsieg eingefahren. Sie ist in Tschechien gefahren und in Frankreich, wo die Motorsport-Begeisterung groß ist und die Atmosphäre dementsprechend. Mit ihrem Freund ist sie ihre erste E-Rallye gefahren. Außerdem ist sie zum ersten Mal mit ihrem Bruder Maximilian Kiefer gefahren: beim ADAC Rallye Sprint Cup Region Mitte im Suzuki Swift Sport. Und noch eine Premiere gab es: Erstmals ist sie mit einer Frau gefahren. Mit Claire Schönborn die Opel Corsa Electric Rally. Schönborn ist eine von 15 Frauen, die es ins Rally Women's Driver Development Program geschafft haben.
2024 ist das Gespann Sulzinger/Kiefer keine Saison gefahren, war stattdessen auf Sponsorensuche. "Wir wollten bei zwei Rennen in Bayern zeigen, was wir können, hatten aber großes Pech mit dem Auto", berichtet sie. Beim ersten Rennen sind sie wegen einer abgebrochenen Zündkerze nicht ins Ziel gekommen, beim zweiten riss die Turbowelle ab. "Das waren zwei Ausfälle, für die wir nichts konnten, aber dennoch war's ärgerlich", resümiert Lisa Kiefer. Für das kommende Jahr strebt sie an, wieder eine Meisterschaft zu fahren. Wenn es das Budget erlaubt.
Wenn es die Zeit erlaubt, dann fährt Lisa Kiefer immer noch selbst mit ihrem "kleinen Löwen" Slalom. Am liebsten gegen ihren kleinen Bruder. Dabei schenken sich die beiden Geschwister nichts. "Der darf auf keinen Fall schneller sein als ich", grinst die Motorsportlerin. Angst vor der Geschwindigkeit hat Lisa Kiefer nicht, Respekt schon. Der Nervenkitzel mache sie hellwach. Den Straßenverkehr findet sie viel gefährlicher als den Rennsport. "Wenn ich bei jemandem privat mitfahre, dann würde ich mir oft Helm und Sechs-Punkt-Gurt wünschen", sagt sie schmunzelnd. [cobc]
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