Womöglich jetzt zwei Bürgerentscheide:
Widerspruch - und dann Klage gegen den Gemeinderat?

Bei der Übergabe der 2.600 Unterschriften im Rathaus. Vorgeschrieben für ein Bürgerbegehren sind nur 1.100.
„Was wir übergeben haben, ist die Bekundung des Bürgerwillens“, betonen Karin Linowski-Rother, Christina Friedrich, Andrea Fischer und Mitinitiatorin Elke Weidemann (Foto von rechts nach links).
  • Bei der Übergabe der 2.600 Unterschriften im Rathaus. Vorgeschrieben für ein Bürgerbegehren sind nur 1.100.
    „Was wir übergeben haben, ist die Bekundung des Bürgerwillens“, betonen Karin Linowski-Rother, Christina Friedrich, Andrea Fischer und Mitinitiatorin Elke Weidemann (Foto von rechts nach links).
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Waghäusel. In Waghäusel schlagen die Wellen hoch, meterhoch. Grund dafür ist, dass jetzt die Gemeinderatsmehrheit das initiierte und von der Zustimmung her erfolgreiche Bürgerbegehren als „nicht zulässig“ eingestuft und abgelehnt hat.
Nunmehr befürchtet die Interessengemeinschaft „Gegen Tiefengeothermie“ (IG), dass der Gemeinderat als nächsten Schritt - trotz 2.600 Unterschriften – das Bürgerbegehren möglicherweise, so gewisse Andeutungen, in seinem Sinne umfunktionieren und ihm einen ganz anderen Inhalt geben könnte: gegen den erklärten Willen der 2.600 Unterzeichner.
Zu der Verärgerung in der Bevölkerung nehmen die eingesetzten offiziellen Vertrauenspersonen für das Bürgerbegehren, Karin Rother-Linowski, Andrea Fischer und Christina Friedrich, Stellung:

Wie ist die Ausgangslage?
Karin Rother-Linowski: Aus „rein formalen Gründen“, wie sie selbst einräumen, haben die Stadtverwaltung und die Gemeinderatsmehrheit das Bürgerbegehren abgelehnt. Mit der Begründung (Formulierungsfehler) wurden wir kalt erwischt. Zu keinem Zeitpunkt bekamen wir auch nur eine Andeutung gemacht.
Der Auffassung der Stadt widerspricht die Bürgerinitiative in aller Entschiedenheit.
Denn wir haben, weil wir mit erheblichen Schwierigkeiten durch die Stadt rechnen mussten, in weiser Voraussicht die Ausformulierung des Bürgerbegehrens von einem renommierten und allseits anerkannten Anwaltsbüro ausarbeiten lassen. Die Freiburger Anwaltskanzlei für Verwaltungsrecht widerlegt explizit in einem achtseitigen Schreiben an die Stadt Waghäusel deren Haltung. Für uns absolut nachvollziehbar!

Gab es im Gemeinderat nur ein Nein?
Andrea Fischer: Noch in der Sitzung hat ein Teil des Gemeinderats bereits Überlegungen angestellt, bereits vorbereitet oder nicht, das Bürgerbegehren in seinem Sinne einfach abzuändern und umzuformulieren - und ihm damit eine gänzlich neue inhaltliche Ausrichtung zu geben. Um alles schön darzustellen, hat man von „Alternative“ und „Königsweg“ gesprochen.

Was ist konkret überlegt worden?

Christina Friedrich: In der Sitzung wurde etwa vorgeschlagen, nicht die beanstandeten beabsichtigten Grundstücksveräußerungen der Stadt an den Projektträger zum Gegenstand einer Abstimmung zu machen, sondern (nur) einen relativ unbedeutenden Teil der ausgehandelten Vertragsinhalte mit der „Erdwärme“.

Welche Bedenken bestehen dazu?
Karin Rother-Linowski: In diesem Fall würde die Stadt das Bürgerbegehren vollkommen an sich ziehen. Dann würde, was wohl gewünscht ist, die Formulierung des Bürgerbegehrens, die Darstellung des Pro und Kontra, die Art der Durchführung und das zeitliche Prozedere zu Bedingungen und Vorgaben ausschließlich der Stadt erfolgen, worauf dann die IG keinen Einfluss mehr hätte.

Nennen Sie uns ein Beispiel.
Andrea Fischer: Im Mitteilungsblatt schreibt beispielsweise eine Partei ergänzend: Sie wünsche erst einen Bürgerbescheid "nach Abschluss der Verhandlungen über die Inhalte der Vereinbarungen (außer der Höhe des Verkaufspreises)…". Oho.

