Staatliche Hilfe deckt den finanziellen Verlust nicht
"Ein Tropfen auf den heißen Stein"
Schifferstadt/Römerberg/Speyer. In Deutschland dürfen zur Zeit knapp zwölf Millionen Mitglieder nicht bei professionellen Gesundheits- und Fitnessanbietern trainieren. Die Sport-, Gesundheits- und Fitnessbranche ist durch den coronabedingten Lockdown besonders hart getroffen - und fühlt sich in einer Diskussion, in der es hauptsächlich um die wirtschaftliche Zukunft von Betrieben im Einzelhandel oder in der Gastronomie geht, zu wenig wahrgenommen. Von der Öffentlichkeit, aber auch von der Politik.
Thomas Glaser, Betreiber des Injoy Schifferstadt, beziffert den Gesamtschaden in seinem Fitnessclub mit einem "höheren sechsstelligen Betrag". Was er an November- und Dezemberhilfen vom Bund erhalten habe, sei dagegen ein Tropfen auf den heißen Stein. Für den Dezember hat er erst eine Abschlagszahlung erhalten, weil dieser Monat aber noch nicht endgültig abgewickelt ist, kann er die Überbrückungshilfe III derzeit noch gar nicht beantragen. Überhaupt sei die Antragstellung für die Überbrückungshilfe, die ohnehin nur noch einen Teil der Fixkosten anrechnet, sehr kompliziert und ohne Steuerberater nicht möglich. Nachdem er im ersten Lockdown bereits durchs Raster gefallen war, hatte er sich im November nicht vollständig auf die Finanzhilfen des Bundes verlassen wollen - und bucht auch weiterhin Mitgliederbeiträge ab. "Ohne könnten wir uns nicht über Wasser halten", sagt er.
"Viele glauben, uns gehe es gut, weil sie davon ausgehen, dass wir als Selbstständige automatisch alle ausreichend wirtschaftliche Hilfe vom Staat erhalten", sagt Mario Lutz, der gemeinsam mit seiner Frau Silvia die Efitiv-Frauenfitness-Studios in Speyer und Römerberg betreibt. Lutz hat sich nach den Erfahrungen im ersten Lockdown entschieden, weiter Beiträge einzuziehen, statt sich auf staatliche Hilfe zu verlassen.
"Ohne die Beiträge unserer Mitglieder könnten wir uns nicht über Wasser halten"
"Wir wären entweder ganz durchs Raster gefallen - oder das Geld hätte nicht ausgereicht, um unsere Fixkosten zu decken", so Lutz. Die Mitglieder stehen in dieser schwierigen Zeit zu ihrem Studio, weil Lutz offen mit ihnen redet. "Wir haben all unsere Mitglieder angerufen", erzählt er. Natürlich zahlen längst nicht alle, aber die meisten. Nach dem ersten Lockdown hat Lutz 70.000 Euro in Umbauten gesteckt, um die Abstände einhalten zu können, aber auch um zusätzliche Angebote zu schaffen. Finanziert über Kredit.
"Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Mitglieder weiter ihren Beitrag zahlen", unterstreicht er. Die Zeit habe er, gemeinsam mit seinem Team, gut genutzt, um seinen Kundinnen einen Mehrwert bieten zu können, wenn die Studios wieder öffnen dürfen: Neue Konzepte wurden er-, die Website überarbeitet, Zertifizierungen nach DIN-Norm in Qualität und Hygiene vorangetrieben, die Mitarbeiter geschult. All dieses Tun hat Lutz über seine Website und über die sozialen Medien nach außen getragen, damit die Mitglieder sehen, dass es das Studio auch nach dem Lockdown noch geben wird. Auch Glaser investiert: in mehrere Aerosol-Luftreiniger, in Flächendesinfektion vom Profi und in die Digitalisierung.
Mario Lutz kann seine Kosten decken, muss aber einen Umsatzverlust von knapp unter 30 Prozent hinnehmen - nicht eingerechnet die Vergünstigungen, mit denen er nach der Wiedereröffnung des Studios seinen Kundinnen die Beitragszahlung während des Lockdown vergüten will. Bei Injoy in Schifferstadt kriegen die Mitglieder ihre während des Lockdown gezahlten Beiträge auf die Laufzeit ihrer Verträge gut geschrieben, so dass die Rückzahlung zwar nicht auf einmal erfolgt - aber sie kommt auf Glaser zu.
Bis zu drei Jahre, schätzen beide Studiobetreiber, könnte es dauern, bis die pandemiebedingten Rückschläge wieder aufgearbeitet sind. Denn trotz treuer Mitglieder gibt es in Fitnessstudios immer auch Fluktuation, die im Normalfall durch die Akquise neuer Mitglieder aufgefangen wird - derzeit aber eben nicht. Und die Zeit der guten Vorsätze zum Jahresanfang, die scheint 2021 auch verloren. Positiv stimmen jedoch die Rückmeldungen der Mitglieder, die auf eine Öffnung "ihres" Studios hinfiebern und daheim bereits auf der gepackten Sporttasche sitzen. Zum Teil aber eben auch mit gesundheitlichen Problemen, mit Rückenschmerzen, Übergewicht und Depressionen. "Die gesundheitlichen Folgen der Pandemie zeigen eindeutig, dass unsere Branche systemrelevant ist", sagt Glaser.
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