Erster Speyerer Abendbummel
"Im Speyerer Einzelhandel steckt so viel Leidenschaft"
Speyer. Etwa 50 Interessierte nutzten die Gelegenheit, um beim ersten Speyerer Abendbummel einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Die Wirtschaftsförderung hatte dazu eingeladen, den Speyerer Einzelhandel einmal von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen - und vor allem zu einer ganz anderen Uhrzeit.
Nach Ladenschluss machten sich fünf Gruppen auf den Weg durch die Speyerer Fußgängerzone und auf Entdeckungstour. Fünf Geschäfte hatten sich dazu bereit erklärt, den Feierabend an diesem Mittwoch nach hinten zu verlegen und ihren Besuchern Einblicke in ihre Arbeit zu gewähren, die es während der regulären Öffnungszeiten und beim alltäglichen Einkauf so wohl eher nicht geben dürfte.
"Im Speyerer Einzelhandel steckt so viel Leidenschaft, die verdient einfach die Wertschätzung einer solchen Veranstaltung", sagt Alexander Walch, der die Führung einer der fünf Gruppen übernommen hatte. Das Interesse am neuen Veranstaltungsformat war groß. Die Besucher kamen nicht nur aus Speyer, ein Herr kam zum Beispiel aus Wattenheim und auch ein Paar aus Mannheim nutzte die Gelegenheit zu einem besonderen Bummel durch die Domstadt.
Gut gelaunt, offen und interessiert bewegten sich die fünf Gruppen von Geschäft zu Geschäft. Welche genau das sein würden, war im Vorfeld nicht verraten worden. Gruppe drei unter der kundigen Führung von Silvia Gonsior von der Wirtschaftsförderung drängte sich zunächst in den kleinen, aber feinen Laden von Hermann Preuss. In dritter Generation bietet der Messerschmiedemeister in der Nähe des Altpörtels Messer aller Art, Scheren und - als Ergänzung - auch Pinsel und Bürsten an.
Stolz präsentiert er japanische Messer aus Damaszener Stahl und - aufbewahrt in einer "Schatzkiste" - Rasiermesser mit Speyerer Motiven, die sein Vater selbst hergestellt hat. Im Anschluss geht es nur wenige Schritte weiter zu Beisel Hüte in die Roßmarktstraße. Hier erläutert Andrea Veth anhand einer Zeichnung des Speyerer Künstlers Johannes Steinhäuser die Geschichte des Familienunternehmens, die mit der Fertigung von Hüten durch die Oma in deren Küche beginnt.
Leicht gewinnt man den Eindruck, dass sich hier nicht nur modebewusste Kunden mit schicker Kopfbedeckung versorgen, sondern dass die Originale bei Beisel Hüte schon immer auch hinter der Ladentheke stehen. "Die Kunden identifizieren sich mit unserem Laden und lassen es sich nicht nehmen, bei unseren Veranstaltungen dabei zu sein", sagt Andrea Veth, die Enkelin der Firmengründerin. Erlebnisse, wie sie das Internet nunmal nicht bieten kann.
Auch die Nachfolge ist bereits geregelt: Leon Joos kam als Praktikant der Designschule - und ist geblieben. Er plant, die Tradition des Speyerer Hutgeschäfts auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Apropos Original: Gleich nebenan hat Heiner Schultz in den siebziger Jahren sein Blumengeschäft eröffnet. Gemeinsam mit seiner Frau Regina verbindet der gelernte Gärtner hier seine Leidenschaft für alte Dinge mit ungewöhnlichen Arrangements aus Naturmaterialien. "Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen", erklärt er seinen Erfolg im 48. Jahr.
Um Kreativität geht es auch bei Andrea Seufert in der Wollzeit. Allerdings hat sie ihren Laden gerade erst eröffnet.Um Konkurrenz aus dem Internet macht sie sich keine Sorgen: "Garne muss man fühlen können", sagt sie. Und: "Stricken hat immer mit Emotionen zu tun". Aktuell plant sie, ihren Laden um ein Strickcafé zu erweitern. Zum Abschluss der Tour geht es in die Einhorn-Apotheke, wo Apotheker Stefan Baum an eine Zeit erinnert in der es Fertigarzneimittel noch nicht gab. Stattdessen führte die Einhorn-Apotheke, die es mindestens seit 1457 in Speyer gibt, Tinkturen, Elixiere und Pülverchen in Gefäßen aus Wurzelholz. Als kleine Erinnerung daran serviert er seinen Gästen am Ende sein eigenes Elixier: Stomachikum heißt das Gebräu, das er nach einer alten Rezeptur mit 40 Kräutern zubereitet.
Und das Fazit nach diesem ersten abendlichen Bummel durch Speyer? Begeisterte Besucher, die Lust auf mehr haben. "Uns sind bei diesem Bummel so viele Geschäfte eingefallen, bei denen sich ein Blick hinter die Kulissen ebenfalls anbieten würde, da gibt es sicher eine Fortsetzung", erklärt Silvia Gonsior am Schluss.
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