Das heißt?
Christina Friedrich: Ich sehe es so: Die Bürger sollen nicht erfahren, zu welchem Preis die stadteigenen Grundstücke veräußert werden: zu Bauplatzpreisen? Zu Ackerlandpreisen? Gar zu Schleuderpreisen? So geht das nicht. Wir wollen eine genaue Darstellung, welche Preisvorstellungen auf beiden Seiten bestehen. Für welchen Betrag ist die Stadt letztlich bereit, den Bürgern Bohrlärm, Erdbeben, Gefährdungen durch alte durchziehende Gasleitungen im Boden, Verlust der Wohnqualität und weitere Unannehmlichkeiten zuzumuten.

Und der Stein des Anstoßes?
Karin Rother-Linowski: Das, was 2.600 Bürger mit ihren Unterschriften wirklich wollen, interessiert wohl nicht. Die Weichen werden dann in eine Richtung gestellt, die nach unserer Ansicht dem Projektbetreiber gefällig ist. Die 2.600 Bürger möchten ganz klar, dass die Stadt keine Grundstücke zur Verfügung stellt. Sie möchten nicht ersatzweise darüber abstimmen, ob bei der Einweihung des Bohrturms ein blauer oder roter Luftballon dazu gehängt wird.

Was hat jetzt die IG vor?

Christina Friedrich: Nach der für sie unbefriedigenden Gemeinderatssitzung wird die IG, so die aktuelle Beschlusslage, Widerspruch gegen die Entscheidung des Rats einlegen und bei Bedarf auch eine Verpflichtungsklage erheben. Sollten wir damit wider Erwarten erfolglos bleiben, würde die IG ein neues Bürgerbegehren in Gang setzen, das mit Sicherheit so hieb- und stichfest ist, dass die Stadt und der Gemeinderat keine formalen Gründe und Gründchen für eine Ablehnung mehr finden.
Was die Stadt in der Zwischenzeit macht, wissen wir nicht. Gibt es dann ein Bürgerbegehren des Gemeinderats, das inhaltlich keinen Menschen interessiert? Oder bald darauf eines der IG, das die ursprüngliche Intension zum Inhalt hat? Wenn der Gemeinderat will, kann er mit seiner harten Haltung zu einer Eskalation beitragen. Wir wollen es nicht!

Gibt es weitere Beanstandungen?
Andrea Fischer: Ja. Drei Parteien und Gruppen sind uns mit ihren weitgehenden Zusatzforderungen aufgefallen. Eine vorausgehende umfassende Information sei dringend notwendig, um interessierte Bürgerinnen und Bürger „sachkundig“ zu machen, heißt es dort. Die Grünen schreiben gar, sie unterstützen eine „Informationskampagne, um die Vorteile der Nahwärme aufzuzeigen und die Angst vor Erdbeben zu nehmen.“
Dabei haben die Befürworter schon die ganze Zeit den Leuten in Anzeigen, in Presseerklärungen, bei Veranstaltungen, an Informationsständen, in Form unglaublich vieler Initiativer klarzumachen versucht, wie gewinnbringend (wohl im doppelten Sinn) die Tiefengeothermie ist. Reicht das nicht?

Wie interpretieren Sie das?
Karin Rother-Linowski: Ich sage es einmal überspitzt: Erst sollen wir einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Wenn auch der Allerletzte kapiert hat, dass es nichts Besseres auf der Welt gibt als ein Tiefengeothermie-Kraftwerk in Waghäusel, direkt an der Wohnbebauung, dürfen die geläuterten Waghäuseler ihr zustimmendes Kreuzchen machen. So lange bekommen sie den „Geothermie-Glücks-Gluck“ eingetrichtert, bis sie es endlich glauben. Das ist Demokratie. Oder?

Sie sprechen von „unglaublichen Vorgängen“?
Andrea Fischer: Inzwischen gibt es sehr, sehr viele Vorgänge, die uns erschrecken. Nur ein Beispiel: Unter falschen Namen wurden  Leserzuschriften an die Presse gerichtet. Dort heißt es u.a.: Das Bürgerbegehren sei deswegen unzulässig, da eine Vielzahl der Unterschriften von nicht wahlberechtigen Personen geleistet wurde. Auch hätten manche unterschrieben, die nicht wussten, um was es überhaupt geht. So bösartig geht man mit 2.600 Bürgern um!

Bei der kürzlichen Oberbürgermeisterwahl hieß es gebetsmühlenartig: Die OB-Wahl habe mit dem Tiefengeothermie-Projekt überhaupt nichts zu tun.
Christina Friedrich: Das sehen wir derzeit im Zusammenhang mit dem Bürgerbegehren doch überdeutlich, welche Möglichkeiten die Stadt und vor allem das Stadtoberhaupt haben, auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen. Es gibt im Land etliche (Ober-)Bürgermeister, die wegen der vielfältigen Gefahren ein solches Projekt strikt ablehnen, und es gibt auch welche, die es ihren Bürgern partout zumuten wollen. Wir haben immer gesagt, es macht einen großen Unterschied, ob ich einen Tiefengeothermie-Fan oder einen Tiefengeothermie-Skeptiker auf dem Chefsessel sitzen habe, der in seinem Sinne das Geschehen steuert.

Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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