Speyer: Einkaufserlebnis in der Stadt
"Höchste Zeit für ein Umdenken"
Lokal einkaufen.Speyer ist eine schöne Einkaufsstadt. Doch während des Lockdowns blieben auch hier die meisten Läden geschlossen, der Onlinehandel florierte. Warum der Einkauf im Internet keine gute Idee ist, erklärt der Vorsitzende der Speyerer Leistungsgemeinschaft „Das Herz Speyers“ Peter Bödeker im Gespräch mit Redakteurin Cornelia Bauer.
Die Konkurrenz der lokalen Einzelhändler sitzt schon länger nicht mehr in den Nachbarstädten, sondern verkauft online im Netz. Corona hat die Situation noch verschlimmert. Mit welchen Konsequenzen?
Peter Bödeker: Wenn man sehen will, was mit einer Stadt passiert, in der der Handel nicht mehr funktioniert, muss man nicht weit fahren. Ludwigshafen oder Worms sind Beispiele dafür, was passiert, wenn die Läden sterben. Alles Klagen nutzt da nichts, vielmehr muss man sich bewusst machen: Jeder Einzelne entscheidet mit seinem Einkauf darüber, wie sein Heimatort künftig aussehen wird. Und jeder Einzelne trägt dafür die soziale Verantwortung. Wer sich bewusst entscheidet, vor Ort einzukaufen und Dienstleistungen vor Ort in Anspruch zu nehmen, der investiert in seine Nachbarschaft. Und das ist wichtig für unser Zusammenleben. Lebendige Städte und Gemeinden sind nur denkbar mit lokalem Einzelhandel und mit Dienstleistern vor Ort. Wer will, dass die Speyerer Innenstadt bunt bleibt und Aufenthaltsqualität bietet, der muss auch sein Geld hier ausgeben. Auch weil dieses Geld über die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Kommunen die wirtschaftliche Grundlage unserer Heimat stärkt. Wenn das lebendige Zentrum fehlt, Heimat nicht mehr "erlebbar" ist, dann fehlt auch eine wichtige Möglichkeit der Identifikation, dann macht das emotional etwas mit uns. Worms war einmal wunderschön. Wenn wir wollen, dass unser Speyer eine Zukunft hat, dann müssen wir Verantwortung übernehmen. Es ist noch nicht zu spät, aber höchste Zeit für ein Umdenken.
Was sagen Sie zu Menschen, die den Interneteinkauf "bequem" finden?
Bödeker: Dass sie sich darüber im Klaren sein müssen, dass sie die Arbeitsplätze ihrer Mitmenschen killen, dass sie Einkaufsstandorte und am Ende ihre Heimat killen. Der Konsument hat eine Verantwortung. Mit seiner Entscheidung, den Postboten zu seinem Verkäufer zu machen, ist er dafür verantwortlich, wenn der Fach-Einzelhandel, der in Aus- und Weiterbildung und überhaupt in Mitarbeiter mit Fachwissen investiert, stirbt. Mit seiner Entscheidung unterstützt er Online-Riesen, die in Deutschland kaum Steuern zahlen. Und er ist verantwortlich für einen "Paket-Tourismus", der die Straßen voll macht. Die Statistik sagt, dass mehr als 60 Prozent der versendeten Artikel wieder zurückgeschickt wird. Diese sinnlose Warenverschickerei entbehrt jeglichen Verantwortungsbewusstseins - auch für unsere Umwelt.
Und welche Rolle spielt der Einkauf fürs gesellschaftliche Miteinander?
Bödeker: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein Einkaufserlebnis ist, wenn der Paketbote klingelt! Ich selbst bin so froh, dass der Weihnachtsmarkt stattfinden kann und freue mich auf die Atmosphäre, auf die von den Kindergärten geschmückten Weihnachtsbäume, auf die Domkrippe und die schöne Beleuchtung. Ein Einkauf in der Stadt ist so viel mehr als die Versorgung mit Waren. Man nimmt sich Zeit - für sich oder für Freunde, genießt mit allen Sinnen, trifft sich noch im Café mit Freunden oder geht gemeinsam bummeln. Wenn wir eines aus Corona gelernt haben, dann doch wie wichtig der soziale Kontakt zu anderen ist, wie bedeutsam die gemeinsam verbrachte Zeit. Vor diesem Hintergrund kann ich den anonymen Einkauf im Internet noch viel weniger verstehen. Ich halte die Bestellung im Internet für gewissenlos; sie passt nicht in unsere Zeit. Ich appelliere an alle Konsumenten, für die anderen Menschen in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, zusammenzurücken und durch den Einkauf vor Ort den Standort zu stärken. Wir entscheiden jetzt alle gemeinsam, wie wir künftig zusammenleben wollen. cob
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