Zahlen, Fakten, Möglichkeiten und Potenziale
Energiewende im Landkreis SÜW
von Britta Bender
Landau/SÜW. Die Auswirkungen des Klimawandels sind natürlich auch im Landkreis Südliche Weinstraße zu spüren. Die Kreisvolkshochschule (kvhs) lud im Juli zu einem Diskussionsabend zum Thema „Energiewende“ ein, dem ein mehrwöchiger klima.fit-Kurs vorausging. SÜW-Klimaschutzmanager Philipp Steiner und Michael Linder vom Verein „Initiative Südpfalz Energie“ informierten über die Klimafolgen in unserer Region sowie darüber, was Bürgerinnen und Bürger konkret tun können, um die Energiewende voranzubringen.
Fakt ist: die Temperaturen im Landkreis lagen im letzten Jahr 1,9 Grad Celsius höher, als zu Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Das Szenario der Entwicklung lässt nichts Gutes erahnen: 2022 lag die mittlere Temperatur im Naturraum Oberreintiefland bei 11,3 Grad Celsius und sie wird, würde kein Klimaschutz stattfinden, im Jahr 2100 bei knapp 15 Grad Celsius liegen. Bei „starkem Klimaschutz“ könnte die Durchschnittstemperatur immerhin gehalten, aber dennoch nicht mehr gesenkt werden. Dieser „starke Klimaschutz“ müsste eigentlich international angegangen werden. Im Vortrag von Klimaschutzmanager Philipp Steiner ging es vorrangig darum, was vor Ort getan werden kann und könnte.
Energiewende im Landkreis
Das Ziel des Klimaschutzgesetzes ist die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 Grad Celsius und Klimaneutralität bis 2045, um künftigen Generationen das Leben zu ermöglichen. Der Ausstieg aus der Atomkraft ist erfolgt und das Kohleausstiegsgesetz 2020 zielt auf eine vorhersehbare und rechtlich geplante Stilllegung der Kohlekraftwerke bis 2038, im rheinischen Revier bis 2030, ab.
Der Weg der Energiewende führt weg vom zentralen Mega-Kraftwerk hin zu dezentraler Energieproduktion mit Windkraft und Sonnenenergie, Bioenergie und Geothermie. Die dezentrale Energieproduktion ist diverser und hat den großen Vorteil krisensicherer, angriffssicherer zu sein und dient somit der öffentlichen Sicherheit.
Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) 2022/2023 fordert bis 2030 mindestens 80 Prozent des Bruttostroms aus erneuerbaren Energien zu generieren. Das Solarpaket, welches am 16. August 2023 beschlossen wurde, tritt 2024 in Kraft und soll diverse Erleichterungen beim PV-Ausbau mit sich bringen.
Energiebedarf und -deckung im Landkreis
Eine Million Megawattstunden Wärme werden im Jahr verbraucht. Hier gibt es noch viel zu tun, was die erneuerbare Energiegewinnung angeht wie auch im Bereich Mobilität/Verkehr, bei ebenfalls 1 Million Megawattstunden (MWh) Verbrauch. Beim Strom sieht es schon besser aus: 354.000 MWh Strom werden benötigt, ein großer Teil wird bereits aus „grüner Energie“ eingespeist (2019). Ziel ist es zukünftig, diese Energie auch in den Wärme und Verkehrssektor zu bringen.
Energieversorgung in der Region
Die Energieversorgung in der Region erfolgt derzeit hauptsächlich durch Erdgas, Öl und Strom. Die Elektrifizierung von Verkehr, Wärme und Produktion verlagert natürlich den Energieverbrauch. Der Strombedarf wird also zukünftig steigen, während der Gesamtenergiebedarf sinkt. Das liegt daran, dass der Strom viel effizienter heizt und mobil macht, als Verbrennungsmotoren. Der Transport des Stroms über weite Strecken ist jedoch teuer, aufwendig und „obstrusiv“, was ebenfalls für eine dezentrale Erzeugung spricht. Eine sichere Versorgung wird die Summe vieler kleiner Teile sein: ein Energiemosaik statt Megakraftwerke.
Sicher ist auch: der Wohlstand und die Wertschöpfung in einer Region wird an die lokale EE-Erzeugung gekoppelt sein.
Nichtsdestotrotz wird es weiterhin eine gegenseitige Abhängigkeit von Stadt und Land, was Nahrung, Energie, Erholung für Jobs, Kultur und Infrastruktur angeht, geben.
Chancen und Konfliktpotenziale
Wir stecken mittendrin in der Klimakrise und es ist wohl den meisten Menschen klar, dass die eigenen Gewohnheiten und das eigene Konsumverhalten hinterfragt und im besten Fall nach und nach verändert werden sollte.
Wachstum ist wichtig und richtig, aber bitte innovativ und nachhaltig. Nachhaltigkeit würde beispielsweise bedeuten, für eine günstige Energieversorgung zu sorgen, damit Betriebe nicht ins Ausland abwandern. Um das zu gewährleisten müssen allerdings wiederum hohe Investitionen getätigt werden.
Konfliktpotenziale sind zu sehen mit der Landwirtschaft, mit ganz persönlichen Wertevorstellungen und es gibt Wissenskonflikte, was beispielsweise die Information über die Funktionsweise von Wärmepumpen betrifft.
