Anfrage des Abgeordneten Michael Wagner
Finanz- und steuerrechtliche Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie
Speyer. Vieler Berichterstattungen in den regionalen und überregionalen Medien zur Folge wirkt sich die Corona-Pandemie mit ihren Folgen auch entscheidend auf die Wirtschaft aus. Bilanzielle Jahresabschlüsse wie im Vorjahr sind aufgrund der Krise für einige Betriebe nicht mehr zu erreichen. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit und des volatilen Verlaufes, insbesondere was die Auswirkung auf die Kaufkraft infolge der allumfassenden Präsenz des Coronavirus angeht, konnten finanztechnische wie bilanzielle Vorkehrungen, wenn überhaupt, nur partiell getroffen werden.
Vor diesen wirtschaftlichen Auswirkungen bleiben auch Betriebe in Rheinland-Pfalz nicht verschont. Das Finanzamt kann gemäß § 222 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Dabei handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme, die nur unter den in der Norm aufgeführten Voraussetzungen möglich ist und im Ermessen des Finanzamtes liegt. Nach dem Wortlaut soll die Stundung in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden.
Auf die Gestellung von Sicherheitsleistungen kann nach Darlegung der konkreten Situation verzichtet werden. Allerdings können nach § 234 AO Stundungszinsen für die gewährte Dauer der Steuerstundung erhoben werden. Auf diese Stundungszinsen kann die Finanzverwaltung ganz oder teilweise verzichten. Dies ist dann der Fall, wenn nach § 234 Absatz 2 AO die Erhebung der Stundungszinsen nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre.
Rechtsprechung wie Literatur unterscheiden bei der Beurteilung des unbestimmten Rechtbegriffs der „erheblichen Härte“ nach persönlichen und sachlichen Gründen (vgl. zum Beispiel Rüsken, in Klein, AO, § 222 Rz. 4; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 25). Persönliche Gründe richten sich, wie der allgemeine Sprachgebrauch schon andeutet, an die persönlichen Verhältnisse der Schuldner, also insbesondere sind damit plötzliche finanzielle nicht planbare Notlagen gemeint. Sachliche Gründe orientieren sich an der Höhe der Steuerschuld. Diese entsprechenden Voraussetzungen müssen von den Steuerschuldnern substantiiert dargelegt werden. In der Vergangenheit wurde bei Naturkatastrophen, wie zum Beispiel Hochwasser, entsprechende Verwaltungsrichtlinien seitens der jeweiligen Finanzministerien an die Finanzämter erlassen, dass bei Anträgen nach § 222 AO aufgrund der konkreten Naturkatastrophe eine erhebliche Härte im Sinne der Norm anzunehmen wäre, was für die Finanzämter bei der Bewertung der bestimmten Fälle „intendierendes Ermessen“ bedeutete. Somit konnten die vorzunehmende Ermessensentscheidungen der Ämter für die konkreten Fälle erleichtert- und mittelbar die Anforderung an die Darlegungslast der betroffenen Steuerschuldner reduzieren werden. Zudem wurde über entsprechende Erlasse auch die Anwendung des Verzichts auf die Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO für den auf diese Ursachen beruhenden Regelfall nahe gelegt.
Ein weiterer steuerrechtlicher Mechanismus, der auf veränderte wirtschaftliche Situationen von Betrieben angewendet werden kann, ist die Möglichkeit der Herabsetzung der Einkommenssteuervorauszahlung gemäß § 37 Abs.3 S. 3 EStG. Grundsätzlich bemisst sich die Höhe der Vorauszahlung nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§ 36 Absatz 2 Nummer 2 EStG) bei der letzten Veranlagung ergeben hat, vgl. § 37 Abs.3 S.2. Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift hingegen, soll dem Finanzamt die Möglichkeit geben, die Steuerzahlung rasch an veränderte Verhältnisse anzupassen, und zwar sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil des Steuerschuldners (BFH v. 27.9.1976– VIII B 69/75, BStBl.). Dabei muss der Steuerpflichtige diese sich ergebenden veränderten Verhältnisse „glaubhaft“ machen.
Vor diesem Hintergrund fragt Michael Wagner die Landesregierung:
Bewertet die Landesregierung die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf rheinland-pfälzische Betriebe derart, dass man eine „erhebliche Härte“ im Sinne des § 222 AO annehmen kann, die zur Anwendung der von Gesetzeswegen vorgesehenen Steuerstundung für Betroffene führen soll?
Sind bereits entsprechende Verwaltungsrichtlinien (die, die Ermessensentscheidung intendieren) seitens des Finanzministeriums zur Handhabung von Anträgen nach § 222 AO erlassen worden, bei denen sich die Betroffenen auf die Corona-Krise beziehen?
Wie bewertet die Landesregierung den Verzicht von Stundungszinsen für entsprechende Fälle? Wenn nein, plant die Landesregierung den Erlass solcher Richtlinien?
Können wirtschaftliche Einbußen beruhend auf der Corona-Krise als Grund für die Anwendung der Herabsetzungsmöglichkeit von Vorauszahlungen nach § 37 Abs.3 S.3 EStG gesehen werden?
Gedenkt die Landesregierung per Erlass von Verwaltungsrichtlinien die Anforderungen an das „Glaubhaftmachen“ im Sinne der Vorschrift des § 37 Abs.3 S.3 EStG für Steuerpflichtige aufgrund der aktuellen Situation zu erleichtern? (zum Beispiel durch vorläufige Zusammenstellung von BE, BA und SA, Vorlagen von Zwischenbilanzen, et cetera)
Wie gedenkt die Landesregierung über steuerliche Erleichterungen hinaus den Unternehmern in dieser nicht ganz einfachen Zeit zu helfen, damit diese auch den Verpflichtungen ihren Arbeitnehmern gegenüber nachkommen können? ps
Autor:Jessica Bader aus Mannheim |
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