Große Lachen-Speyerdorfer Hilfsaktion
Ukraine: Vier Tage im 7,5-Tonner

Zahlreiche Helferinnen und Helfer beteiligten sich an der großen Lachen-Speyerdorfer Hilfsaktion für die Ukraine. Foto: Carsten Hofsäß
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  • Zahlreiche Helferinnen und Helfer beteiligten sich an der großen Lachen-Speyerdorfer Hilfsaktion für die Ukraine. Foto: Carsten Hofsäß
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Von Carsten Hofsäß

Ukraine-Hilfe. Am 7. März startete der Hilfstransport aus Lachen-Speyerdorf um 6 Uhr morgens an der Alten Turnhalle. Vier Tage verbrachten Claus Schick und Carsten Hofsäß in einem 7,5-Tonnen-LKW der Firma Mattern, um ins ostungarische Tornyospálca nahe der Grenze zur Ukraine zu fahren, wo den ukrainischen Partnern des kirchlichen Arbeitskreises Ukraine-Pfalz verschiedene Hilfsgüter übergeben wurden. Denn mit dem Beginn des Krieges hat sich für die Menschen in der Ukraine das Leben schlagartig verändert.
„Wir hatten so viele Pläne, haben immer gespart. Und jetzt?“ Natalie Mashiko, Deutschlehrerin im westukrainischen Mukatschewo, fällt es nicht leicht, über die aktuelle Situation zu sprechen. „Wir hätten nie mit einem Angriff gerechnet. Momentan machen wir keine Pläne.“ In Transkarpatien, der westlichen Oblast (vergleichbar einem Bundesland), die an vier EU-Länder angrenzt, sind bereits viele Binnenflüchtlinge angekommen, die die Ukraine noch nicht verlassen wollen oder aber doch ihr Glück in der EU suchen. Es habe sich einiges verändert. „Die Blicke sind finsterer“, erklärt sie. Freunde ihrer Familie hätten Kyjiw verlassen und seien mit dem Auto nach Mukatschewo gefahren, eine Neustadt vergleichbare Stadt, zu der die protestantische Kirchengemeinde Lachen-Speyerdorf vielfältige Beziehungen unterhält. Über drei Tage waren sie unterwegs, erzählt Mashiko. Wie ihnen gehe es vielen Flüchtlingen, weswegen viele Schulen und Kindergärten zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut wurden. „Wir brauchen Medikamente, Matratzen, Schlafsäcke, Lebensmittel, Taschenlampen, Handys,…“ zählt sie auf. In Abstimmung mit ihr und Julia Taips, die den Verein „Deutsche Jugend in Transkarpatien“ leitet, wurde deshalb in Lachen-Speyerdorf zu einer Spendenaktion aufgerufen, „die unsere Erwartungen weit übertroffen hat“, erklärte der Lachen-Speyerdorfer Pfarrer Stephan Oberlinger.
Die Hilfsgüter wurden von vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, für deren leibliches Wohl die Damen der „Strickstubb“ sorgten, sortiert, geladen und nach Tornyospálca gefahren, wo die ungarisch-reformierte Kirche unter der Leitung von Pfarrer József Szántó Lagerflächen für Sachspenden des Arbeitskreises Ukraine-Pfalz bereithält. Diese werden von der Diakonie im ukrainischen Berehovo oder von anderen Einrichtungen wie einer Behindertenwerkstätte, einem Kinderheim oder beispielsweise Julia Taips´ Verein abgeholt. Transporte über die Grenze können nach wie vor stattfinden, für humanitäre Hilfen gibt es einen grünen Korridor, sodass man nicht zu lange warten muss.