Sicher ist: Die nachhaltige Energieversorgung sorgt für künftigen Wohlstand und Unabhängigkeit.
Doch wer soll diese Energiewende, die insgesamt mit hohen Investitionen verbunden ist, bezahlen?
Energiebedarf im Landkreis
Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Industrie, Verkehr und private Haushalte verzeichneten 2019 einen Energiebedarf von insgesamt 2.354.000 MWh. Lediglich im Privatbereich konnte eine geringe Menge an Energie durch Biomasse gedeckt werden.
Bis 2038 wird sich allein der Strombedarf verdoppelt haben, welcher bis dahin und darüber hinaus weiter steigend, gedeckt werden muss. Die Energiepreise sind gestiegen: Strom kostete 2019 noch 0,28 Euro/kWh und 2022 dann 0,38 Euro/kWh; Heizöl 0,68 Euro pro Liter dann 1,25 Euro pro Liter; Erdgas 0,065 Euro/kWh dann 0,122 Euro/kWh; Diesel 1,27 Euro pro Liter dann 2 Euro pro Liter; Benzin 1,43 Euro pro Liter dann 1,95 Euro pro Liter.
Der gesamte Energieimport lag im Landkreis Südliche Weinstraße in 2019 und in 2022 bei 2.060.000 MWh. Wobei die Kosten für die Energieversorgung von 245 Millionen Euro in 2019 auf 666 Millionen Euro in 2022 gestiegen sind. Wohingegen sich die Wertschöpfung durch erneuerbare Energien lediglich von 228 Millionen Euro auf geschätzt 250 Millionen Euro erhöht hat.
Diese Zahlen zeigen die Abhängigkeit auf, in der sich Landkreis Südliche Weinstraße und somit Bürgerinnen und Bürger, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Industrie und Verkehr befinden. Das macht es umso wichtiger, zukünftig mehr und mehr Unabhängigkeit zu stärken. Die gute Nachricht: in beiden Jahren konnten bereits 100.000 MWh Wärme vor Ort in SÜW produziert werden und 194.000 MWh Strom.
Circa 12,5 Prozent der gesamten Energie (Strom, Wärme und Verkehr) in SÜW ist erneuerbar. Das Potenzial für Photovoltaik-Anlagen an Gebäuden (20 Prozent erreicht) sowie auf Freiflächen (ein Prozent erreicht) ist am größten, dank 900 bis 1.200 Sonnenstunden im Jahr. Bei der Windkraft ist sozusagen auch noch Luft nach oben (da sind etwa 15 Prozent erreicht). Weitere Potenziale ist die Energiegewinnung mit Biomasse und Solarthermie. (Die „erreicht“ Zahlen unter Vorbehalt, weil die Genehmigungen sehr komplex sind und die Rechtslage sich ständig ändert)
Entwicklung der Photovoltaik
Wurden 2011 noch 15 Megawatt (MW) Leistung durch installierte PV-Anlagen erzeugt, stieg diese im Jahr darauf auf das Doppelte an und erhöhte sich bis Juli 2023 auf 70 MW. Ein überdurchschnittlicher Fortschritt in der Region. Derzeit sind es 5.000 PV-Anlagen in SÜW. Im Jahr 2011 waren es 800.
Was müssen wir daheim tun?
Im Bereich Ernährung und Konsum gilt es, regionale und saisonale Produkte zu kaufen, den Fleischkonsum zu reduzieren, langlebige Produkte anschaffen, auf Energieeffizienz-Label achten sowie klimafreundliche Geldanlagen tätigen.
Im Bereich Wohnen und Wärme ist ein Umstieg auf Wärmepumpe und Photovoltaik ratsam, energetische Sanierung sinnvoll und grundsätzlich versuchen, sparsam zu sein.
Den Weg von A nach B möglichst mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen.
Und selbstverständlich, soweit möglich, Flug- und Schiffsreisen vermeiden.
Für die Energie aus der Steckdose einen Ökostrom-Tarif wählen, grundsätzlich Verbräuche senken, Photovoltaik installieren (eventuell auch kleine Balkonkraftwerke).
Eine absolut zukunftsfähige Möglichkeit bietet sich, in Energie-Genossenschaften zu investieren beziehungsweise sich zu engagieren.
Die Gründung einer solchen ist im Landkreis SÜW angedacht. Über die sich in der Gründung befindliche BürgerEnergieGenossenschaft wird in einer der kommenden Ausgabe im Wochenblatt und hier auf unserem Portal berichtet.
Kontaktdaten und Infos
Klimaschutzmanager im Kreis SÜW
Philipp Steiner, Telefon 06341 - 940 228
philipp.steiner@suedliche-weinstrasse.de
https://www.suedliche-weinstrasse.de/de/buergerservice/dienstleistungen/Klimaschutz.php
Klima konkret
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Doch wo betrifft das konkret unsere Alltag? Was können wir tun, um bewusster zu leben und dabei gleichzeitig Ressourcen zu schonen? Und wie kann ein nachhaltiger Lebensstil begeistern, statt eine Last zu sein? Diese und weitere Fragen will die Wochenblatt-Serie Klima konkret beantworten.
Alle zum Thema bereits veröffentlichten Beiträge finden Sie auf
https://www.wochenblatt-reporter.de/tag/klima-konkret
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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