Oxana Lisamtse, Switlana Adamenko und Marina Andromati, Volontäre aus Mukatschewo, luden die Hilfsgüter, unterstützt von vielen Mitgliedern der örtlichen Kirchengemeinde, in einen Transporter und einen PKW, um sie in die Ukraine zu bringen. Besonders die Matten, Schlafsäcke und Pampers sowie Verbandsmaterial waren gefragt. Was nicht in den Transporter passte wurde im Lager abgestellt. „Wir sind sehr dankbar für diese Hilfe“, erklärte Julia Taips am Telefon. „Es gibt viele Flüchtlinge bei uns, es ginge nicht ohne diese Unterstützung.“
In Szántós Kirchengemeinde sind bereits mehr als 60 ukrainische Flüchtlinge angekommen und in Familien untergebracht, was ihn vor neue Herausforderungen stellt. Aber: „Massenunterkünfte sind nicht gut, die Menschen sollen, wenn sie bleiben, in die Gemeinde integriert werden“, betont er. „Letzten Freitag waren 250 Flüchtlinge bei uns, am Dienstag nur noch 100. Viele sind zurück- oder weitergezogen.“ Szántó unterstützt auch Kirchengemeinden auf der ukrainischen Seite durch Einkäufe, die er an der Grenze übergibt. In manchen Gemeinden seien bestimmte Produkte nur schwer verfügbar. „Wenn jemand in Not ist, dann muss man helfen“ beschreibt er seine Motivation. Er versorgt schon seit vielen Jahren Roma, die in seiner Gemeinde leben, viele fanden durch ihn in der Kirchengemeinde Arbeit. So hat er mittlerweile 170 Mitarbeiter, versorgt 3.000 Menschen und verteilt täglich 1.500 Mittagessen, 1.000 davon kostenlos für Bedürftige. Er selbst hat auch eine geflüchtete Familie bei sich aufgenommen: Zsarkony Kotolin, alleinerziehende Mutter von vier Kindern, ist kurz nach Kriegsbeginn aus der Nähe Uzhhorods geflohen. „Es ist schwer, das, was gerade passiert, zu begreifen“, erklärte sie. „Den Ort, an dem ich geboren wurde, lebte, zu verlassen war nicht einfach. Ich kann erst langsam begreifen, was es bedeutet, die Heimat zu verlassen und ein neues Leben anzufangen.“ Sie weiß nicht, ob sie zurück kann oder will, Szántós Kirchengemeinde sei jetzt ihre Familie. Ihr 16-jähriger Sohn Daniel konnte gar nicht formulieren, wie schwer es ihm fiel, die Heimat und seine Freunde zu verlassen.
„Wir haben uns oft beschwert, dass es uns nicht so gut geht, aber jetzt? Das ist doch meine Heimat. Ich habe alle Bilder meiner Kinder auf dem PC in meinem Haus, ich habe alles zurücklassen müssen, mein Mann ist noch dort, er darf nicht weg, hat Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll“, erklärte eine Geflüchtete tränenerstickt.
Für Claus Schick war es „persönliche Betroffenheit“, die ihn motivierte, die Arbeit des Arbeitskreises zu unterstützen. „Das betrifft Menschen, die wir persönlich kennen. Wir wurden hier mit etwas konfrontiert, das wir als nicht mehr real wahrgenommen haben. Wenn ich so etwas mache, brauche ich das Gefühl, dass die Hilfe wirklich ankommt, deshalb habe ich die Strapazen gern auf mich genommen. Man hilft einfach, wenn Not herrscht.“ Es habe ihn gefreut zu sehen, dass „das, wofür wir hier stehen, umgesetzt wurde. Alles hat gut funktioniert. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass die Ressourcen, die uns zur Verfügung gestellt wurden, auch ordnungsgemäß eingesetzt werden.“ Ohne die Unterstützung ehrenamtlicher Helfer und seiner Familie sei dieses Projekt für ihn nicht möglich gewesen. Und er zeigte sich auch stolz: „Es ist Wahnsinn, was wir hier gemeinsam durch unsere kleine Aktion erreicht haben. Es ist wichtig, diese Spenden jetzt zu kanalisieren.“

Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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